Hilflos in der Unternehmenskommunikation

Rezension

Manchmal gleicht Daniela Engists hilfloser Protagonist einem tragischen Clown. In einem Interview sagt die Autorin hingegen, er sei gar kein Antiheld, sondern ein unbestimmter, gewöhnlicher Jedermann. Doch in ihm glimmt noch ein Fünkchen Wildheit, Zweifel und Staunen.

Harald Klein hatte einen herrischen Vater, eine dominante erste Freundin und verdingte sich bislang als Lokaljournalist. Nun findet er sich als Global Communications Manager mit einem eigenen Büro in einem gigantischen Schweizer Konzern wieder. Er ist beeindruckt von sich selbst: Firmenhandy, Visitenkarte – sein Auftrag: die „große Sache“ mit kreativem Leben füllen.

Der Großkonzern will seine Unternehmenskultur umschalten auf Innovation; die Konkurrenz schläft nicht. Die Kreativität der Mitarbeiter soll aktiviert werden, 2.000 Führungskräfte werden auf die Devise „Leistung fürs Leben“ eingeschworen. Harald soll den Pressekonferenzen, Präsentationen und Geschäftsberichten kreatives Leben einhauchen. Er hat Philosophie studiert, und so bauen alle auf sein schöpferisches Talent. All diese Aufgaben breiten sich in ihrer Komplexität vor Harald aus, der sich, zittrig und rotfleckig, fragt, wann wohl seine Talentlosigkeit auffliegen wird. Tiefere Zwiegespräche mit sich selbst zeigen: In ihm steckt ein subtiler Geist, der viel weiß, und sich wenig traut.

Zu weit gekommen, um aufzugeben

Also überschlägt er sich vor Arbeitseifer, legt Nachtschichten ein, um den Geschäftsbericht zu verfassen oder die Q&A fertigzustellen für den CEO-Vortrag. Der Geschäftsbericht wird zu spät gedruckt, die Q&A werden ignoriert. Als er versucht, einen Termin mit seiner Vorgängerin – die intern gewechselt hat – zu vereinbaren, um etwas wie eine Übergabe zu bekommen, endet das in einer absurden Outlook-Termin-Verschieberei. Harald kämpft und kämpft, doch er kommt nicht an gegen die alles überrollende Energie der Kollegen, die ihrem Konzern fast wie einem Sektenguru dienen. Bis ein Kollege plötzlich nicht mehr zur Arbeit kommt, Burn-out. Harald zweifelt kurz, doch er ist zu weit gekommen, um aufzugeben.

Daniela Engist hat all das auf die ein oder andere Weise tatsächlich erlebt, sie ist eine Insiderin. Trotzdem will sie ihr Debüt nicht als Abbild ihrer eigenen Erfahrung verstanden wissen. Sie sei schöpferisch mit dem Material umgegangen, sagt sie. Gekonnt überhöht sie alltägliche Begebenheiten aus der Unternehmenswelt zu Slapstick-ähnlichen Szenen. Man sieht Harald geschäftig einen Gang auf und ab laufen, weltmännisch grüßend, damit niemand merkt, dass sein Chef ihn vor seiner Bürotür verhungern lässt, trotz Termins. Als er intern versetzt wird und ihm das als chancenreicher Aufstieg verkauft wird, hat er nichts weiter zu führen als eine vakante Stelle.

Manchmal bricht die Autorin mit der humoristischen Außensicht auf ihre Figuren und lässt Harald aus der Ich-Perspektive über Zweifel und Beobachtungen erzählen. Dieser Wechsel holt den Leser etwas abrupt aus seiner zurückgelehnten Haltung, in der er diesen bittersüßen Roman rezipiert. Dennoch äußerst lesenswert!

Fazit: 

(Absolutes Muss)

Eine intelligente Persiflage auf Change-Prozesse, die mittlerweile allerorten den Mitarbeitern das Leben schwer machen. 

 

(c) Verlag Klöpfer & Meyer

Kleins große Sache
Daniela Engist, 384 Seiten, Klöpfer & Meyer, 25 Euro

 

Dieser Beitrag erschien zuerst in der gedruckten Ausgabe SPIELEN. Das Heft können Sie hier bestellen.

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