Ein bisschen Spaß muss sein

Über Humor in der PR

Die Kraft des Humors

Mein Name ist Felicitas Ernst. Wenn ich mich am Telefon zum besseren Verständnis ein zweites Mal vorstelle, sage ich nun schon seit einigen Jahren: „Ernst wie Spaß.“ In den meisten Fällen sorgt dieser Satz für Gelächter am anderen Ende der Leitung und die Gesprächsatmosphäre ist aufgelockert. Eine „Wirkungsanalyse auf Rezipientenebene“ habe ich natürlich in all den Jahren nie vorgenommen. Dabei gilt der Hinweis, einen Vortrag, ein Gespräch et cetera mit einem dezenten Scherz einzuleiten und sein Gegenüber zum Schmunzeln zu bringen, schon fast als abgedroschen. Denn Humor hat einen „meist positiven Einfluss auf Einstellungen, Verhaltensabsichten und Verhalten“, so schreiben Martin Eisend und Alfred Kuß in ihrem Beitrag „Humor in der Kommunikation“. Beide sind Professoren am Marketing-Department des Fachbereichs Wirtschaftswissenschaft der Freien Universität Berlin. Humor steigert die Aufmerksamkeit, und diese wiederum „erhöht die Bereitschaft, sich mit einer Botschaft auseinanderzusetzen, die Botschaft zu verarbeiten und zu verstehen, was schließlich (…) zur Botschaftsakzeptanz und Einstellungsänderung führen kann.“
Vollends gelungen ist das 2013 der Lufthansa mit einer ungewöhnlichen Kampagne: Die Airline wollte in Schweden mehr Kunden gewinnen. Dafür startete die Fluggesellschaft ein Gewinnspiel. Der Preis: Ein Jahr in Berlin, Wohnung in Kreuzberg, Deutsch-Kurs, BVG-Ticket – alles kostenlos. Einzige Bedingung: Die schwedischen Bürger sollten sich in Klaus-Heidi umbenennen und mussten das auch belegen. Die Namen Klaus und Heidi gelten in dem Königreich als typisch deutsch. Am Ende gab es mehr als 40 Bewerber. Der 24-jährige Klaus-Heidi Andersson machte letztlich das Rennen. Die Aktion für Lufthansa war ein voller (humoriger) PR-Erfolg. Zugegebenermaßen ist in Schweden eine Umbenennung bei weitem kein so großer bürokratischer Akt wie in Deutschland.

Und Menschen kaufen doch von Clowns

Gefühlt versucht heute jeder irgendwie witzig um die Ecke zu kommen. Manchmal gelingt’s – wie bei Lufthansa – oder ist zumindest semi-komisch, manchmal geht’s schief und nervt (dazu später). Tatsächlich hat sich der kommerzielle Einsatz von Humor erst in den vergangenen Jahrzehnten etabliert. Noch bis vor 40 Jahren war die vorherrschende Meinung von Werbefachleuten in Bezug auf Humor von Skepsis ­geprägt. So soll der 1932 verstorbene ­Werbefachmann Claude Hopkins gesagt haben: „People don’t buy from clowns.“ Falsch gedacht.

Heute enthält etwa jeder fünfte Werbespot humorvolle Elemente. Für PR-Kampagnen gibt es eine solche Zahl leider nicht. Dennoch, durch eine Prise Humor, wohlgemerkt kein beißender, verletzender Witz, gewinnen viele PR-Kampagnen – wie die Beispiele zeigen. Dabei ist das Lachen selbst noch gar nicht lange Gegenstand der Forschung: Seit gut 20 Jahren beschäftigt sich die Gelotologie (vom Griechischen gelos = Lachen) mit dem Phänomen, das Menschen glucksen und kreischen lässt. Lachen, so legen zahlreiche Studien nahe, hat eine stressmindernde Wirkung, die Atmung wird angeregt, die Haut stärker durchblutet, Glückshormone werden freigesetzt.

Ob ein paar Minuten Lachen wirklich den gleichen Effekt hat wie 20 Minuten Jogging, naja, das möchte ich im ersten Moment bezweifeln oder besser noch, mich darüber lustig machen. Tatsächlich wird aber die „Atmung bei einem herzhaften Lachen so stark intensiviert, dass der Gasaustausch in der Lunge um das Drei- bis Vierfache gesteigert wird“, sagte Michael Titze einst in einem Vortrag. Er ist Diplompsychologe und Gründungsvorsitzende von Humor-Care, einem Verein, der nach eigenen Angaben die „wissenschaftlich fundierte Anwendung von Humor in klinischen, psychosozialen, pädagogischen und beratenden Berufen fördert“.

