Facebooks Krise färbt ab

Datenschutz im Social Web

Umgeben von zwei Metern Neuschnee und der versammelten Weltelite stellte Marc Benioff das Selbstverständnis der Wirtschaft in Frage. In einer vernetzten Welt, sagte der CEO von Salesforce auf dem Weltwirtschaftsforum Ende Januar in Davos, könnten Unternehmen nicht mehr auf Wachstum abzielen, sondern auf Vertrauen. Das klingt schillernd, ist aber dringend nötig. Denn die Tech-Konzerne haben ein Vertrauensproblem.

Als „Frightful Five“ („Die fürchterlichen Fünf“) bezeichnet die New York Times die Marktführer Apple, Google, Facebook, Microsoft und Amazon. Politiker diskutieren deren „Datenmacht“ und Maßnahmen, sie zu zerschlagen. Nutzer halten die Treue. Allerdings: Richtig wohl fühlen sie sich nicht.

Der Beziehungsstatus ist kompliziert. Knapp fünf Milliarden Suchanfragen pro Tag und ein Marktanteil von über 90 Prozent machen Google zur erfolgreichsten Suchmaschine der Welt. Nutzer vertrauen der Qualität − doch gleichzeitig gibt in Deutschland nur jeder Vierte an, Google im Umgang mit Daten zu trauen.

Laut einem Report des Fraunhofer-Instituts wollen generell 89 Prozent der Bürger, dass ihre Privatsphäre geschützt wird. 76 Prozent stört es, private Dinge preiszugeben, um Dienste zu nutzen. Trotzdem tun sie es. Die Wissenschaft nennt das „Privacy Paradoxon“. Das Phänomen ist seit Jahren bekannt. Doch die Sensibilität für Datenschutz steigt, gerade in Deutschland. Anbieter investieren daher in Kommunikation, um Datenschutz zu erklären und Vertrauen zurückzugewinnen.

Die wertvollsten Marken der Welt

1. Apple (170 Mrd.)

2. Google (101,8 Mrd.)

3. Microsoft (87 Mrd.)

4. Facebook (73,5 Mrd.)

5. Coca-Cola (56,4 Mrd.)

6. Amazon (54,1 Mrd.)

Quelle: Forbes-Magazin 2017, Markenwert in US-Dollar

 

Skandal um Cambridge Analytica sensibilisiert

Facebook hat Anfang des Jahres mit Blick auf die Datenschutzgrundverordnung, die Ende Mai in Kraft tritt, eine Aufklärungskampagne gestartet. Es handelt sich um Videos und Informationen, wie Facebook Daten verwendet, Nutzer Daten verwalten können, welche Datenschutzgrundsätze das Unternehmen verfolgt und wie es plant, die Privatsphäre-Einstellungen leichter auffindbar zu machen.

Das war vor Bekanntwerden des Skandals, dass Cambridge Analytica millionenfach Nutzerprofile angezapft und Daten zu Wahlkampfzwecken missbraucht hat. Das Vertrauen in das soziale Netzwerk ist erschüttert. Und es gibt eine neue Kampagne im Netz: gegen Facebook. Der Hashtag lautet „DeleteFacebook“.

Die Cambridge-Analytica-Affäre sensibilisiert. Eine Aufklärung der vermeintlich souveränen Verbraucher tut bitter not. Viele wissen nicht, wie sie ihre Profile schützen. In den USA wurde jüngst eine Fitness-App zum Problem für das Pentagon, weil US-Soldaten ihre Laufrouten in eine öffentliche Karte übertrugen – und damit verrieten, wo ihre Stützpunkte im Irak oder Syrien sind.

Der App-Anbieter sagt, die Nutzer hätten die Funktion deaktivieren können. Allein: Nutzungsbedingungen liest kaum jemand. So verschenkten vor einigen Jahren 88 Prozent der Nutzer buchstäblich ihre Seele an einen Onlinespieleanbieter, als sie ungesehen dessen AGB akzeptierten. Dort hatte das Unternehmen genau diesen Passus als Aprilscherz eingefügt.

Privacy könnte zu einem Wettbewerbsvorteil werden

„Wir wollen Individuen in die Situation bringen, selbst Kontrolle zu übernehmen“, sagt Cathleen Berger von Mozilla. Die Non-Profit-Organisation bietet mit Firefox einen Open-Source-basierten Browser, informiert über Datenschutz, wirbt für „Data Detox“ oder realisiert Übungskurse zur digitalen Selbstverteidigung. „Es bringt nichts, wenn sich eine Elite schreiend vor die Tür stellt. Wenn man etwas verändern will, muss man dafür sorgen, dass sich die Allgemeinheit bewegt“, sagt Berger.

