Platz 1: Jacinda Ardern
Wenn unfassbare Dinge geschehen, sind Politiker besonders gefordert. Sie müssen die richtigen Worte finden, den richtigen Tonfall, die richtigen Gesten. Sie dürfen nicht zu geschockt wirken, aber betroffen, nicht aggressiv klingen, aber entschlossen, nicht zu kühl, aber besonnen. Wie eine echte Führungspersönlichkeit eben und zugleich wie ein normaler Mensch, auch und erst recht im Angesicht schrecklicher Ereignisse.
Der Anschlag von Christchurch in Neuseeland am 15. März war solch ein Ereignis. Und die neuseeländische Premierministerin Jacinda Ardern fand die richtigen Worte und Gesten. Ihre minutenlange Umarmung von Angehörigen der Opfer, ihre authentisch ausgedrückte Anteilnahme, ihre Geste, einen Schleier zu tragen, ihre Weigerung, gelähmt zu wirken oder aktionistisch – fällt das eigentlich noch unter PR? Ja, und zwar im Wortsinn: mit der Öffentlichkeit verbinden. Schmerz, Trauer, Mitgefühl teilen und doch nach vorn sehen. Jacinda Ardern tat das, was viele öffentliche Akteure allzu oft nur von sich behaupten: Sie war authentisch.
Platz 2: Julia Reda
Weit weg von Neuseeland, im fernen Europa, hielten im März vor allem zwei Themen die Öffentlichkeit auf Trab: die Brexiternity und der bittere Streit um die Urheberrechtsreform der EU. Wie dieser Streit – einstweilen – ausging, ist mittlerweile bekannt: Uploadfilter und Leistungsschutzrecht werden kommen, das finanzielle El Dorado für die von Verlagsseite eingelullten umgarnten Urheber dagegen eher nicht.
Zum Gesicht und zur Stimme der gewaltigen Protestbewegung gegen das Reform-Machwerk wurde eine junge Politikerin, ausgerechnet die einzige deutsche Piraten-Abgeordnete im EU-Parlament.
Julia Reda hielt jene, die vielleicht Polit-, aber sicherlich keine Online-Profis sind und gerne auf abstruse Behauptungen zurückgriffen, mit klarer Sprache, Ruhe und Nervenstärke, Kompetenz und guten Argumenten in Schach. Dass sie nach der Europawahl ihre politische Karriere – einstweilen? – beendet und zudem die Piratenpartei wegen eines Belästigungsskandals verlässt, passt ins Bild. Auch Julia Reda aka @senficon war authentisch.
Platz 3: „Made in Germany – Made by Vielfalt“
Die Kommunikationsabteilungen von 50 traditionsreichen deutschen Unternehmen unter einen Hut zu bekommen, ist sicherlich nicht ganz so einfach. Aber es geht! Ausgehend von einer Idee bei Vorwerk tat sich die die “Crème de la Crème” der deutschen Familienunternehmen zusammen: von Bahlsen und Boehringer Ingelheim über Deichmann und Jägermeister bis hin zu Otto, Stihl und Würth. Gemeinsam starteten die bekannten Namen des deutschen Mittelstandes im März mit großer Resonanz eine Kampagne für Toleranz und friedliches Miteinander, gegen Ausgrenzung, Hass und Gewalt. Besonders gelungen der Einleitungssatz der Aktion: „Es hat einen Grund, dass es Made in Germany und nicht Made by Germans heißt.“
Platz 4: GNTM
Außerhalb ihrer unmittelbaren Zielgruppe hat die Fernsehsendung „Germany’s Next Top Model“ von und mit und für Heidi Klum keinen sonderlich guten Ruf. Kritikpunkte: Mädchen und jungen Frauen würde durch die Casting-Show ein falsches, schädliches Rollen- und Körperbild vermittelt, die Sendung sei sexistisch, exhibitionistisch, billig. Digital-Staatsministerin Dorothee Bär (CSU) zeichnete im Jahr 2018 sogar die Initiative „Not Heidi‘s Girl“ aus, die sich explizit gegen GNTM aussprach.
Was könnte einer derart bedrängten Show eines Privatsenders Besseres passieren, als durch eine exklusive Partnerschaft mit einem Bundesministerium rehabilitiert und geadelt zu werden? Halbnackte junge Frauen aus einem TV-Casting, ja, auch ein paar halbnackte junge Männer, große Plakatkampagne, öffentliche Aufmerksamkeit, sogar Minister Andreas Scheuer (ebenfalls CSU) persönlich ließ sich im März mit den Motiven ablichten. Aus PR-Sicht ein Volltreffer für GNTM. Es ging übrigens um Fahrradhelme.
Platz 5: Christoph Sieder
Die Auszeichnung „PR-Manager des Jahres“ ist ein renommierter Preis, und Christoph Sieder, Leiter der Unternehmenskommunikation von ABB, räumte ihn im März als erster Manager eines Schweizer Unternehmens für das Jahr 2018 ab. Besonders die kommunikative Positionierung seines Arbeitgebers im Wachstumssektor E-Mobilität – unter anderem als Hauptsponsor der Rennserie Formel E – wurde von der Jury gewürdigt. Für einen in der Öffentlichkeit bisher eher diffus wahrgenommenen Technologiekonzern wie ABB ein schöner Erfolg, und für Christoph Sieder persönlich natürlich auch.
Auf der Shortlist
- Die Brachial-Rockband Rammstein, deren Comeback-Single „Deutschland“ dank eines hochkontroversen Videos für die erwünschten Schlagzeilen sorgte
- Grünen-Co-Chef Robert Habeck, der in Umfragen erstmals sogar Angela Merkel als „wichtigster Politiker“ überholte
- TV-Gigant Game of Thrones, dessen Trailer zur letzten Staffel (im April) für das erwünschte Internetbeben sorgte
Sonderpreis
- Problemstorch Ronny, der trotz durchgehend schlechter Presse konsequent an seinen Gewohnheiten festhält
Rückblick
- Die Verlierer im PR-März 2019
- Die PR-Verlierer im Februar 2019:
Die Europäische Union, die ARD, Lidl, Nike und die AfD - Die PR-Gewinner im Februar 2019:
Die Feuerwehren, Antje Neubauer, Römisch-Germanisches Museum Köln, Angela Merkel, Greta Thunberg
- Die PR-Verlierer im Januar 2019:
Facebook, Lego, Volkswagen, Robert Habeck, Haribo - Die PR-Gewinner im Januar 2019:
Influencer, Joe Kaeser, Meghan Markle, Der Newsletter, Die Frauen in den VAE