Wo gelacht wird, ist man gern zu Hause –  das gilt auch für ­ Unternehmen 

Humor schafft Nähe. Wenn Menschen gemeinsam über Dinge lachen, stärkt das den Teamgeist und festigt gemeinsame Werte. Letztlich „erleichtert Humor in einer Organisation die Zusammenarbeit und stiftet Solidarität“, schreiben Vazrik Bazil, Kommunikationsberater und Präsident des Verbands der Redenschreiber, und Manfred Piwinger, Unternehmensberater und Dozent an der Leipzig School of Media, in ihrem Beitrag „Witz und Humor in der Kommunikation“. Die Ernsthaftigkeit der Arbeit anzuzweifeln, nur weil gelacht wird, ist Blödsinn. Das bestätigt Eva Ullmann vom Deutschen Institut für Humor. Als Humortrainerin hat sie viel Kontakt mit Unternehmen und deren Humorkultur. „Arbeit darf Spaß machen. Da ändert sich gerade was in unserer Kultur“, sagt sie. Besonders jüngere Leute hätten keine Lust zwölf Stunden am Tag bierernst am Schreibtisch zu sitzen. Ein Unternehmen, das gar keinen Humor zulässt, habe sie allerdings auch noch nie erlebt – „und wenn es in der Raucherecke ist oder sich die Mitarbeiter witzige Mails schicken, gelacht wird immer irgendwo“, sagt Ullmann.

Gut so. Denn Humor ist ein Ventil, um Dampf abzulassen, wenn es nicht so läuft, und ein Indikator für Vertrautheit. John Morreall, Gründer der International Society for Humor Studies, nennt Humor ein „soziales Schmiermittel“. Und dort, wo Menschen auf Menschen treffen, kann ein bisschen Schmiere schließlich nicht schaden, oder? Das heißt, der souveräne, respektierte Vorgesetzte darf sich gern einen (angemessenen) Scherz gegenüber seinen Mitarbeitern erlauben, das kratzt keinesfalls an seiner Autorität. Im Gegenteil, es macht den Chef sympathisch. Das heißt nicht, dass sich die Führungskraft ständig selbst zum Clown machen muss, aber sie ist ein „Gradmesser für das Zulassen von Humor“, sagt Ullmann. Auch Regeln lassen sich (nicht nur im Unternehmen) spielerisch besser kommunizieren als durch ein „Darfst du nicht“ oder „Sollst du nicht“. Morreall führt dafür ein Beispiel an: In einer Autowerkstatt wird es nicht gern gesehen, wenn die Kunden bei der Reparatur anwesend sind. Dort hängt folgendes Schild:
Preise: Normal $35/ Wenn Sie zuschauen $50/ Wenn Sie mithelfen $75.

Mit humorvoller Kritik ­Konflikte lösen

Hierarchisch höher gestellten Menschen unliebsame Wahrheiten zu kommunizieren ohne anzuecken – diese Rolle übernahm im Mittelalter der Narr bei Hofe. „Die Wahrheit sucht das Gewand des Scherzes, um den Wissensträger vor dem Zorn der Mächtigen zu schützen – genauso wie früher das Narrengewand des Hofnarren“, schreiben Ulrike Reisach, Professorin für Unternehmenskommunikation, und die Psychologin Christine Erlach in ihrem Beitrag „Kritik mit Humor“. Auch ohne Narrenkappe ist dies eine charmante Variante, Kritik zu formulieren. Humorvoll verpackte Kritik birgt weit weniger Konfliktpotenzial als der direkt ausgesprochene Tadel. Im Idealfall gelingt es, dass der Betroffene sich weniger angegriffen fühlt und nicht in eine Verteidigungshaltung verfällt. Vielmehr betrachtet er das eigene Verhalten aus einer anderen Perspektive, lässt Kritik tatsächlich zu und muss sogar selbst über sich schmunzeln. Wie das gehen soll?

Mit Theater. Ali Wichmann und seine „Scharlatane“ machen es vor. Seit 30 Jahren prägen sie das Unternehmenstheater in Deutschland. Das rund 100-köpfige Team greift  Probleme aus dem Alltag eines bestimmten Unternehmens auf und übersetzt diese auf der Bühne in Sprache, Bilder, Emotionen und auch Provokationen. Wichmann wird von Unternehmen dann gerufen, „wenn herkömmliche Kommunikationsmittel versagen oder nicht mehr ausreichen“, sagt er. Es sind Marketingleute, Agenturen, Führungskräfte oder Kommunikatoren, die den Kontakt zu den Scharlatanen suchen. Der Auftraggeber schildert das Problem. Und im Anschluss recherchieren die Theatermacher, führen beispielsweise Interviews mit Mitarbeitern, um sich ein möglichst genaues Bild der Lage zu verschaffen.

