Schluss mit Druck und Basta-Methoden

Mitarbeiterführung

Heutige Chefs sehnen sich ab und an zurück zur längst ausgedienten Basta-Kultur. Schließlich war bis in die Sechzigerjahre hinein die Arbeitswelt vergleichsweise einfach. Führungskräfte ordneten an, Mitarbeiter führten aus. Unternehmen waren geprägt von hierarchischen Strukturen und strikten Weisungsbefugnissen.

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Dann hielt ein neues Führungsverständnis Einzug. Die simple Anweisung passte immer weniger zu den anspruchsvollen Aufgaben, den besser ausgebildeten Mitarbeitern und der demokratischen Gesellschaft, die ihre Bürger als selbstbestimmte Individuen verstand. Es begann das Zeitalter der „kooperativen Führung“. Mitarbeiter sollten bei Entscheidungen einbezogen werden, Verantwortung übernehmen und Eigeninitiative zeigen.

Das machte alles erheblich komplizierter. Ab sofort wurde Führung zu einer anspruchsvollen kommunikativen Aufgabe. Denn wer nicht anordnen kann, muss überzeugen. Seither zeugen eine Flut von Ratgebern und eine Vielzahl von Theorien davon, wie schwer sich Führende damit in der Praxis tun.

Die Erfahrung lehrt: In ruhigem Fahrwasser funktioniert Kooperation reibungslos. Unter Druck, Stress und bei Widerspruch wird es heikel. Da ist der Rückfall in autoritäre Verhaltensmuster oder die Zuflucht zu Seilschaften und Buddy-Systemen keine Ausnahme.

Haltung zum Gegenüber spielt eine wichtige Rolle

Chefs sind heute aufgerufen, Zusammenarbeit in Netzwerkstrukturen, cross-funktionale Austauschprozesse, Innovationsfreudigkeit, hohe Wendigkeit und Eigenverantwortung zu fördern und zu organisieren. Grundsätzlich gilt: Ob jemand erfolgreich auf andere Menschen Einfluss nehmen kann, wurzelt in seiner Haltung zum Gegenüber. Diese Haltung prägt nicht nur sein Verhalten. Vielmehr wird sie direkt vom anderen gespürt.

Eine positive Grundhaltung bewirkt, dass Informationen das Gegenüber erreichen und nicht auf Desinteresse oder Abwehr stoßen. Mit Druck oder Basta-Methoden dagegen erzielt man allenfalls halbherzige Zustimmung, die anschließend unterlaufen wird. Dieses „Aussitzen“ oder „Auflaufenlassen“ kennen die meisten von uns.

Damit nähern wir uns dem Kern des Mindsets für moderne Führung. Er besteht in der Einsicht, dass Chefs ihre Mitarbeiter nicht zu etwas bewegen können, sondern lediglich optimale Voraussetzungen dafür schaffen sollten, dass sie sich selbst bewegen. Zahllose Change-Projekte zerschellen an dieser Klippe – an dem Irrtum, wenn ich etwas nur mit genügend Nachdruck sage, wird es umgesetzt.

„Aktivieren statt Anweisen“ ist stattdessen das Erfolgsprinzip, in lateralen Führungskontexten ebenso wie in der klassischen Führungsbeziehung. Hierbei begegnet man seinem Gegenüber mit Respekt und Offenheit, aber auch mit klarer Zielorientierung und sachlichem Bezug auf die Fakten. Es geht also nicht um einen Kuschelkurs, sondern um einen konstruktiven und wenn nötig hartnäckigen Dialog.

Tools für den Führungsalltag

1. Positiver Loop

Das wichtigste Werkzeug wurde bereits erwähnt: die positive Unterstellung. Ich spreche vom „positiven Loop“, um die Rückkopplung zu verdeutlichen: Wenn Sie gezielt die positiven Anteile aus der Reaktion eines Gegenübers herausfiltern und diese adressieren, besteht eine große Chance, dass der andere sich ebenfalls selbst in Bewegung setzt und an einer Lösung mitarbeitet. Nehmen Sie diese Haltung gegenüber jemandem ein, der Ihnen bisher gleichgültig oder abweisend begegnete, werden Sie feststellen, dass er sich zu bewegen beginnt. Anders ausgedrückt: Jemandem positiv zu begegnen, ist eine strategische Entscheidung.

