Heino: Was Marken von seiner Neuerfindung lernen können

Polarisieren als Erfolg

Statt des üblichen Klingeltons hallt „Blaublaublau blüht der Enzian“ durch den Hörer: Wer Jan Mewes in Ruhe sprechen will, muss warten, bis der im Auto sitzt. Dann hat der Manager von Volkssänger Heino ein wenig Ruhe. Und kann erzählen, wie aus dem Volksmusikstar ein Rocker wurde. Eine Parabel

Herr Mewes, wo sind Sie gerade?

Jan Mewes: Ich fahre von Bremen nach Gelsenkirchen zu einer Pressekonferenz: Ab Mai tritt Heino zusammen mit Jürgen Drews, DJ Ötzi und Thomas Anders bei den großen „Olé-Parties“ auf.

Offenbar sind Sie viel unterwegs. Wie oft sind Sie zuhause in Hamburg?

Ich zähle das nicht. Wobei: Gestern las ich, dass ich 2014 allein mit Lufthansa mehr als hundert Flüge hatte. Und ich reise ja nicht nur mit denen.

Vermutlich ist Ihr Job tödlich fürs Privatleben.

Ach wissen Sie, ich bin´s nicht anders gewohnt. Wenn eine Frau einen Partner sucht, der um sieben aus dem Haus geht und nachmittags zurückkommt, bin ich der Falsche. Unter der Woche bin ich ganz normal im Büro, aber arbeite auch dann, wenn andere frei haben. Das ist mein Job: Ich muss dafür sorgen, dass andere bespaßt werden. Ich könnte heute vermutlich vieles besser machen als so mancher Fernsehmoderator, ich kann nur nicht singen. Aber ich arbeite lieber hinter der Bühne.

Wie wurden Sie Künstlermanager, haben Sie das studiert?

Ich hab ja nicht mal Abitur! Bis zur zehnten Klasse lief es noch ganz gut, aber in der zwölften sollte ich eine Ehrenrunde drehen. Darauf hatte ich keine Lust und hab mit der Schule aufgehört. Für meine Oma brach eine Welt zusammen. Meine Mutter, die als Versicherungsmaklerin ihre Firma aufbaute, besorgte mir einen Ausbildungsplatz. Ich hab dann Versicherungskaufmann gelernt, aber aus dem Kinderzimmer heraus schon erste Künstler vermittelt und mir mit meiner Mutter das Faxgerät geteilt.

Und woher kam Ihre Vorliebe für Volksmusik?

Meine Oma lebte bei uns im Haus, ich wuchs also auf mit dem „Blauen Bock“, „Dalli Dalli“ und den Shows von Rudi Carrell oder Wim Thoelke. Während meine Freunde die Charts rauf und runter hörten, war ich im Fanclub von Marianne und Michael. Mit 15 fing ich an, nebenbei für deren Agentur Künstler für Bälle und Schützenfeste zu vermitteln.

Wie haben Ihre Freunde reagiert?

Sie haben mich ausgelacht. Aber ich hab mich nicht beirren lassen. Heute hab ich auf meinem iPod neben Heino, Tony Christie und den Flippers aber auch ACDC, Rod Stewart oder U2.

Müssen Sie bei den Auftritten ihrer Künstler immer dabei sein?

Jaja, das muss man ja. Ich bin permanent auf Reisen. Bei Heino bin ich bei 95 Prozent seiner öffentlichen Auftritte dabei.

Wie haben Sie sich kennen gelernt?

Daran waren Hunde Schuld. Ich habe Heino 1994 das erste Mal für die Dithmarscher Kohltage in Heide angefragt. Als es draußen regnete und sich vor dem Backstage-Bereich die Riesenpudel des Veranstalters schüttelten, haben wir gemeinsam gelacht, das verband. Wir haben uns dann immer wieder bei Veranstaltungen gesehen und 2003 habe ich ihn das erste Mal in Herne verpflichtet. Die heutige Zusammenarbeit haben wir nie geplant, sie hat sich entwickelt.

Künstlermanager Jan Mewes (c) Privat

Künstlermanager Jan Mewes (c) Privat

Stimmt es, dass Sie keinen Vertrag miteinander haben?

Den habe ich mit keinem meiner Künstler. Für mich zählen Verstehen und Vertrauen. Heutzutage kommst Du doch aus jedem Vertrag wieder raus – wenn das Verhältnis zerrüttet ist, ist es zerrüttet. Bei mir zählt der Handschlag, ich mache das wie Willi Weber und bin „Mister 20 Prozent“. Ich sehe mich als Dienstleister, das kommt von „Dienst“. Ich will 20 Prozent auf alle geschäftlichen Einnahmen – und aus. Das diskutiere ich nicht.

Heinos Frau Hannelore sagt, wenn er ihr etwas Romantisches zum Geburtstag schenken will, zahlt er ihr ein neues Knie. Stimmt das?

Das stimmt (lacht).

Welche Rolle spielen die Ehepartner von Künstlern idealerweise?

Hauptsache, sie managen sie nicht! Die wollen nur das Geld fürs Management sparen, es fehlt ihnen eine gewisse Distanz. Und die meisten haben keine Ahnung vom Geschäft, die waren gestern noch Tankwart oder saßen bei Peek und Cloppenburg an der Kasse. Natürlich, es gab eine Hilde Alexander, die hat ihren Mann herausragend gemanagt. Ebenso noch Hannelore – sie ist seit Jahrzehnten eine Superberaterin, aber sie ist zu nett. Sie hat das Mutter Theresa-Syndrom und nicht jeder dankt ihr das. Dann wird’s aber auch schon dünn. An den Beispielen merken Sie schon: In den vergangenen Jahren kann da nichts wirklich Großes nachgekommen sein.

