Eine Frage der Cooltur: Auf der Suche nach der Lässigkeit für Marken

Ob cooler Typ, coole Sonnenbrille oder cooler Film – seit Beginn der 90er Jahre wird das Adjektiv „cool“ wie eine Art Universalstempel bestimmten Personen, Gegenständen oder Situationen zugeschrieben. Geradezu inflationär wird alles, was irgendwie hip, im Trend oder in ist – oder vielmehr sein soll – als cool bezeichnet. Laut Trendforscher Matthias Horx ist es sogar das meistbenutze Wort der 90er Jahre und bis heute in aller Munde.

Aber: Was genau ist eigentlich Coolness? Möchte man das an Konkretem festmachen, sich das Konzept zunutze machen und eins zu eins auf das eigene Produkt, das eigene Unternehmen übertragen, dann wird man rasch feststellen: Ganz so einfach ist das nicht. Denn Coolness verhält sich beinahe wie eine Art blinder Fleck: Selbst unter der scharfen Lupe des neugierig Forschenden gibt sie ihr Geheimnis nur ungern preis. Das Tragen einer Sonnenbrille kann helfen, sicher, aber wirklich cool ist man auch dann noch lange nicht. Im schlimmsten Fall wirkt es gewollt und man hat das genaue Gegenteil erreicht. Eine eher uncoole Erkenntnis.

Wie finden?

Man muss sich also schon etwas mehr Mühe geben, möchte man die geheime Tür zur Coolness entdecken. Die gute Nachricht: Die Suche lohnt sich. Wer einmal zu den Auserwählten gehört, zu denjenigen also, die die Sprache der Coolness erfasst haben, der hat einen wertvollen Schlüssel in der Hand. Denn hat man es in den illustren Kreis geschafft, versteht man es, das Konzept der Coolness auf sein Produkt anzuwenden, dann darf man sich enormer Beliebtheit erfreuen. Apple zum Beispiel macht es vor. Was wohl kaum einen überraschen dürfte, ist laut einer Studie der Cyriax Strategie- und Markenberatung nun Tatsache: Apple steht ganz oben auf dem Coolness-Siegertreppchen. Die direkte Konsequenz: Das Unternehmen ist aktuell mit einem Börsenwert von 560,3 Milliarden Dollar (410,4 Milliarden Euro) das wertvollste der Welt. Coolness sells.

 

Die Königin und der Killer

Amused? Die Queen (c) Getty Images/Chris Jackson

Amused? Die Queen (c) Getty Images/Chris Jackson

Wirkliches Verständnis für das Coole in Reinform gewinnt man erst dann, wenn man sich bewusst macht, dass Coolness eine stark psychologische Komponente aufweist. Es ist eine Haltung, die es gekonnt auszustrahlen gilt. Eine Attitüde, die es sogar rechtfertigt, die Queen und einen Auftragskiller unter eben diesem Begriff zu vereinen – wie es die „Welt“ einmal in einem Artikel tat. Was auf den ersten Blick noch absurd wirken mag, ist näher betrachtet alles andere als abwegig. Sowohl die Queen, als auch die (archetypischen) Auftragskiller zeichnen sich in ihrem Auftreten durch kühle Beherrschtheit aus. Das Nicht-zur-Schau-stellen von Gefühlen stellt eine Verbindung zwischen diesem sonst sehr ungleichen Paar her. Man könnte einwenden, dass es sich hierbei um pure Klischees handelt, um unechte Konstrukte. Und diesem Einwand muss auch ohne weiteres stattgegeben werden. Aber eben das ist Coolness in ihrer eigentlichen Bedeutung: ein künstlicher Panzer, ein selbst konstruierter Schutzmechanismus, der es dem Gegenüber schwer machen soll, das wahre Innenleben, die wirkliche Gefühlslage zu entschlüsseln. Das Ziel: Unverwundbarkeit und Stärke durch lässig inszenierte Gleichgültigkeit.

