Fünf Formate für Storytelling im Netz

Von Multimedia-Reportage bis Listicle

Egal welches Format man wählt, das Wichtigste ist, das wesentliche Ziel des Storytellings im Hinterkopf zu behalten: die Aufmerksamkeit der potenziellen Kundschaft zu gewinnen. Das Unternehmen sowie seine Produkte und Angebote bekannter zu machen, rückt dabei ein Stück weit in den Hintergrund. Die folgenden fünf Formate sind nur ein Ausschnitt dessen, was möglich ist. Weiterhin gibt es zahlreiche „klassische“ Darstellungsformen des Journalismus, die online oftmals unterrepräsentiert sind.

Format 1: Die Langform

Das Foto bildet den Auftakt für eine Geschichte über die 15-jährige Präsidentin eines sogenannten Wasserkommitees in Mosambik, das für jedes Wasserprojekt der Organisation charity:water von der Dorfgemeinschaft gewählt werden muss. Eine so junge Frau an der Kommiteespitze, das ist untypisch für diese Aufgabe. Und so wird der Leser hineingezogen in die Lebenswelt von Natalia. Unterstützt wird das zusätzlich durch starke Fotos. Das Ziel von charity:water ist, jedem Menschen den Zugang zu sauberem Trinkwasser zu ermöglichen. Durch lange, reich bebilderte Reportagen versucht die Organisation, auf ihre Projekte aufmerksam zu machen.

Oftmals heißt es, die Leser hätten im Vergleich zu früher immer kürzere Aufmerksamkeitsspannen. Dementsprechend müsse man für maximale Reichweite auf kurze, schnell konsumierbare Inhalte setzen. Das stimmt so jedoch nicht ganz, denn es kommt immer auf die Zielstellung an. Mitunter ist es besser, die entgegengesetzte Richtung einzuschlagen und auf lange Formate zu setzten.
Schließlich beweisen Onlinenutzer an vielen Stellen, dass sie dranbleiben, wenn es denn interessant ist: Sie schauen Filme auf Netflix, lesen Bücher auf dem Kindle oder schauen stundenlang „Let’s Play“-Videos auf Youtube. Langform-Audio-Podcasts sind ebenso Beispiele wie tiefgehende Artikel von so unterschiedlichen Magazinen und Angeboten wie „New Yorker“, „The Awl“ oder „Wait But Why“.
Die gemeinnützige Organisation charity:water nutzt beispielsweise lange, reich bebilderte Artikel, um auf ihr Thema aufmerksam zu machen. Dabei werden eindrucksvolle und bewegende Geschichten erzählt. Für sie ist die Emotionalisierung schließlich ganz zentral, um Unterstützer zu gewinnen.

Format 2: Multimedia-Reportage

//www.bosch.com/de/com/boschglobal/bosch_explorer/home.html

Hong Khai, Roy, Amy, Luiz, Tolgay und Yanru (von links) hießen die sechs Entdecker, die für die Bosch World Experience ausgewählt wurden. In 16 Tagen besuchten sie sechs Länder, wo sie technische Highlights erkundeten, in denen Technologie von Bosch steckte. Die Explorer schrieben über ihre Erlebnisse auf Social Media, drehten Videos, schossen Fotos und vieles mehr. Am Ende wurden die multimedialen Beiträge auf einer Webseite zusammengeführt.

Ähnlich wie die Langform ist mit dem Begriff Multimedia-Reportage ein Inhalt gemeint, den der Nutzer nicht mal eben zwischendurch konsumiert. Der Schwerpunkt liegt in diesem Fall darauf, eine Geschichte mit vielen verschiedenen Mitteln zu erzählen: Neben dem Text werden beispielsweise Audio und Video eingesetzt oder auch Illustrationen und interaktive Grafiken. Man kann darüber eine Geschichte vielfältig erzählen und stillt die Bedürfnisse unterschiedlicher Nutzertypen.
Dafür ist der Aufwand natürlich ungleich hoch. Das beginnt schon bei der Planung. In dieser Phase sollten einige Fragen beantwortet werden: Mit welchen Inhalten soll die Geschichte erzählt werden? Wie werden die verschiedenen Elemente miteinander verbunden?
Wer noch keine Erfahrungen damit gesammelt hat, fängt am besten simpel an. Die Frage sollte dann lauten: Kann ich meinen Artikel durch andere Medien ergänzen – beispielsweise durch eine Fotogalerie, ein kurzes Video, eine Illustration, eine Infografik?
Für die Bosch World Experience ist das Unternehmen noch einen anderen Weg gegangen und hat sich externe Autoren als Botschafter gesucht. Aus 50.000 Bewerbern hat es sechs sogenannte Explorer ausgewählt. 16 Tage sind diese um die Welt gereist, haben sechs Orte besucht und darüber fleißig via Social Media berichtet. Letztlich wurden ihre Fotos, Videos und Texte auf der Webseite zusammengeführt.
An allen Orten ist Bosch natürlich in unterschiedlicher Form mit Projekten präsent. Das bekommt der Leser quasi nebenbei mit, während er durch die lebhaften und sehr echt wirkenden Berichte scrollt.