Heute tritt Heino in Lederjacke und mit dickem Totenkopfring auf, singt Songs von Rammstein und den Toten Hosen und sitzt in der Jury von „Deutschland sucht den Superstar.“ Warum genießt er nicht einfach seinen Lebensabend?

Weil er noch brennt. Heino hat noch Spaß an seinem Job. Das Geld braucht er nicht. Heino hat im Leben alles richtig gemacht: Er hat nie Brutto mit Netto verwechselt. Die BILD-Zeitung hat mal 70-Jahre-Stars von Creditreform durchleuchten lassen: Jeder zweite war praktisch insolvent – aber bei Heino war alles einwandfrei. Natürlich will er auch heute was verdienen, das steht aber nicht im Vordergrund. Wir sagen viele Anfragen ab, aber das war auch in den vergangenen zehn Jahren schon so. Klar, es gibt seit 2014 einen Riesenhype um ihn, aber wir haben auch vorher nicht in Motel Ones geschlafen und Baumärkte im Osten eröffnet.

Und was gab den Ausschlag zur Neuausrichtung von Heino als Marke?

Heino hatte die Idee, Songs von denen zu covern, die ihn angefeindet haben. Und er hatte Lust auf Popsongs, deren Melodie oder Texte ihm gefallen. So hat sich das entwickelt.

Wer von Ihnen brauchte mehr Mut für den Neustart?

Ach, ich hab so ein dickes Fell – Top oder Flop, für mich gab es bei dem Ding kein Mittelfeld. Ich habe mich früh entschlossen, Unternehmer zu sein, war nie im Leben angestellt. Alles, was ich habe, habe ich selbst von Null aufgebaut. Auch als Angestellter in einer gewissen Position brauche ich Mut, sonst kann ich keinen Erfolg haben. Es gibt auch Kollegen, die eher Verwalter oder Telefonhörerabnehmer sind. Ich werde für gute Ideen bezahlt. Aber dass es dann so durch die Decke ging, damit hatte ich ehrlich gesagt nicht gerechnet. Als dann die Zeitungsberichte nach den neuen Songs kamen, wusste ich, das kann nur ein dickes Ding werden.

Wie haben Sie die Neupositionierung geplant?

Strategisch. Wir haben im Team ein Jahr lang konzentriert daran gearbeitet für eine Punktlandung. Man muss eng mit den Medien zusammen arbeiten, auch mit Boulevardblättern und der yellow press. Manche Schlagerkünstler machen auf intellektuellen Schöngeist und wollen nur in „Bunte“ und „Gala“ erscheinen aber nicht in der BILD. Die sind so falsch im Job wie ihr Management. Ich mag Boulevardmedien. Weil unsere Kunden sie lesen.

Sind Sie mit dieser Medienstrategie immer gut gefahren?

Heino polarisiert. Seine ganze Karriere ist durchdacht und die Figur Heino richtig umgesetzt. Er kommt ja aus einem Umfeld aus Akademikern. Gerade das negative Image hat in den ersten Jahren schon Millionen Platten verkauft. Polarisieren ist unser Erfolg.

Also Provokation als Stilmittel?

Ich muss niemanden provozieren. Aber wenn Jan Delay Heino als Nazi bezeichnet, ist klar, dass der sich wehrt. Wenn Heino in einer anderen Sache seinen Bambi aus Protest zurückgibt, bringt das halt Aufruhr.

Gab es für den „neuen Heino“ Umfragen oder hatten Sie externe Berater?

Ich halte mich nicht für den lieben Gott. Wenn ich von etwas keine Ahnung habe, muss ich mich erkundigen. Aber ich kenne viele Leute, die wieder andere kennen und dann rede ich mit denen und mit Plattenfirmen, A+R-Managern. Viele haben mich für dieses Projekt belächelt. Eine Dame, die heute sehr erfolgreich ist und große Künstler gesignt hat, lehnte ab. Die ärgert sich heute sicher. Heino hatte einen lebenslangen Plattenvertrag bei einem Label, aber die dortige Managerin fragte „Wer soll das kaufen?“ Sie schlug stattdessen eine Platte mit Stimmungsliedern im Mallorca-Stil vor. Ich habe abgelehnt und Heino hat das Label gewechselt. Jetzt haben wir halt woanders 300.000 Platten verkauft.

Gab es auch Ideen, die sie als Manager abgelehnt haben?

Heino macht sich ja nicht zum Clown, der ist 76. Er macht, was zu ihm passt. Er singt, aber macht kein Kasperletheater. Für ihn gibt es jeden Tag viele Anfragen und Ideen, davon schmeißen wir die Hälfte in die Tonne, weil sie nicht umsetzbar sind. Und aus dem Rest machen wir ein bisschen was, wie sie ja sehen.

Sie vertreten auch das Volksmusikduo Marianne und Michael. Singen die demnächst plötzlich Soul?

Eher nicht. Die bleiben ihrer Linie treu, bald kommt eine neue Platte. Aber sie haben gerade einen viralen Spot für einen Joghurthersteller abgedreht, in ganz anderen Outfits als man von ihnen erwarten würde.

Was können andere von Ihnen lernen?

Ach, die wissen ja auch, wie es geht. Man muss seinen Beruf lieben, sonst kann man ihn nicht erfolgreich machen. Und man muss an seine Idee glauben, für sie kämpfen, sterben und leben.

Dies ist ein Beitrag aus unserem 100. Heft. Hier können Sie einen Blick hinter die Kulissen der redaktionellen Arbeit werfen.

Dieser Beitrag erschien zuerst in der gedruckten Ausgabe Mut – Von couragierten Kommunikatoren und cleveren Kampagnen. Das Heft können Sie hier bestellen.

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