Ganz oder gar nicht

„Sorry“ in der PR

„Das war Mist“, erklärte Annalena Baerbock, Grünen-Parteivorsitzende und -Kanzlerkandidatin, zu irreführenden Angaben in ihrem Lebenslauf. Es tue ihr leid. Um Entschuldigung bat auch Angela Merkel Ende März, als sie einräumte, dass der Beschluss der sogenannten Osterruhe zu nächtlicher Stunde im Rahmen einer Ministerpräsidentenkonferenz ein Fehler gewesen war. „Dieser Fehler ist einzig und allein mein Fehler, denn am Ende trage ich für alles die letzte Verantwortung“, sagte sie. Sie bitte „alle Bürgerinnen und Bürger um Verzeihung“. Dafür erhielt sie viel Respekt.

Immer wieder kommt es vor, dass auch Unternehmen um Entschuldigung bitten. „Deshalb möchten wir uns bei Ihnen in aller Form entschuldigen“, schrieb Adidas, nachdem sich der Sportartikelhersteller massiver Kritik ausgesetzt sah, weil er während der Coronakrise Mietzahlungen aussetzen wollte. Die Kosmetikkette Douglas wollte während des zweiten Lockdowns Läden zu Drogerien umetikettieren. „Wir bitten diejenigen um Entschuldigung, die wir mit unserem Vorgehen befremdet oder vor den Kopf gestoßen haben“, sagte Douglas-Chefin Tina Müller nach dem öffentlichen Aufschrei. Alle Läden mussten dann doch schließen. Volkswagen entschuldigte sich 2020 für ein rassistisches Werbevideo. Daimler bat 2018 um Verzeihung, weil es auf Instagram den Dalai Lama zitiert hatte. Die Deutsche Bank entschuldigte sich 2017 für „Altlasten“, die den Aktionär*innen viel Geld kosteten.

Entschuldigungen machen nur dann Sinn, wenn sie glaubwürdig rüberkommen. Anderenfalls können sie sogar weiteren Schaden anrichten, wenn die Öffentlichkeit dem Unternehmen ein „Sorry“ nicht abnimmt, weil es wie PR in eigener Sache aussieht. Eine Entschuldigung wirkt überzeugend, wenn sich Unternehmen darum bemühen, einen Schaden wieder gutzumachen. Platt gesagt: Wer illegal 1.000 Bäume gefällt hat, sollte auch 1.000 Bäume wieder aufforsten. Manchmal begehen Mitarbeitende Fehler, für die das Unternehmen als Gesamtes nichts kann, aber verantwortlich ist. Eine Entschuldigung von Seiten der Firma ist dann angebracht. Sie sollte bei schweren Verstößen aber auch mit personellen Konsequenzen einhergehen. Daran mangelte es bei Volkswagens Entschuldigung für das rassistische Werbevideo. Persönlich verantwortlich sein wollte niemand. Für Unrechtsbewusstsein spricht das nicht.

Wenn man aus Profitinteresse einen Schaden für die Gesellschaft, Kunden oder Wettbewerber billigend in Kauf genommen hat, ist eine Entschuldigung wenig überzeugend. Ist das Topmanagement involviert, ist davon auszugehen, dass ein Unternehmen vor einer Entscheidung potenzielle Risiken abgewogen hat. Den Versuch, mit etwas Illegalem oder moralisch Fragwürdigem durchzukommen, muss man deshalb so interpretieren, dass die Öffentlichkeit getäuscht werden soll. Eine Entschuldigung kann sich ein Unternehmen dann sparen. Es ist offenkundig, dass sie nur erfolgt, um den Imageschaden kleinzuhalten. So wirkte es bei Douglas. Man wollte schauen, ob der Drogerie-Etikettenschwindel von der Öffentlichkeit akzeptiert wird oder nicht. Auch bei Adidas müsste den handelnden Personen klar gewesen sein, dass das Aussetzen von Mietzahlungen keine Akzeptanz findet, wenn man jahrelang Milliardengewinne erwirtschaftet hat.

Bei Angela Merkel ist davon auszugehen, dass die Osterruhe die Infektionszahlen senken sollte. Doch die wenig durchdachte Maßnahme diente ebenfalls dazu, nach stundenlangen Verhandlungen nicht ergebnislos dazustehen. Taktische Überlegungen spielten eine Rolle. Die Entschuldigung war trotzdem glaubwürdig, weil die Bundesregierung die Osterruhe gestrichen hat und ein Schaden noch nicht entstanden war – den Schaden für das Ansehen der Politik einmal ausgeklammert.

Wie sieht es bei Baerbock aus? Die ungenauen Angaben in ihrem Lebenslauf kamen nicht zufällig dort hinein. In einem ARD-Interview nannte sie das Aufbereiten ihres Lebenslaufs „schlampig“. Korrekt wäre wohl gewesen zu sagen, dass es mit Vorsatz geschah. Auch für etwas Vorsätzliches kann man natürlich um Entschuldigung bitten. Juristisch gesehen wird ein Vorsatz regelmäßig härter bestraft als etwas, das man fahrlässig begeht. Bedeutet: Dass Menschen ihr diesen Fehler nicht so einfach verzeihen, sollte die Kanzlerkandidatin zumindest nicht wundern.


Anm. d Red.: Dies ist eine aktualisierte Version des Beitrags, der in der Printausgabe 2/2021 erschienen ist.

Dieser Beitrag erschien zuerst in der gedruckten Ausgabe KREATIVITÄT. Das Heft können Sie hier bestellen.

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