Format 3: Tipps und Tricks

//blog.liebherr.com/hausgeraete/de/cocktail/

Im„Hausgeräte-Blog“ von Liebherr positioniert sich der Hersteller nicht als Spezialist für Kühlschrank, Waschmaschine und Co., sondern gibt Tipps zur Lagerung von Lebensmitteln, Ernährung und stellt Rezepte aller Art vor. Die Liebherr-Hausgeräte, also die Produkte selbst, rücken deutlich in den Hintergrund.

Anleitungen gehören zu den viel gesuchten Inhalten im Netz. Solche „How-Tos“ erklären dabei nicht nur die Handhabung. Sie können beispielsweise ebenfalls zeigen, wie vielfältig sich ein Produkt einsetzen lässt. Ein Tutorial kann darüber hinaus Kunden und Fans des Unternehmens einbinden, indem man sie von ihren eigenen Erlebnissen erzählen lässt.
Eine weitere Möglichkeit ist, Ratschläge aus dem weiteren Umfeld der eigenen Angebote zu liefern. So geht es beispielsweise im Hausgeräte-Blog von Liebherr nicht nur um neue Geräte, sondern unter anderem auch darum, wie man Brot richtig lagert oder welche Temperatur Wein idealerweise haben sollte.
Solche Beiträge zu alltäglichen Fragen werden gern via Social Media geteilt und oftmals gut über Suchmaschinen wie Google gefunden. Wer wie in diesem Beispiel sehr allgemeine Fragen behandelt, hat natürlich bereits etliche Konkurrenz im Netz. Dann muss man inhaltlich oder bei der Umsetzung mehr Aufwand betreiben. Nicht selten verfügen ­Unternehmen und Institutionen aber über Fachwissen, das sich noch nicht so zahlreich online finden lässt.

//www.zeit.de/kultur/musik/2015-05/eurovision-song-contest-punkte-vergabe

Auch Zahlen können – durch eine interaktive Grafik – Geschichten erzählen. In diesem Bespiel wurden Daten zum Abstimmungsverhalten beim Eurovision Songcontest im Zeitraum 1998 bis 2014 ausgewertet und visualisiert. Die Frage lautete: Welche Länder stehen sich bei der Punktevergabe besonders nahe?
Jedes Land kann angeklickt werden und man sieht einerseits (wie hier) durch dicke blaue Pfeile, an welche Nationen Land X die meisten Punkte vergeben hat. Wird andererseits auf „Erhaltene Punkte“ geklickt (hier nicht im Bild), lässt sich erkennen, aus welchen Ländern Land X die meisten Punkte erhalten hat.

Format 4: Datenjournalismus

Mit Daten Geschichten zu erzählen ist eine noch recht junge Disziplin des Journalismus. Die Grundidee: Unser Gehirn kommt mit Datenkolonnen nicht besonders gut zurecht. In visualisierter Form aber werden Zusammenhänge auf einen Blick deutlich. Noch einen Schritt weiter gehen interaktive Infografiken.
„Die Zeit“ visualisiert in diesem Beispiel eine oft gestellte Frage unter Fans des Euro­vision Song Contest: Wer gibt eigentlich wem die meisten Punkte? Sie haben dazu alle Votings seit 1998 einbezogen. Als Leser bestimmt man per Klick, für welches Land man die Abstimm-Verhältnisse sehen möchte.
Unternehmen, Verbände und andere Institutionen haben in der Regel ähnliches Zahlenmaterial parat. Wer die nur in Datenbanken und Excel-Dateien schmoren lässt, vergibt möglicherweise eine große Chance. Selbst Standard-Inhalte wie die Unternehmensgeschichte und -entwicklung können durch eine visuell interessante, interaktive Aufbereitung viel mehr Wirkung entfalten.

Format 5: Listicle

//www.otto.de/twoforfashion/10-flirttipps-frauen/96370/

Auf dem „Two for Fashion“-Blog von Otto werden „Flirttipps von echten Frauen“ gegeben – ein gutes Beispiel für das Listicle-Format.

Webseiten wie BuzzFeed haben die Liste zur Kunstform erhoben – oder zumindest mit großem Erfolg eingesetzt. Aus „list article“ wurde im Zuge dessen der Modebegriff des „Listicle“. Gemeint ist damit schlicht, Fakten, Aussagen oder Beispiele zu einem Oberthema aufzuführen. Sie sind oftmals mit einer Prise Humor aufbereitet. Ein Listicle kann sich um Kuriositäten drehen, aber auch praktische Tipps und Tricks liefern. Solche Listen lassen sich von den Lesern schnell konsumieren. Sie werden außerdem erfahrungsgemäß sehr gern geteilt.
Im „Two for Fashion“-Blog von Otto findet sich ein typisches Beispiel: „10 Flirttipps von echten Frauen“. Dem vorangegangen war ein Artikel des Jugendmagazins „Bravo“, der durchs Netz geisterte und für seine altbackenen Tipps ordentlich Gegenwind bekommen hatte. Im Blog von Otto stellt die Autorin ihre Sicht der Dinge dar – kurz, knapp und auf den Punkt gebracht.

Dieser Beitrag erschien zuerst in der gedruckten Ausgabe Storytelling – Marken machen ohne Märchen. Das Heft können Sie hier bestellen.

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