Als Ikone der Coolness gilt James Dean. Zwischen den Fingern oder im Mundwinkel stets eine Zigarette, ein Gesichtsausdruck der zwischen Melancholie und Gelangweiltsein changiert – das ist das Image, das der Schauspieler gepflegt und zelebriert hat. Dean wurde berühmt für seine Antihaltung, für seine Rebellion gegen das Establishment. Eben dieses Auftreten, diese Selbst-Stilisierung, alles andere als brav und angepasst, ist das Coole an ihm.

Inbegriff der Coolness. James Dean (c) picture alliance / Keystone

Inbegriff der Coolness. James Dean (c) picture alliance / Keystone

Und genau das hat – wieder einmal – Apple goldrichtig erkannt: Wer cool sein will, der muss auch immer einen Touch lässige Provokation transportieren, der darf sich nicht im Glanz seiner Milliarden suhlen. Gerade wenn man ganz oben angekommen ist, fällt es aber schwer, glaubwürdig noch etwas Rebellisch-Cooles an den Tag zu legen. Die Lösung: Man tut sich mit jemandem zusammen, der es besser kann. Mit jemandem, der in der Lage ist, das eigene Image wieder Richtung Coolness zu justieren. Mit dem Kauf des Kopfhörerherstellers Beats ist Apple genau dieser Geniestreich geglückt. Das amerikanische Lern-Portal Chegg hat direkt nach der Übernahme über 10.000 Studenten zum aktuellen Coolness-Faktor des Unterhaltungselektronik-Giganten befragt. Das Ergebnis spricht Bände. Die Mehrheit der Studienteilnehmer empfindet Apple nun als noch cooler. Denn der Kopfhörerhersteller wird assoziiert mit einem hippen Startup-Unternehmen, mit gelebter Musik. Beats wird als Underdog wahrgenommen und das ist immer cooler als Mainstream. Apple hat sich mit dem Kauf also etwas von der Geheimzutat Coolness einverleibt. Cool, cooler, Apple.

Authentisches Testimonial gesucht

Nicht zu unterschätzen ist dabei die Authentizität der jeweiligen Marken-Kampagne. Nur wer glaubwürdig cool ist, wird vom Kunden auch so wahrgenommen. Das im Falle Apple-Beats der bekannte Musikproduzent und Rapper Dr. Dre Gründer des Kopfhörerherstellers ist und außerdem noch einen angesagten Streaming-Dienst namens Beats Music betreibt, sorgt für eine authentische Wahrnehmung auf Seiten des Kunden. Fast nebenbei hat man es damit auch geschafft, dem Abnehmer eine ganze Erlebnis-Welt zu offerieren. Und das so etwas den Kunden an ein Produkt bindet, ist längst kein Geheimnis mehr. Man muss über das bloße Produkt hinaus immer auch etwas Erlebbares, Fühlbares kreieren und nicht zuletzt für Identifikation sorgen.

Besonders simpel funktioniert das mit Marken-Botschaftern. Man nimmt eine prominente Person mit coolem Image, sucht Gemeinsamkeiten, baut darum herum eine kleine Story und voilà, hat man sich den Richtigen geschnappt, ist das coole Produkt auch schon aus der Wiege gehoben. Ein gutes Beispiel aus der Praxis ist hier Nespresso. Nestlés Kaffeekapsel-Tochter gelang es mit dem charismatischen Schauspieler George Clooney, einfachen Kaffeekapseln einen Hauch cooler Eleganz zu verleihen. Spätestens seit dem Kinoerfolg „Ocean`s Eleven“ aus dem Jahr 2001 gilt Clooney als einer der Hauptakteure auf der schillernden Bühne der Coolness. Und die färbt praktischerweise selbst auf schnöde Aluminium-Kaffeekapseln ab.

