Du bist great! Oder wie Donald J. Trump um unsere Unterstützung wirbt

Sprecherspitze

Sabine, danke für deine Zeit. Dass du unser Magazin liest, uns supportest. Ganz ehrlich, wir finden es großartig, dass du das tust. Und du wirst dafür belohnt eines Tages, Sabine, das ist unser persönliches Versprechen an dich. Wir sind deine Stimme. Ähm – fühlen Sie sich zufällig im falschen Film? Verzeihung, nur ein kurzes Experiment. Ein ehemaliger Redaktionskollege ist offenbar einst auf dem E-Mail-Verteiler von Donald J. Trump himself gelandet. Sein Vermächtnis: Unser Info-Ordner wurde in den vergangenen Wochen regelmäßig mit eindringlichen Last-Minute-Bitten des US-Präsidentschaftskandidaten um Wahlkampfspenden und Unterstützung überschwemmt. Und diese Mails beginnen, very American, immer mit dem Vornamen unseres Ex-Kollegen. Was folgt, ist ein Komma und eine absurd pseudo-vertrauliche Ansprache voller Pathos. Ein PR-Geheimrezept, das Sie sich in Ihren Pressemitteilungen dringend zu eigen machen sollten?

In Marketing und Kommunikation, insbesondere im Fundraising, gilt es seit jeher, den „Bystander-Effekt“ zu vermeiden. In New York ereignete sich 1964 ein Mord auf offener Straße, 28 Zeugen waren in unmittelbarer Nähe, als eine junge Frau um Hilfe rief, doch niemand griff ein. Psychologen kamen nach Untersuchungen zu dem Schluss: Je mehr Menschen Kenntnis von etwas nehmen und je abstrakter und ungerichteter die Ansprache, desto geringer die Unterstützung. Hinzu kommt: Die meisten Menschen lieben es, ihren Namen zu hören. Aber nur, wenn sie auch tatsächlich persönlich angesprochen werden. Dass selbst ein Mr. Trump das bei einem Millionenverteiler nicht leisten kann, lässt die schöne Nähe im Nu wie ein Kartenhaus zusammenbrechen. Der meint mich ja gar nicht, der will nur was.

Im Falle Trumps hoffen wir also auf die Macht des Bystander-Effekts. Im Falle Ihrer Kommunikation, dass Sie darauf setzen, so viele Menschen wie möglich tatsächlich persönlich zu erreichen – und ansonsten bitte nicht einfach nur so tun.

Sabine ist übrigens der über den Zeitraum 1950 bis 1990 meistvergebene Frauenname. Und da die Mehrzahl der Kommunikatoren dem weiblichen Geschlecht angehört, ist die Trefferquote vergleichsweise hoch … War ja nur ein Experiment. Und irgendwann gibt es dann vielleicht wirklich ein richtiges, echtes Anschreiben nur für Sie. Wir erwarten im Übrigen keine Spende von Ihnen, Sabine. Es sei denn, Sie wollen unbedingt. In diesem Fall aber nur Schokolade, in kleinen Mengen. Oder eine winzige Donut-Donation. Alles compliant hier. Versprochen, Sabine – honestly.

 

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