Mozilla will das Netz zu einem Raum machen, der die Privatsphäre respektiert. „Als Anbieter auf Privacy zu setzen, kann ein Wettbewerbsvorteil sein“, sagt Berger. Die größte amerikanische Bürgerrechtsorganisation ACLU sieht das ähnlich und gibt einen Leitfaden mit dem Titel „Privacy and Free Speech – It’s Good for Business“ heraus.

Für den verschlüsselten Messenger-Dienst Threema verdoppelten sich die Nutzerzahlen, als bekannt wurde, dass Facebook Whatsapp übernimmt. „Den Menschen wird bewusst, was es bedeutet, die Privatsphäre aufzugeben, und welche Gefahren es darstellt, wenn einzelne Großunternehmen diese Daten in unvorstellbaren Mengen horten und auswerten“, sagt Jörg Bauer, Sprecher der „diskretesten Suchmaschine der Welt“, Startpage.

Google und Facebook mühen sich um Transparenz

Die digitale Welt ist in der Hand großer US-Konzerne. Es sei eine „Informationsasymmetrie“ entstanden, konstatierte Uber-Chef Dara Khosrowshahi auf dem Weltwirtschaftsforum. Die Tech-Konzerne werden größer und sammeln Informationen über Nutzer, während die Nutzer nicht wissen, was mit den Informationen passiert.

Die „Frightful Five“ versuchen, transparenter zu werden, und betonen die Chancen der Digitalisierung. Google und Facebook unterstützen diverse Thinktanks zum Thema, zum Beispiel die „CODE University of Applied Sciences“ oder das „Alexander von Humboldt Institut für Internet und Gesellschaft“ in Berlin. „Das Misstrauen gegen einzelne Anbieter ist eng mit dem Misstrauen gegen die Digitalisierung allgemein verbunden“, sagt ein Facebook-Sprecher. Einfach nur für das Unternehmen zu kommunizieren, genügt nicht.

Für amerikanische Unternehmen ist das ein Kulturwandel. Apples Informationspolitik etwa war stets auf Produkte fokussiert. Das Unternehmen hat sich zu Wort gemeldet, wenn es Neues zu präsentieren gab. Das war’s. Seit der Debatte über Datenschutz kommuniziert Apple breiter – und versucht sich abzusetzen von den „Frightful Five“.

Auch Apple ringt um Vertrauen

„Wenn es nur Apple gäbe, würden wir die Diskussion über Datenschutz vielleicht gar nicht führen“, behauptet ein Sprecher. Mit seinen Produkten und dem App-Store ist das Unternehmen Teil der Debatte. Es habe aber kein Interesse daran, mit Daten Geld zu verdienen. 2014 hat es das Versprechen gegeben: „Deine persönlichen Daten gehören dir. Und niemand anderem.“

Der Kampf um Vertrauen ist überlebensnotwendig für Apple. Das Unternehmen entwickelt Produkte, die Persönlichstes registrieren und speichern. Der Konzern nutzt Schlagzeilen, um zu betonen, dass die Daten auf seinen Geräten so sicher seien wie in einem Tresor.

Als das FBI das I-Phone eines toten Attentäters knacken wollte, scheiterte es und bat Apple um Hilfe. Der Konzern lehnte ab und forcierte die Mediendebatte mit einem offenen Brief: Man werde niemals eine Hintertür einbauen, die das I-Phone schwächt, hieß es.

So informieren Audi, BMW, Opel und Mercedes

Die Außendarstellung eines Unternehmens hängt nicht nur davon ab, was es sagt, sondern auch, was es tut. Wenn Konzerne Daten missbrauchen, hilft die schönste Aufklärungskampagne nichts. Beispielsweise sammeln auch Autos Daten. Dass die Hersteller dabei über die Stränge schlagen, hat 2016 der ADAC gezeigt. In einem Test wies er nach, wie Fahrzeuge in großer Menge Informationen sammeln, von denen die Verbraucher nichts wissen.

Auf den Webseiten von Audi, VW, Opel und BMW sucht man Informationen zum Datenschutz jedoch vergeblich. Lieber gar nicht zum Thema positionieren? Immerhin Daimler hat die Datenschutzrichtlinie prominent verlinkt – auf 18 Seiten, in Juristensprache. Selbst General Motors ist mit einem klaren Privacy ­Statement weiter.

Vertrauen statt Wachstum als zentraler Wert? Es ist noch ein weiter Weg, bis sich das in die Unternehmens-DNA übertragen hat.

Hinweis der Redaktion: Dies ist die aktualisierte Fassung eines Textes, der zuerst in der gedruckten Februar-Ausgabe des Magazins pressesprecher (1/2018) erschien.

 

Dieser Beitrag erschien zuerst in der gedruckten Ausgabe DATEN. Das Heft können Sie hier bestellen.

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