Werbestar George Clooney (c) picture-alliance/ dpa

Werbestar George Clooney (c) picture-alliance/ dpa

Auf die Perspektive kommt es an

So uncool sich das auch anhören mag: An einer gründlichen Zielgruppen-Analyse führt auch hier kein Weg vorbei. Man versetze sich nur kurz in folgendes Szenario: Ein 13-jähriger Junge bleibt während eines Einkaufsbummels hingerissen vor einer X-Box-Konsole stehen und fleht seine Mutter an, sie möge sich erbarmen und ihm zu nie enden wollender Coolness in der Klasse verhelfen, indem sie das gute Stück zur Kasse bringt. Die 40-jährige Mutter hingegen ist paralysiert vom neuesten RayBan-Modell im Schaufenster gegenüber und sieht sich damit bereits Cocktail-schlürfend auf einer Dachterrasse sitzen. Der 65-jährige Großvater im Schlepptau träumt wiederum von einem Porsche. In allen drei Fällen spielt der Coolness-Faktor eine entscheidende Rolle, denn er macht das Produkt erst begehrenswert. Die Markenentwicklung und die Werbestrategie aber müssen eine völlig unterschiedliche Sprache sprechen, die Kommunikations-Kanäle müssen wohlüberlegt gewählt werden, um Sohn, Mutter und Großvater auch erreichen zu können.

Am Anfang steht die Analyse

Klar ist also, dass Coolness immer abhängig von der individuellen Perspektive ist, sie liegt in gewisser Hinsicht im Auge des Betrachters selbst. Nur wenn der Kunde die als cool codierte Werbebotschaft auch decodieren kann, kommt die Brand-Message an und das Konzept geht auf. Eigentlich das Einmaleins eines jeden Kommunikations-Profis.

Damit das funktioniert, muss man aber viel Fingerspitzengefühl beweisen. Man sollte seinen Kunden so gut wie möglich kennenlernen. Außerdem ist Coolness ein sehr flüchtiges Phänomen und befindet sich ständig im Wandel. Deswegen müssen sogenannte Coolhunters – spezielle Trend-Scouts, die nichts anderes tun, als der sprunghaften Coolness auf den Fersen zu bleiben – immer wieder sorgfältig eruieren, wie der aktuelle Code aussehen könnte, der den jeweiligen Adressaten zum Kauf animieren kann.

Heikles Timing in der Mode

Das anschaulichste Beispiel für die Schnelllebigkeit von Trends ist wohl die Mode-Industrie. Was gestern noch cool war, ist heute schon out und peinlich. Pech, wenn das gesamte Mode-Label ein angestaubtes Image wie einen alten Kittel mit sich herumträgt. Taschen der Münchner Luxusmarke MCM galten in den späten Siebzigern beispielsweise als das absolute Must-Have der gesamten Schickeria. Nach konstanten Umsatzverlusten geriet die Kofferfirma um die Jahrtausendwende dann aber endgültig in ein modisches und damit auch finanzielles Abseits. Man hatte aus den Augen verloren, wie man die Produkte aktuell und cool vermarkten kann. Der Modeschöpfer Michael Michalsky, bekannt für seine Retro-Linie bei Adidas und inzwischen erfolgreich mit seinem eigenen Label Michalsky, wurde von MCM deshalb eigens dafür beauftragt, der Produktpalette wieder einen cooleren Anstrich zu verpassen. Das Resultat: MCM konnte sich wieder erholen. Mit neuem Design, einer neuen Farben- und Formsprache gelang Michalsky der Spagat zwischen Traditionsbewusstsein und Verjüngung des Modelabels.

Cool: Das Psycho-Phänomen

Im ursprünglichen Sinne ist Coolness allerdings viel mehr als pure Optik. Es ist ein komplexes psychologisches Phänomen mit einem stark kulturell, nicht zuletzt auch subkulturell geprägtem Unterbau. Neben James Dean oder George Clooney hat auch Elvis Presley seinen Teil zum Image der Coolness beigetragen. Nicht nur sein musikalisches Können, sondern vor allem sein cooles Image ist bis heute entscheidend für dessen starke Medienpräsenz und seinen Weltruhm.

