Schreibblockaden gibt es gar nicht

Kolumne

Eine eigene Kolumne zu haben und regelmäßig die eigenen Gedanken, Sichtweisen und Empfehlungen veröffentlichen zu dürfen, ist eine wunderbare Sache. Zumal es an Themen und Geschichten nie mangelt. Kein Gedanke ist zu abwegig, keine Handlung zu irrwitzig, keine Darstellung zu überzogen. Was das Kabarett nicht schafft, schafft das tägliche Leben. Es liefert uns Kolumnisten die nächste unglaubliche Story. Geschichten also, die das tägliche Leben schreibt.

– Anzeige –

Anzeige: Quadriga Media Berlin

 

Leider schreibt es die Geschichten nur im übertragenen und nicht im wörtlichen Sinne. Denn eine Sache gibt es, die ist unangenehm bei einer regelmäßigen Kolumne: die Schreibblockade. Immer wieder drängt sie sich zwischen Hirn und Hand, zwischen Gedanken und Tastatur, zwischen den überlaufenden Themenspeicher im Kopf und dem leeren Blatt Papier vor den Augen.

„Schreibblockaden gibt es gar nicht“, sagt da aber Daniel Fitzke, Pressesprecher, Trainer und Autor des Buchs „Schreibblockaden lösen“, das 2018 in der 30-Minuten-Reihe bei Gabal erschienen ist. „Was irrtümlich häufig für eine Schreibblockade gehalten wird, ist in den meisten Fällen Teil eines ganz normalen kreativen Prozesses.“

Wenn man es so sieht, sind kreative Prozesse zumindest bei mir manchmal sehr ausgeprägt. So sehr, dass ich froh bin über jede Deadline, die mich zwingt, den für den nächsten Termin zugesagten Kolumnen-Beitrag, die Pressemitteilung für den Kunden oder die Rede für den Vorstand endlich zu liefern.

Wie gut, dass es sie gibt: die Deadline

„Die Deadline ist ein Geschenk“, schreibt Fitzke in seinem Buch. „Niemand weiß, wie viele Werke der Weltliteratur unvollendet geblieben sind, weil es für sie keine Deadline gab.“ Viele Journalisten sind Unter-Druck-Arbeiter: Sie liefern erst dann, wenn es knapp wird. In erfreulich vielen Fällen tut das der Qualität keinen Abbruch. Und wer erst unter Druck zu kreativen Leistungen fähig ist, bewegt sich damit in meist guter Gesellschaft.

Wobei der Druck ja nur für den Export der Gedanken aufs Papier sorgt. Der kreative Prozess hat schon viel früher begonnen. Daniel Fitzke teilt ihn in vier Abschnitte auf: Expedition, Inkubation, Illumination und Evaluation.

Die Expedition ist dabei vergleichbar mit der ersten Phase im journalistischen Schreiben: Recherchieren. Auch in dieser Phase geht es noch gar nicht ums Schreiben, sondern um ein sauberes Briefing, um Nachfragen. Und auch um die Selbsteinschätzung, ob ich als Autor der Text-Aufgabe und der vorgegebenen Deadline gewachsen bin – und ob die zur Verfügung gestellten Informationen dafür ausreichen.

Ich hatte an anderer Stelle schon einmal geschrieben, dass es nahezu unmöglich ist, aus einem Briefing auf Sandkasten-Niveau den erhofften Fachbeitrag zu machen. Es ist daher ein wesentlicher Bestandteil der ersten Kreativ-Phase, alle Inhalte zu sammeln und auch – zum Beispiel bei einem Auftraggeber oder einer Fachabteilung – Informationen einzufordern. Fragen gehört zum Schreiben.

Nach dem Recherchieren und dem Aufbruch ins Unbekannte (Expedition) kommt die Phase, die viele als unproduktiv kennen. Man sitzt vor dem leeren Blatt oder vor dem weißen Bildschirm, schiebt eventuell noch lustlos ein paar Textblöcke und Informationen hin und her, mal nach oben, mal nach unten. Doch der Texteinstieg will nicht gelingen, das Thema uns nicht begeistern und das scheinbar unkreative Herumdoktern an den Textbausteinen uns nicht motivieren.

Das Unterbewusstsein arbeitet auch in unproduktiven Phasen

Alles kein Problem, sagt Daniel Fitzke. Das gehört zum kreativen Schaffen dazu. „Ideen reifen in unproduktiven Phasen“, heißt es in seinem Buch. Der kreative Prozess kenne keine Abkürzung. In dieser Phase temporärer Selbstzweifel ist es gut, a) weiterhin an die eigene Schaffenskraft zu glauben und b) einen großen Papierkorb in der Nähe zu haben. „In dieser Phase ist der Papierkorb der beste Freund der Kreativen. Er schluckt geduldig alle halb garen Ideen, alle schiefen Entwürfe und verworfenen Headlines“, schreibt der Schreibblockaden-Profi.

Recht hat er. Alles muss auf den Prüfstand, alles Entworfene darf auch verworfen werden – und manchmal entpuppt sich eine frühe Idee im späten Arbeitsprozess als roter Faden in dem verwobenen und verworrenen Netz aus Inhalten, Botschaften, Informationen und Argumenten. Darum: Ja, der Papierkorb in der Nähe (digital oder analog ist egal) darf da sein. Noch mal nachzusehen, was man da alles entsorgt hat, kann aber im Einzelfall auch nicht schaden.

Entscheidend ist dabei, dass der für uns äußerlich scheinbar unproduktive Prozess im Innersten kreative Höhenflüge verursacht. Das Unterbewusstsein arbeitet auf Hochtouren. Nur bekommen wir davon dummerweise nichts mit.

Mit Mut zur Langeweile lösen sich auch Schreibblockaden

Doch irgendwann geht dem Autor schließlich ein Licht auf – „Illumination“ nennt Daniel Fitzke den Zustand. Ob bedingt durch die nahende Deadline, oder weil sich die grauen Zellen auf eine produktive Mitarbeit entschlossen haben: Was Tage, Wochen oder Monate lang nicht gelingen wollte, tagsüber Nerven und nachts Schlaf gekostet hat, fließt wie von selbst ohne Unterbrechung auf das Papier und bedeckt den Bildschirm. Plötzlich geht es. „Mit etwas Selbstbewusstsein und Mut zur Langeweile lösen sich Schreibblockaden von ganz allein auf“, fasst Fitzke dieser Erkenntnis zusammen.

Also Langeweile und das Gefühl unproduktiven Rumhängens zulassen, um sich am Ende über die Ergüsse des Unterbewussten zu freuen? Das wird für mich eine Umstellung. Aber zu lesen, dass es völlig normal ist, wenn ein Text erst nach Tagen und Wochen des inneren Durchmischens den Weg vom Denken in die Datei findet, das beruhigt. Mal sehen, ob diese Ruhe bis zum nächsten Kolumnen-Beitrag anhält.

Mehr zu Daniel Fitzkes Überlegungen und wie Sie Schreibblockaden überwinden, lesen Sie hier.

 

Weitere Artikel