Fliegen, schämen, Peniskekse

Bei manchen Headlines muss man kein Dschungelcamp-Gucker oder passionierter heftig.co-Konsument sein, um dem Klickdiktat des eigenen Unterbewusstseins unreflektiert Folge zu leisten. Eine davon ist ganz bestimmt die “Handelsblatt”-Meldung: Lufthansa schämt sich für Peniskekse”. Diese begeistert nämlich gleich in zweierlei Hinsicht. Zum einen wegen des Verbs “schämen” – schließlich gibt es nicht nur das Phänomen des Fremdschams, sondern ebenfalls ist die Freude an der Schamesröte der anderen weit verbreitet. Das Zweite ist selbstverständlich das Wort “Peniskeks”, denn dieses adelt die deutsche Sprache mit ihrer wunderbaren Möglichkeit, zwei (ursprünglich weit voneinander entfernte) Substantive ganz ohne Kopplungskrücke miteinander verschmelzen zu lassen.

Die Geschichte ist so schön, wie die Überschrift erahnen lässt: Ein “taz”-Reporter blättert im Bordmagazin der Lufthansa und widmet seine Aufmerksamkeit einem Artikel mit der Schlagzeile: „Turteln mit Tintenfisch – Asiens Liebesinsel Jeju“. Neben dem Text über das beschriebene Liebes- und Erotikparadies sind allerdings lediglich Strandspaziergänger und allerlei Meeresgetier abgebildet. Doch der enttäuschte Redakteur stößt noch auf etwas anderes: Einen Adressaufkleber mitten auf der Seite. Er sucht in anderen Heften die entsprechende Stelle: Sie fehlt oder ist überklebt. Nach einer schnellen Online-Umfrage meldet ein anderer Bordheftbesitzer: Da ist ein Bild! Aber lediglich ein paar Kekse sind darauf zu sehen. Was dann beim näheren Hinsehen herauskommt ist überflüssig zu erklären, wenn man die Headline kennt.

Screenshot der Online-Version des Lufthansa-Magazins

Da fehlt doch was?! (c) Screenshot der Online-Vorschau des Lufthansa-Magazins

Warum das phallusförmige Gebäck aus dem Blatt weichen musste, erklärt ein Sprecher der Airline dem “taz”-Reporter folgendermaßen: Es sei “für die unterschiedlichen Kulturen, aus denen unsere Reisenden stammen, nicht geeignet“ und „leider durch einen Produktionsfehler in den Druck gegangen“. Der Konzern gibt sich beschämt. Dabei weiß doch eigentlich jeder, dass es nicht zwangsläufig weniger peinlich wird, Peinlichkeiten mit offensichtlichem Dilettantismus zu zensieren. Außerdem macht so ein Peniskeks das Lufthansamagazin auch nicht gleich zum Pornoheft und so mancher Passagier hätte sich auf einem langweiligen Langstreckenflug gewiss an einer kleinen Gewagtheit erfreuen können …

 

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