Ein Hoch auf das gesprochene Wort

Kolumne

Das Medienmagazin journalist des Deutschen Journalisten-Verbands fragte Anfang des Jahres Redakteure nach ihrem „schlimmsten Erlebnis beim Autorisieren“. Die Bandbreite des Berichteten reichte von Fällen der „Eitelkeit“ bis zu „Es kam ein völlig neuer Text“. Probleme mit dem Autorisieren von Interviews oder der Freigabe von Zitaten hat es schon immer gegeben und wird es auch immer geben. Und wie so oft gibt es mehrere Gründe und damit auch mehrere Lösungsmöglichkeiten – in den Pressestellen wie auch in den Redaktionen.

Dass Autorisierung zur Umgehung journalistischer Freiheit und Korrektur zur Zensur missbraucht wird, dürfte dabei nur selten der Fall sein. Der Streit um die richtige Wiedergabe eines Zitates oder eines Interviews wird in den meisten Fällen der Ungenauigkeit geschuldet sein – der sprachlichen wie der journalistischen.

„So kann man das doch nicht schreiben“. Stimmt!

Konkreter Fall: Gespräch zwischen dem Geschäftsführer eines Unternehmens und der Wirtschaftsredakteurin einer lokalen Tageszeitung. Einige Tage nach dem Gespräch kommen die Zitate zur Freigabe. Erste Reaktion des Unternehmers: „So kann man das doch nicht schreiben.“ Stimmt: schreiben nicht. Aber man kann so sprechen.

Er störte sich an der Umgangssprache, die in seinem Zitat durchkam. Aber genau diese Umgangssprache gehört in ein Zitat. Ein Zitat ist die Wiedergabe eines wörtlich gesprochenen Satzes. Ein Zitat – ein Interview, eine Rede – ist immer unmittelbar mit dem Zitatgeber oder mit dem Redner verbunden. Mit einer bestimmten Person, die ihrerseits einen bestimmten eigenen Sprachstil aufweist. 

Im Idealfall ist jeder Bericht – wie auch eine gute Pressemitteilung – eine gelungene Mischung aus einem geschliffenen journalistischen Fließtext (Schreibe) und einigen wenigen (!!) wörtlichen Zitaten (Rede). Sie machen den Text abwechslungsreich, bringen subjektive Meinungen und Bewertungen in die objektive Tatsachendarstellung und lockern den Text auf.

Technokratische Nominalstilgebirge in Schachtelsatzakrobatik

Ein Zitat muss auf die Leser so wirken, als spreche jemand persönlich mit ihnen. Viel zu viele Zitate, die wir in Pressemitteilungen, auf Websites, in Kundenmagazinen und Image-Broschüren lesen, sind geglättet, sind die bloße Wiedergabe von vorher abgestimmten wohlfeilen Marketing-Botschaften. Das gilt leider auch für viele Interviews, die in der internen wie externen Kommunikation zum Beispiel von Verbänden, Unternehmen oder Hochschulen publiziert werden. Interviews, bei denen ich denke: So spricht doch kein Mensch. Eine Aneinanderreihung technokratischer Nominalstilgebirge in unpersönlich-passiv-verfasster Schachtelsatzakrobatik.

Liebe Pressestellen, bitte lasst mehr Rede in die Schreibe, mehr persönlichen Stil in (angeblich) persönliche Botschaften. Dann klappt es auch mit der Authentizität. Das ideale Zitat ist gleichermaßen richtig in der Sache und persönlich im Stil.

Apropos richtig in der Sache: Für die Abstimmung von Zitaten und die Autorisierung von Interviews ist es wichtig, dass nicht nur Pressestellen sorgfältig arbeiten, sondern auch Redakteure. Manche Kolleginnen und Kollegen schreiben viel mit und zeichnen zusätzlich das gesprochene Wort auf. Andere verlassen sich ganz auf ihre schriftlichen Notizen. Das kann man so machen. Ich habe es aber auch schon erlebt, dass die Zitate, die zur Abstimmung vorgelegt wurden, wenig mit dem zuvor geführten Gespräch zu tun hatten. Da ging offenbar die Genauigkeit zugunsten der Schnelligkeit verloren. Das ist dann ärgerlich und wäre zu vermeiden gewesen.

Gleichwohl: Was Redakteure bei der Umfrage im journalist schildern, darf natürlich nicht passieren. Autorisieren heißt: ich stehe zu meinen Antworten. Nicht: Ich ändere die Fragen.

 

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