E-Mail für Dich <3

Newsletter

Mike Allen war der Erste, den die Führungsriege in Washington jeden Morgen zu Gesicht bekam. Und zwar in Form seines Newsletters. Lobbyisten, Journalisten, Präsidenten − alle lesen „Playbook“, schrieb die New York Times und machte Allen 2010 zum Titelhelden ihres Magazins. Mit Nachrichten, Hintergründen und Persönlichem hatte der Korrespondent von Politico eine Marke geschaffen. Und er hatte dafür gesorgt, dass E-Mail-Newsletter en vogue wurden.

Zugegeben: Twitter und Instagram sind cooler. Aber E-Mails sind effizient. Für 94 Prozent aller Führungskräfte weltweit sind Newsletter eine wichtige Nachrichtenquelle. Mit dem Format wollen Redaktionen Leser an sich binden, sie auf die Website ziehen und sich zum Absender von Debatten machen.

Fragt man nach den Zugriffszahlen, bekommt man nicht immer klare Angaben, hört aber etwas für Verlage Seltenes: „Wir sind mit der Anzahl der Neu­abonnenten zufrieden.“

Die Anzahl der Newsletter ist riesig. Die Unterschiede sind es auch. Die größte Konkurrenz gibt es am Morgen, wenn es darum geht, die Themen des Tages zu setzen. Neue Formate erobern Abend und Mittag, wie der jüngste Zuwachs von Welt-Chefredakteur Ulf Poschardt („5 nach 12“). Gute Newsletter aggregieren und verlinken nicht nur Nachrichten, sie kommentieren persönlich und regen zum Denken an. Das leisten sich nicht alle Medien. Vor allem gibt es kaum Frauen, die als Absenderinnen auftreten.

Für Pressesprecher ist die Lektüre eine Chance, hinter der Nachricht Journalisten, deren Interessen und Handschrift kennenzulernen. Sprecher selbst nutzen Newsletter dagegen selten. Die meisten Unternehmen promoten mit Newslettern lieber Rabatte und Aktionen, statt sich bei Medienvertretern und Stakeholdern ins Gespräch zu bringen.

Das ist eine vertane Chance. Mike Allen hat gezeigt, wie effizient Newsletter sind. Auch in diesem Jahr. Da hat er nämlich eine neue Marke aufgebaut: Axios, ein Medienunternehmen mit zwölf eigenen Newslettern.

„Woher beziehen Sie Nachrichten?“ (Umfrage unter 1.357 Führungskräften weltweit; Quelle: Quartz Global Executives Study 2016)

„Woher beziehen Sie Nachrichten?“ (Umfrage unter 1.357 Führungskräften weltweit; Quelle: Quartz Global Executives Study 2016)
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„Ich mag Old School“Christoph Amend (c) Die Zeit

Interview mit Christoph Amend,
Chefredakteur des Zeit-Magazins

Warum braucht das Zeit-Magazin 2018 ausgerechnet
einen ­Newsletter?

Christoph Amend: Newsletter sind Old School. Aber ich mag Old School. Und ihre Wirkung ist groß: Wir landen bei den Leserinnen und Lesern in der Mailbox, erreichen sie also ganz direkt. Neben dem journalistischen Reiz, ein tägliches ­Mini-­Magazin zu produzieren, gibt uns ein Newsletter auch die Gelegenheit, jeden Tag auf die Zeit und das ­Zeit-Magazin hinzuweisen.

Sie verlinken auf Inhalte anderer ­Medien und Organisationen. Wie großzügig muss ein Newsletter sein?

Unser Newsletter soll ein Lesevergnügen sein, auch visuell. Wenn die Leser das Gefühl hätten, dass er eine Werbeplattform wäre, würden sie ihn nicht abonnieren.

Der Newsletter ist eng mit Ihnen als Person ­verbunden. Warum?

Ich weiß nicht, wie es Ihnen geht. Aber wenn ich eine E-Mail bekomme, will ich nicht, dass mir ein Magazin schreibt, sondern ein Mensch. Deshalb hat unser ­Newsletter einen persönlichen Ton.

Statt nur wöchentlich ­wenden Sie sich jetzt täglich an Ihre Leser. Wie ­rentiert sich die Mehrarbeit?

Wir mussten einen Weg finden, der es mir erlaubt, nicht zu sehr an Produktionszeiten gebunden zu sein. Mit meinem Smartphone schreibe ich Texte und mache Fotos, wann und wo auch immer mir etwas auffällt. Außerdem halten wir uns kurz. Wir wollen ein Bonbon sein für den Feierabend.

 

Sieben gute Newsletter

Was für ein Tag (Zeit-Magazin)

  • Autor: Christoph Amend (Chefredakteur)
    Unterstützt von Matthias Kalle (verantwortlicher Redakteur) und Ricarda Messner (freie Autorin) seit Mai 2017
    Montag bis Freitag um 17 Uhr
  • Abonnenten*: knapp 100.000
  • Inhalt: Persönliche Anekdoten, Tipps und Links rund um Leben, Genuss und Kultur. Der Newsletter startete zeitgleich mit dem zehnten Geburtstag des Zeit-Magazins.