Sein bis dato ungewöhnlicher Look und seine rhythmischen Körperbewegungen während seiner Auftritte waren derart neu und provokant für den Großteil der eher konservativ eingestellten Bevölkerung Amerikas, dass sie regelrechte Proteste nach sich zogen. Coolness fing hier also an, „ sich als zentrale ästhetische Einstellung der Gegenkultur zu etablieren, die eine gewisse Verpflichtung auf ein Dagegen mit dem Sinn fürs Spielerische und dem Genuss verband“ so bringt es der Autor Tom Holert auf den Punkt. Natürlich hat sich auch das gewandelt, provokant sind heute andere und das bloße Schockieren allein entlockt heute niemandem mehr ein bewunderndes „Cool!“.

Aber egal ob früher Elvis Presley oder heute etwa ein Ryan Gosling: Ihnen allen gemein ist, dass sie aus der Reihe tanzen. Sie alle sind unangepasst und leben Coolness. Was genau am Ende cool ist, kann trotzdem nur mit einem unbestimmten Je-ne-sais-quoi beantwortet werden. Was cool dagegen nicht ist, ist leicht: Gewollte Lässigkeit und aalglatter Mainstream.

Cool in sieben Schritten: Ein Leitfaden

So cool wie James Dean oder auch George Clooney wollen viele sein. Das hat die Werbebranche seit Jahrzehnten für sich erkannt und das Konzept oft so weit ausgehöhlt und aufgeweicht, dass am Ende bestenfalls eine coole Optik präsentiert werden kann. Dabei kann man, richtig eingesetzt, viel mehr herausholen. Ein Patentrezept gibt es nicht. Dafür aber sieben Tipps, wie auch Ihr Unternehmen cooler werden kann:

Stärken erkennen

Lernen Sie sich selbst noch ein wenig besser kennen und überlegen Sie, was Sie Cooles zu bieten haben. Nach eingehender Betrachtung findet sich mit Sicherheit etwas, auf das Sie aufbauen können.

Authentisch bleiben und trotzdem inszenieren

Nichts wirkt uncooler als eine bemühte Kampagne, die im Grunde nichts mit Ihnen zu tun hat. Glaubwürdigkeit sollte die oberste Maxime sein, wenn Sie Erfolg haben möchten. Aber ganz ohne In-Szene-setzen funktioniert es auch nicht. Versuchen Sie also beides miteinander in Einklang zu bringen.

Zielgruppen analysieren

Lernen Sie ihre Zielgruppe besser kennen: Was findet sie cool? Und wie kann man eine Verbindung zu Ihnen herstellen, welche Berührungspunkte gibt es?

Mut beweisen

Überraschen Sie durch neue Ideen. Cool ist nur, wer sich etwas traut. Also denken Sie ruhig einmal um die Ecke und gehen Sie auch mal ein Risiko ein.

Unterstützung holen

Egal ob Partner-Unternehmen, Marken-Botschafter oder Coolhunter aus einer externen Agentur: Manchmal muss jemand von außen kommen, um das eigene Potenzial zu erkennen. Holen Sie sich ruhig etwas Hilfe.

Aufmerksam bleiben

Nur wer ständig aufs Neue analysiert, was aktuell als cool empfunden werden könnte, wird langfristig Erfolg haben. Denn Coolness befindet sich ständig im Wandel.

Keep cool

Auch wenn Sie angestrengt auf der Suche nach dem heiligen Gral der Coolness für Ihr Produkt, ihre Service-Leistung oder Ihr Unternehmen sind: Versuchen Sie, nicht allzu bemüht an die Sache heranzugehen. Das widerspricht dem Grundgedanken. Also fangen Sie doch erst einmal bei sich selbst mit einer kleinen Feldstudie an, beweisen Sie sich Ihre eigene Coolness. Sie könnten damit beginnen, dass Sie sich eine Zigarre anstecken und ein Glas Whisky auf den Tisch stellen. Zur Not ginge auch Martini. Egal ob gerührt oder geschüttelt. Das könnte helfen.

Dieser Beitrag erschien zuerst in der gedruckten Ausgabe PR und Sprache. Das Heft können Sie hier bestellen.

Weitere Artikel