2. Driver’s Seat

Die Haltung: Was ich tue und was mein Gegenüber tut oder lässt, ist Ausdruck einer persönlichen Entscheidung. Selbstverantwortung heißt, in jeder Situation das Steuer in der Hand zu behalten – und das auch vom Gegenüber zu erwarten.

Beispiel: Kollege: „Ich bin noch nicht dazu gekommen.“ Projektleiter: „Sie sind es, der Prioritäten setzt. Wie werden Sie dieses Problem lösen?“

3. Realitätsanker

Die Haltung: Die Realität führt, nicht der Chef. Ziele und Absprachen werden aus der betrieblichen Realität abgeleitet. Die Macht des Faktischen ersetzt den persönlichen Druck. Das gilt auch für laterale Führung.

Beispiel: Kollege aus dem Marketing: „Wir tun, was wir können. Mehr geht nicht.“ Kollege aus der Produktion: „Die Messe ist in exakt sechs Monaten und der Produkt-Relaunch auf der Messe wurde einvernehmlich in Ihrem Beisein beschlossen.“

4. Zielprojektion

Die Haltung: Nur selbst generierte Ziele sind nachhaltig wirksam. Handlungsschritte werden vom Zielverantwortlichen selbst aus dem Ist-Zustand bei Zielerreichung abgeleitet und nicht vom Führenden vorgeschlagen.

Beispiel: Mitarbeiter: „Junge Zielgruppen gewinnen, das sagt sich so leicht …“ Führender: „Lassen Sie uns das Ganze vom Ende her betrachten. Wie könnte ein gutes Ergebnis konkret aussehen?“ Mitarbeiter: „Ein Erfolg wäre schon, wenn wir bis Jahresende …, und außerdem …“ Führender: „Gut. Was müsste passieren, damit das möglich wird?“

5. Überzeugungssog

Die Haltung: Wer nur widerwillig zustimmt, steigt bei nächster Gelegenheit wieder aus. Das Gegenüber muss aktiv „ja“ sagen. Das erfordert Zeit und Geduld.

Beispiel: Mitarbeiter: „Ich habe keine Ahnung, wie ich die Präsentation bis Ende nächster Woche erstellen soll!“ Führender: „Das ist tatsächlich sportlich. Aktuell räumt uns der Vorstand leider nicht mehr Vorlauf ein. Lassen Sie uns gemeinsam ausloten, wie das machbar ist.“

6. Masterplan für Gespräche

Die Haltung: Viele Gespräche sind zu wichtig, um sie der Improvisation zu überlassen. Gute Vorbereitung, das Wissen um die emotionale Dynamik in der Kommunikation und die Kontrolle eigener direktiver Impulse sind erfolgsentscheidend.

Vorgehen: Ich gehe mit einem klaren Plan ins Gespräch, von der Themenklärung zu Beginn über die Einigung auf eine gemeinsame Realität, die Behandlung von Einwänden, das Herausarbeiten des konkreten Ziels und das Absichern der Zustimmung der Beteiligten zum Abschluss.

Fazit: Anders führen heißt anders reden

Auch die neue Wirtschaftswelt braucht Führung. Entscheidungsträger müssen in der Lage sein, Menschen erfolgreich zu beeinflussen, dabei steht die Kooperation im Vordergrund.

Das ist eine sensible Gratwanderung, die Klarheit, Zielorientierung und Vertrauen in die Verantwortungsbereitschaft des Gegenübers benötigt. Kommunikation in diesem Sinne widerspricht oft unseren spontanen Impulsen, erst recht angesichts der Allgegenwart von Zeitknappheit und Erfolgsdruck.

Es lohnt sich jedoch, die eigene Haltung zu seinen Mitarbeitern zu reflektieren. Erst dadurch lassen sich im Gespräch bewusst die richtigen Signale setzen.

 

Dieser Beitrag erschien zuerst in der gedruckten Ausgabe MUT. Das Heft können Sie hier bestellen.

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