Morning Briefing (Handelsblatt)

  • Autor: Gabor Steingart (Herausgeber)
    Vertretung durch Sven Afhüppe (Chefredakteur) und Hans-Jürgen Jakobs (Senior Editor)
    seit April 2011
    Montag bis Freitag um 6 Uhr
  • Abonnenten*: mehr als 500.000 Abonnenten plus rund 160.000 Abonnenten der englischsprachigen Ausgabe
  • Inhalt: Ehemals der erste Newsletter eines Chefredakteurs, heute der mit Abstand erfolgreichste. Zum Teil spitze Kommentare, aber weniger großzügig. Links im Newsletter führen vor allem zur aktuellen Handelsblatt-Ausgabe. 2017 hat Steingart seine Welterklärungen des Morning Briefings in einem Buch zusammengefasst.

Checkpoint (Tagesspiegel)

  • Autoren: aktuell sechs Autoren, ins Leben gerufen von Lorenz Maroldt (Chefredakteur)
    seit November 2014
    Montag bis Freitag gegen 6 Uhr
  • Abonnenten*: 93.000
  • Inhalt: Dit is Berlin! Das Versagen der Hauptstadt unterhaltsam verpackt. Ausgezeichnet mit dem Grimme Online Award 2015.

Die Lage (Spiegel/Spiegel Online)

  • Autoren: Mitglieder der Chefredaktion, Leiter des ­Berliner Büros und der Spiegel-Online-Chefkorrespondent in ­Washington
    seit Februar 2016
    Montag bis Freitag immer um 6 Uhr, samstags um 8.30 Uhr
  • Abonnenten*: „sechsstelliger Wert“
  • Inhalt: Der Newsletter kommentiert jeden Morgen die Nachrichtenlage. Samstags geht es um Inhalte des neuen Hefts. Die Autoren wechseln wöchentlich. Die Texte sind vielfältig geschrieben − mal nüchtern, mal persönlich.

Tagesanbruch (T-Online)

  • Autor: Florian Harms
    seit September 2017
    Montag bis Freitag zwischen 6 und 6.30 Uhr
  • Abonnenten*: k.A.
  • Inhalt: Der ehemalige Chefredakteur von Spiegel Online will T-Online zu einem meinungsprägenden Nachrichtenportal aufbauen. Harms’ Newsletter ist ein Baustein. Die Mischung stimmt: Er informiert umfangreich, verlinkt auf Inhalte seines Portals und geizt auch nicht mit Links zu anderen Medien – souverän.

Morgen Europa (Politico)

  • Autor: Florian Eder
    Vertretung durch Autoren von Politico und anderen Medien (u.a. Welt, Wirtschaftswoche, ZDF)
    seit März 2016
    Montag bis Freitag um 7 Uhr
  • Abonnenten*: mehr als 13.000
  • Inhalt: Pflichtlektüre für die deutschsprachige Community in der EU und alle Europainteressierten in Deutschland. Ausgezeichnet mit dem Preis „Goldener Blogger“ 2016. Bemerkenswert sind Länge, Tiefe und Bandbreite.

Serendipity (Wirtschaftswoche)

  • Autorin: Miriam Meckel (Herausgeberin)
    seit Februar 2016
    Sonntag um 15 Uhr
  • Abonnenten*: 50.000
  • Inhalt: Ungewöhnlich ist der Newsletter aus zwei Gründen. Erstens erscheint er sonntags. Zweitens ist er von einer Frau geschrieben. Gestartet hat ihn Miriam Meckel als Chefredakteurin. Sie gibt „Gedanken-Updates aus der Welt der Technologie, Wirtschaft und Gesellschaft“, gerne ­abseitig. „Serendipity“ steht dafür, etwas zu entdecken, was man nicht gesucht hat.

* Eigenangaben des Verlags

Sieben Tipps für einen ­ guten Newsletter

1. Mehrwert
Seien Sie großzügig und teilen Sie Wissen! Seien Sie überraschend und bieten Sie neue Perspektiven – sonst ist der Mehrwert schnell passé.

2. Regelmäßigkeit
Sagen Sie, wann Ihr Newsletter erscheint, und halten Sie sich daran! Schließlich wollen Sie mit einem Newsletter zeigen, dass Sie verlässlich sind.

3. Menschlichkeit
Lassen Sie Personen zu Wort kommen und erzählen Sie Geschichten mit einer persönlichen Note! Bieten Sie Ihren Lesern die Möglichkeit für ein Gespräch und einen direkten Kontakt!

4. Klarheit
Achten Sie auf eine klare Struktur und Beschreibung der Links! Wenn nicht eindeutig ist, was sich hinter dem Klick verbirgt, verlieren Leser Zeit – und Geduld.

5. Design
Für den Wiedererkennungswert nutzen Sie Ihr Corporate Design. Gestalten Sie Newsletter nachrichtlich, damit sie nicht wie Werbung aussehen!

6. Bilder
Bilder erzeugen Emotionen und erleichtern die Navigation. Sie müssen aber mobil funktionieren und dürfen für das Laden nicht zu viel Datenvolumen beanspruchen.

7. Daten
Beschränken Sie sich auf Daten, die Sie unbedingt benötigen, und nutzen Sie ein Double-Opt-In! Eine ­Personalisierung ist nett, sollte aber freiwillig sein.

 

Dieser Beitrag erschien zuerst in der gedruckten Ausgabe TREUE. Das Heft können Sie hier bestellen.