„Es gibt Wichtigeres als die Arbeit“

Sabbatical in der PR

Ausbrechen, innehalten, aufbrechen: Irgendwann kommt für viele im Job der Zeitpunkt, an dem sie sich wünschen, die Routine hinter sich zu lassen und mithilfe eines Sabbaticals eine Weile im eigenen Takt zu leben. Manche erwischt der Moment bereits früh, andere nach einem Aufstieg oder auf dem Höhepunkt ihrer Karriere. Ebenso unterscheiden sich die Sehnsüchte, wie dieser Zeitraum zu füllen ist. Soll die persönliche Weiterbildung im Fokus stehen? Möchte man mehr Zeit mit der Familie verbringen? Sich sortieren und beruflich neu aufstellen? Oder träumt man von der Weltreise inklusive Entspannung unter Palmen? 

Achim Schneider (47): Neuorientierung zur Lebensmitte

→ Sabbatical von Juli 2015 bis Juni 2017
→ Vorher: Leiter der Unternehmenskommunikation bei Porsche
→ Heute: Geschäftsführer und Partner bei R3DT

Das Thema „Auszeit“ schwelte schon eine ganze Weile in mir. Dann ergab sich eine günstige Gelegenheit, das tolle Kapitel meiner ersten zwanzig Berufsjahre krönend abzuschließen. Bei Porsche war ich knapp drei Jahre und hatte am Ende alles erreicht, was man sich im Kommunikationsumfeld vornehmen kann. Davor bin ich Pressechef bei Bosch gewesen. Hier und in zwei anderen Konzernen war ich in unterschiedlichsten Kommunikationsdisziplinen und -situationen sowie Märkten unterwegs – diese waren für mich fachlich ausgereizt.

Schon vor meinem BWL-Studium habe ich als freier Journalist gearbeitet und war Öffentlichkeitsarbeiter für die Bundeswehr. Mit dem Diplom in der Tasche habe ich dann mein Hobby zum Beruf gemacht – und an diesem hatte ich immer viel Spaß. Irgendwann kippte das jedoch, ich habe gemerkt, dass das nicht mehr so richtig meins ist, in einem Konzern mit seinen Changes und Zwängen zu arbeiten. Aufkommende Zweifel, ob ich das für die zweite Hälfte meiner Berufszeit so weitermachen möchte, habe ich ernst genommen.

Für die Entscheidung, welchen Weg ich einschlagen möchte, wollte ich mir Zeit nehmen – und mehr Zeit wollte ich auch mit meiner Familie verbringen. Als ich bei Porsche aufhörte, waren meine Kinder neun und zwölf Jahre alt. Ich hatte vorher einfach zu wenig von ihnen mitbekommen, da ich so viel unterwegs war, auch als Wochenendpendler. Dass ich mir offenhalten konnte, wie lange ich ohne Job sein werde, war natürlich eine komfortable Situation. Vorgenommen hatte ich mir nur, mindestens sechs Monate Auszeit zu nehmen.

Das erste halbe Jahr habe ich damit verbracht, den Familienalltag zu genießen und Verwandte und Freunde im In- und Ausland zu besuchen. Außerdem trieb ich viel Sport, erledigte einiges im Haushalt – Dinge, die vorher immer liegen geblieben waren – und restaurierte meinen alten 911er. Ich habe die Seele baumeln lassen, bin aber aktiv geblieben. Einfach in den Tag hinein leben – das liegt mir nicht.

Am Ende dieser Phase startete ich langsam in die Jobsuche. Und dabei war ich sehr wählerisch. Statt einfach etwas Neues zu finden, das scheinbar passt, habe ich mir intensiv Gedanken gemacht, wie ich die nächsten zwanzig Jahre leben und arbeiten will. Das ist für mich auch ein genialer Aspekt am Beruf des Kommunikators mit BWL-Background: Man ist sehr breit aufgestellt, bekommt viel mit aus Unternehmen und Gesellschaft.

Natürlich habe ich mir, auch nach Anrufen von Headhuntern, die eine oder andere Stelle angeschaut. Aber da war nichts dabei, was ich mir auf lange Sicht vorstellen konnte. Mein Anspruch war, mir für die Suche so lange Zeit zu nehmen, bis ich eine Aufgabe finde, für die ich wirklich brenne.

“Am Ende hat meine Auszeit zwei Jahre gedauert”

Außerdem standen Weiterbildungen und Tagungen auf dem Programm, insbesondere zur digitalen Disruption und zu Start-up-Themen, die mich immer fasziniert haben. Zehn Jahre zuvor bin ich schon einmal in ein Start-up eingestiegen, bin nach dessen Scheitern aber wieder in der Industrie gelandet. Doch die Wunschvorstellung blieb, und so habe ich mich nach passenden Geschäftsmodellen umgeschaut und eigene Ideen abgeklopft. Über das Karlsruher IT-Netzwerk Cyberforum bin ich dann in Kontakt mit verschiedenen Gründern gekommen. Einer davon ist heute mein Geschäftspartner.

Noch am Abend des Kennenlernens Ende vergangenen Jahres, an dem er mir seine Geschäftsidee erklärt hat, war mir klar: Das ist es! Es geht um den Einsatz von Virtual-Reality-Techniken in industriellen Produktionsprozessen und der Produktentwicklung. Es bestehen also Berührungspunkte zu meinen bisherigen Tätigkeiten auch im Bereich der Kundenkommunikation und als Führungskraft, meine betriebswissenschaftlichen Kenntnisse sind hier ebenso gefragt. Seit Juli bin ich nun Geschäftsführer und Investor der Rüdenauer 3D Technology.

Wieder in den Arbeitsalltag hineinzukommen, hat mir trotz der langen Phase ohne Job keine Schwierigkeiten bereitet. Das Pendeln fällt weg, zum Mittagessen kann ich nach Hause gehen und als mein eigener Chef bin ich viel flexibler, kann beispielsweise auch mal unter der Woche den Schulausflug meines Sohnes begleiten.

Am Ende hat meine Auszeit zwei Jahre gedauert. Es tat gut, justieren zu können, was mir wirklich wichtig ist. Natürlich ist Arbeit und die Zufriedenheit damit wichtig, aber es gibt noch Bedeutenderes. Das Denken „Alle geben alles für die Firma“ ist überholt, die Leute machen sich dabei kaputt. Zu oft geht das Private mit zunehmendem Berufserfolg den Bach herunter. Ehen scheitern, Familien kommen zu kurz. Das kann es nicht sein.

Leider wird gerade im Falle von männlichen Führungskräften der Wunsch nach einem Sabbatical oft nicht akzeptiert. Der Hintergrund ist durchaus verständlich, denn die Organisation ist oft kompliziert. Aber mit einer guten Personalstrategie kann auch das klappen – genauso wie bei Mutterschutz und längerer Elternzeit. Ich bin davon überzeugt, dass die Unternehmen selbst davon profitieren. Meine Empfehlung wäre aber, eine längere Auszeit zwischen zwei Berufsabschnitten zu planen.

Protokolliert von Anne Hünninghaus

 

Lesen Sie in Teil eins dieser Miniserie, wie Ines Thomas, Director Corporate Communications und Pressesprecherin des Verlags Condé Nast, ein Academical Sabbatical einlegte.

 

Dieser Beitrag erschien zuerst in der gedruckten Ausgabe TEMPO. Das Heft können Sie hier bestellen.

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