Analoge Kompetenzen sind gefragt

Digitale Transformation

In der digitalen Transformation gilt es nicht nur technologische Fähigkeiten und Strukturen aufzubauen. Mit ihrer zutiefst menschlichen Komponente bedeutet sie auch eine „soziale Transformation“, die nach neuen personalen Kompetenzen verlangt. Das müssen Unternehmen und Führungskräfte berücksichtigen. Wie kann diese individuelle Entwicklung gefördert werden, um in der Konsequenz empfänglicher für den tiefgreifenden Wandel zu sein?

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Die Anforderungen der Digitalisierung führen in Unternehmen zum Einsatz von sozialen Kommunikations- und Kollaborationslösungen wie  Coyo, Sharepoint, Yammer oder Slack. Etablieren Organisationen agile Ansätze, führt das vermehrt zu direkter Zusammenarbeit in interdisziplinären und heterogenen Teams – beispielsweise zwischen Informatikern und Kundenberatern. Mitarbeiter arbeiten zusammen, die nicht in strikte Hierarchien eingebunden sind. Hier entstehen besonders zu Beginn Konflikte und mögliche Reibungsverluste. Die Selbstorganisation von Team-Meetings und eine eigenverantwortliche Entscheidungsfindung gewinnen an Bedeutung.

Ein solches Arbeiten erfordert ausgeprägte Self-Leadership-Kompetenzen (wie Selbstwahrnehmung und Empathie) bei jedem Einzelnen, um gemeinsam Lösungen zu erarbeiten – und eine offene Feedback- und Vertrauenskultur.

Kommunikation gewinnt weiter an Geschwindigkeit und fordert permanente Anpassung und Erreichbarkeit. Arbeitnehmer sind immer öfter über ihr Smartphone mit dem Social Intranet des Unternehmens verbunden, so findet eine Überblendung zwischen Privat- und Arbeitswelt statt, die natürlich überfordern kann. Dies macht Selbstreflexion und -regulierung unverzichtbar.

Katalysator Kommunikation

Die Unternehmenskommunikation ist, sofern sie die gesamte Organisation durchdringt, ein starker Katalysator. Strategisch umgesetzt, gehen die Entwicklung der Unternehmenskultur und  jene der digitalen Infrastruktur der internen Kommunikation Hand in Hand. Mitarbeiter müssen in den langfristigen Entwicklungs- und Lernprozess eingebunden werden und verstehen, dass es sich nicht um einen Change im klassischen Sinne handelt.

Es geht um eine grundlegende Erneuerung des Miteinanders und des Geschäfts; etablierte Standards und Praktiken oder KPIs greifen nicht mehr. Die Unternehmenskommunikation ist besonders gefordert, ihre Rolle bei der Ausrichtung und Vermittlung der digitalen Transformation weiterzuentwickeln und einzunehmen. Über den Erfolgsfaktor Kommunikation hinaus müssen Führungskräfte und Mitarbeiter einen souveränen Umgang mit Unsicherheit finden, um in diesen komplexen, unbeständigen bis hin zu widersprüchlichen Zeiten handlungsfähig zu sein.

Drei Tipps für die Kommunikation der Digitalisierung

1. CEO- und Führungskräftekommunikation

Der CEO muss das Thema verkörpern und mit Priorität auf seine Agenda setzen. Auch wenn klassische Hierarchien einen anderen Stellenwert bekommen – der CEO ist in puncto Motivation und Vorbild für die Mitarbeiterschaft enorm wichtig. Ebenso relevant ist die Einbindung der Führungskräfte. Vorleben  und Sprachfähigkeit seitens der  Führung schaffen Orientierung und Stabilität.

2. Suche nach Balance

Welche Kulturbestandteile werden  bewahrt und weiter gepflegt?  Welche Werte einer Start-up- Kultur lassen sich glaubwürdig  und sinnvoll in die DNA des  Unternehmens integrieren?  Dafür gibt es keine Blaupausen. Grundlage des Handelns sollte hier eine Kulturanalyse sein, die zum Beispiel erhebt, wie dialogisch, offen und vielfältig die Kultur ist und wie ausgeprägt Mitarbeiterbeteiligung, abteilungsübergreifender Austausch und Meinungsvielfalt sind.

3. Selbst Treiber sein

Die Unternehmenskommunikation muss Digitalisierung und die Werte der digitalen Welt durch die Art, wie sie arbeitet und kommuniziert, vorleben. Nur so kann sie Orientierung geben und Vertrauen aufbauen. Dabei sollte man auch Methoden des Innovationsmanagements (wie Design Thinking) nutzen, um die Bereitschaft für Neues anzuregen.