Wichmann erzählt von einem Unternehmenssprecher, der vor nicht allzu langer Zeit auf ihn zugekommen sei – mit einem heiklen Anliegen: Seit neun Monaten gab es einen neuen, sehr autoritären Chef im Unternehmen, der bei seinen Mitarbeitern völlig unbeliebt war, was die Arbeit nicht gerade erleichterte. Er nahm Führungskräften Privilegien, überforderte seine Kollegen mit zu hohen Ansprüchen, lobte wenig. Sein Standardspruch: „Gut ist nicht gut genug.“ Wenn sich Frauen und Männer in einem Raum befanden, nahm er die weiblichen Mitarbeiter gar nicht wahr und grüßte mit einem schlichten „Meine Herren“. In diesem Stil konnte es nicht weitergehen. Der Auftraggeber erhoffte sich Hilfe von Wichmann. Was haben die „Scharlatane“ gemacht?

Mitarbeiter und Führungskraft wurden zu einer scheinbaren Orchesterprobe eingeladen. Der unbeliebte Chef sitzt in der ersten Reihe. Auf die Bühne tritt der Dirigent und begrüßt die Anwesenden mit dem Satz „Meine Herren, gut ist nicht gut genug“. Neben ihm steht allerdings eine Frau, die Sängerin. Brüllendes Gelächter beim Publikum, es ist sofort klar, wer hier gemeint war. In dem Stil ging das Theaterstück weiter. Der unbeliebte Chef bekam den Spiegel vorgehalten – und hat es ertragen. „In dem Moment, in dem Führungskräfte zulassen, dass über sie gelacht wird, sind sie souverän“, sagt Wichmann. Am nächsten Tag wurde in Workshops zum Thema Führung weitergearbeitet.

Die Situation im Unternehmen hat sich nachhaltig verbessert. Humor wirkte hier befreiend und macht es letztendlich möglich, (Unternehmens-)Realität neu zu gestalten. Besonders für die Bottom-up-Kommunikation kann Humor ein elegantes Mittel sein. Oder wie es Reisach und Erlach ausdrücken: „Ein Feedback nach oben zu geben, ist ähnlich anstrengend, wie eine große Kugel einen Berg hinaufzurollen; in die andere Richtung rollt die Feedbackkugel in den klassischen, hierarchisch aufgebauten Unternehmen ganz von selbst.“

Schluss mit lustig – Humor hat Grenzen, besonders in der PR

Der Komiker Heinz Erhardt sagte einmal: „Frauen sind die Juwelen der Schöpfung. Man muss sie mit Fassung tragen.“ Zugegebenermaßen, man kann darüber schmunzeln, wohlwissend aus welcher Zeit und aus wessen Munde dieser Spruch stammt. Letztendlich kann niemand einem anderen vorschreiben, worüber er lacht. Humor ist Geschmackssache. Man kann schwarzen oder sexistischen Humor witzig finden; die einen lachen bei dem Film „Das Leben des Brian“ Tränen, andere fühlen sich und ihre Religion dadurch beleidigt. In der Unternehmenskommunikation mit ihren vielfältigen Öffentlichkeiten sind die Humor-Grenzen vergleichsweise eng gesetzt.

Bestimmte Gruppen herabzusetzen ist unangebracht bis riskant. Das musste ein Busunternehmen in Wales schmerzlich erfahren. Es wollte lediglich auf einen neuen Ticketpreis hinweisen: Den ganzen Tag mit dem Bus durch Cardiff fahren für schlappe drei Pfund. Für die Kampagne hielten Männer und Frauen vor ihrem nackten Oberkörper ein Schild mit der Aufschrift „Ride me for one day for £3“. Damit waren die Busse beklebt. Das negative Echo ließ nicht lange auf sich warten. Das Unternehmen entschuldigte sich, innerhalb von 24 Stunden waren die sexistischen Plakate verschwunden. Uups. Als Reputationsgewinn kann diese Kampagne nicht gerade bezeichnet werden. Genauso wenig wie die Werbeaktion eines Berliner Bestattungsunternehmens vor einigen Jahren. Auf einem Plakat hinter einem U-Bahngleis war zu lesen: „Kommen Sie doch näher“. Nach anderthalb Wochen wurde diese Werbung entfernt. Auch Humor will eben ernsthaft überlegt sein.

Dieser Beitrag erschien zuerst in der gedruckten Ausgabe Humor. Treffen sich zwei…. Das Heft können Sie hier bestellen.

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