Self-Leadership trainieren

Viele neuropsychologische Studien stellen bewusstseinsorientierte Ansätze als förderlich heraus, um mit diesem Zustand zurechtzukommen. Studien zu Achtsamkeit und Meditation beweisen, dass eine besser kontrollierte Aufmerksamkeit zu einer geringeren Aktivierung im Teil des emotionalen Gehirns, der Amygdala, führt. Das ist eine wichtige Grundlage für emotionale Intelligenz, die die Self-Leadership-Kompetenzen Selbstwahrnehmung und Selbstkenntnis, Selbstregulierung, motivationale Selbstausrichtung sowie Empathie und soziale Kompetenz umfasst. Diese bedingen nachweislich einen positiven Umgang mit Belastungen, gesteigertes Wohlgefühl und Engagement, reduziertes Stressempfinden, bessere Führung, Kommunikation sowie kreativeres und innovativeres Denken und Handeln.

Die Ausprägung dieser Kompetenzen durch entsprechende Coachings und Trainings und eine regelmäßige Übungspraxis haben sich bereits in einigen Organisationen bewährt. Vorreiter sind Unternehmen im Silicon Valley, die umfassend mit bewusstseinsorientierten Programmen arbeiten. Es entsteht eine mentale Stärke bei Mitarbeitern und Führungskräften, die ein stabiles Rückgrat für Vernetzung und agile Praktiken darstellt. Wichtig ist, dass der Mindshift seitens der Führungsebene gelebt wird, diese fungiert als Vorbild und Rollenmodell. Flankiert werden kann die Entwicklung durch eine regelmäßige Praxis (zum Beispiel in Form eines Achtsamkeitslunchs oder der Einführung bewusstseinsorientierter Meeting-Routinen). Neben einer formalen Meditationspraxis, die zum Beispiel mit einer Meditations-App unterstützt werden kann, lassen sich folgende Punkte als erstes informelles Training in den Führungsalltag integrieren:

1. Bewusster Gebrauch von Sprache 
Welche Schlüsselbegriffe existieren in der digitalen Transformation des Unternehmens im jeweiligen Thema? Bestehen im Unternehmen Klarheit und Übereinkunft zu diesen Begriffen und ein gemeinsames Verständnis von dem, was gerade miteinander besprochen wird?

2. Achtsame Kommunikation
Steigern Sie das Engagement von Kollegen und Mitarbeitern, indem Sie „gut“ zuhören. Seien Sie mit Ihrer vollen Aufmerksamkeit in der Gesprächssituation, paraphrasieren Sie das Gehörte, verwenden Sie kurze und freundliche Fragen zur Rückversicherung und bleiben Sie anerkennend hinsichtlich der Aussagen Ihres Gegenübers. Besonders in der digitalen Transformation ist der Austausch von Standpunkten und Meinungen zur Findung von Ideen und einem gemeinsamen Verständnis ein positiver Treiber.

3. Empathische Moderation
Die Moderation von Erkenntnisprozessen ist ein wesentliches Führungsinstrument der digitalen Welt. Der Kern, das eigentliche Warum ist in der Vuca-Welt (steht für die englischen Begriffe volatility, uncertainty, complexity, ambiguity) manchmal schwierig zu identifizieren. Um sinnvoll zu handeln, wird kooperativ nach einer Lösung gesucht – dazu sind Selbstwahrnehmung, Selbstregulierung und Empathie erforderlich. Nehmen Sie sich gerade in Stresssituationen Raum und Zeit, um Gedanken, Emotionen und Körperimpulse wahrzunehmen. Wählen Sie dann bewusst Ihren nächsten Schritt im moderierenden Handeln.

4. Klarheit in der Sache und Urteilsfindung
Die Entwicklung eines Verständnisses für die eigenen inneren Prozesse verhilft zu qualitativ besseren Urteilen. Fragen Sie sich, ob eine bestimmte Emotion eine vorgefertigte Meinung bedingt. Denn selbstverständlich führen radikale Veränderungen wie die Digitalisierung zu unangenehmen Gefühlen, die in Verbindung mit bestehenden Themen der Unternehmenskultur Vorurteile entstehen lassen. Dies führt oftmals zu vorgefertigten Meinungen oder „hohlen Phrasen“, wenn es beispielsweise um die Diskussion von Chancen durch neue Technologien geht. Trainieren Sie die Fähigkeit der Metakog­nition und bilden Sie eine konstruktive Haltung des Hinterfragens von Aussagen und Informationen aus.

Führungsmuster gestalten

Die Situation „die digitale Transformation ist da/erledigt“ wird es nicht geben. Sie ist ein Langfristprojekt. Wenn Führungskräfte deren soziale Dimension förderlich ausrichten wollen, gilt es, personale Fähigkeiten bei sich selbst und Mitarbeitern auszubilden und die eigene Haltung zu hinterfragen. Denn sie sind es, die das kulturelle Klima prägen und im Unternehmen wesentlich für Interpretation und Bewertung zuständig sind. So gestalten sie das neue Führungsmuster der digitalen Welt, das weg von „Command and Control“ und hin zu Impulsgeber, Moderator und Enabler geht. Kommunikation und HR sollten auf diesem Weg begleiten.

 

Dieser Beitrag erschien zuerst in der gedruckten Ausgabe MUT. Das Heft können Sie hier bestellen.

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