Die Zukunft des Journalismus

Studie

„Journalisten glauben nicht an ihre Zukunft”, lautete die Überschrift von Spiegel online zu einer vom Ecco-Agenturnetz gemeinsam mit dem Journalistenportal newsroom.de durchgeführten Studie. In der Tat zeichnen die rund 450 Umfrageteilnehmer ein eher düsteres Bild der Medienzukunft. Was bedeutet das aber für professionelle Kommunikatoren, deren traditionelles Gegenüber die Journalisten sind?

Eines ist klar: Es ist auf jeden Fall mit noch gestressteren Journalisten zu rechnen. Höhere Arbeitsbelastung (81,5 Prozent), gekürzte Budgets (84,7 Prozent) und geringere Arbeitsplatzsicherheit (79,6 Prozent) machen fast allen zu schaffen. Das ist ein deutlicher Kontrast zu einer ähnlichen Studie, die Ecco im Jahr 2002 durchgeführt hat. Auch damals waren Sparmaßnahmen in Redaktionen ein Thema, aber nur rund 53 Prozent der Journalisten fühlten sich davon mehr oder weniger stark betroffen.

 Wie wirkt sich die veränderte Medienlandschaft auf Ihre tägliche Arbeit aus?

Wie wirkt sich die veränderte Medienlandschaft auf Ihre tägliche Arbeit aus? (c) Eigene Darstellung

Das Arbeitsklima in den Redaktionen ist also deutlich rauer geworden, und das wirkt sich nach Ansicht der großen Mehrheit der Journalisten (79 Prozent) auch auf die Qualität der Medien aus. Ein Ende der Entwicklung scheint nicht in Sicht, denn für fast alle klassischen Medien wird ein deutlicher Schrumpfkurs erwartet. Gleich ganz oben auf die Rote Liste der bedrohten Arten gehört die Tageszeitung. Fast 95 Prozent der Antwortenden erwarten dramatische Einbrüche oder zumindest leichte Rückgänge. Dem stehen Wachstumserwartungen bei den Online-Medien gegenüber.

Goldene Zeiten für ­Kommunikatoren?

Wenn die Arbeitsbelastung in den Redaktionen steigt, wächst auch nahezu automatisch der Wert professioneller Vorarbeit. Für über die Hälfte der Antwortenden (53,6 Prozent) hat die Bedeutung von Pressesprechern und PR-Agenturen in den vergangenen fünf Jahren zugenommen oder sie sind sogar extrem wichtig geworden. Interessanterweise wird dieser Trend gerade von den Journalisten verspürt, die für General-Interest-Medien arbeiten. Hier sind sogar fast zwei Drittel (64,8 Prozent) dieser Ansicht.

Wird die Arbeit für professionelle Kommunikatoren also leichter? Wohl kaum, denn gleichzeitig wächst in den Redaktionen der Druck, sich von der Konkurrenz abzuheben. Das, was in Form von Pressemitteilungen in den Mailboxen der Redakteure landet, wird zunehmend uninteressant. Während 2002 noch 88 Prozent gut geschriebene Pressemitteilungen für hilfreich hielten, zeigt sich heute ein gespaltenes Bild. Rund die Hälfte der Antwortenden sieht die Bedeutung der Pressemitteilungen schwinden.

Wie hat sich die Bedeutung von Pressesprechern und PR-Agenturen für Ihre Arbeit in den letzten fünf Jahren verändert?

Wie hat sich die Bedeutung von Pressesprechern und PR-Agenturen für Ihre Arbeit in den letzten fünf Jahren verändert? (c) Eigene Darstellung

Pressekonferenzen sind ­Zeitverschwendung

Einig sind sich die Journalisten in der Ablehnung zeitaufwendiger Pressekonferenzen oder -reisen. Wer nicht wirklich aufsehenerregende Neuigkeiten zu verkünden hat, sollte sich den Aufwand dafür sparen. Für 77,5 Prozent der antwortenden Journalisten haben sie an Bedeutung verloren oder sind ganz und gar unbedeutend geworden. Noch stärker gilt das für Pressereisen, die offensichtlich kaum noch wahrgenommen werden. Hier konstatieren 76,9 Prozent der Antwortenden einen Bedeutungsverlust.

Wer heute in den Redaktionen ankommen will, braucht maßgeschneidertes Material. Denn auch die Redaktionen können mit Standardware bei ihren Lesern nicht mehr punkten. Symptomatisch ist hier, was Eduard Altmann, Chefredakteur der Fachzeitschrift „Produktion”, sagt: „Wir setzen viel stärker als früher auf selbstrecherchierte Geschichten und haben deshalb unsere Redaktion komplett umstrukturiert.” Jetzt ist nur noch eine Redakteurin für die Weiterverarbeitung dessen zuständig, was von den Unternehmen in Form von Pressemitteilungen zugeliefert wird. Alle anderen Redakteure arbeiten an eigenen Geschichten.

Hier sind dann die Kommunikatoren in Unternehmen und Agenturen gefordert. Maßschneiderei statt Konfektion ist ­gefragt. Das, was neudeutsch „Storytelling” genannt wird, muss auf die Bedürfnisse des jeweiligen Mediums oder Journalisten zugeschnitten werden. Hier ist die Zeit dann besser investiert als bei dem immer noch üblichen „Nachtelefonieren” von Pressemitteilungen. Nicht nur Eduard Altmann zählt das zu den ärgerlichsten Verhaltensweisen von ­PR-Leuten.

Die Journalisten sehen sich in einem Dilemma, das für sie kaum lösbar ist. Sie sehen den Zwang zu mehr exklusiven Geschichten, konstatieren aber gleichzeitig in ihrer großen Mehrheit (89,6 Prozent), dass der Zeitdruck keinen Platz mehr für umfassende Recherchen lässt. Aus der Sicht der meisten (83,1 Prozent) führt das zu einem wachsenden Einfluss der PR-Leute. Das sehen heute deutlich mehr so als 2002. Damals stimmten nur 67,1 Prozent diesem Statement zu.

Wie hat sich die Bedeutung der verschiedenen Informationsquellen in den vergangenen fünf Jahren verändert?

Wie hat sich die Bedeutung der verschiedenen Informationsquellen in den vergangenen fünf Jahren verändert? (c) Eigene Darstellung

Sensibilität im Umgang miteinander erforderlich

Bei manchen Journalisten führt das zu einem Gefühl der Abhängigkeit. Das kann gefährlich sein. In einem der zahlreichen Gespräche rund um die Studie drückte ein Redakteur das so aus: „Wenn es dann einmal die Gelegenheit gibt, zurückzuschießen, wird sie mit Freude genutzt.” Deshalb ist in jedem Fall Sensibilität im Umgang miteinander erforderlich.

Generell steigt aber auf jeden Fall die Bedeutung persönlicher Kontakte deutlich. Für 44 Prozent der Journalisten sind sie extrem wichtig geworden, weitere 43,5 Prozent sehen eine zunehmende Bedeutung. Für Kommunikatoren kann das nur heißen: immer ansprechbar sein und den Kontakt auch dann nicht abreißen lassen, wenn es einmal keine aktuellen Neuigkeiten gibt.

Welcher dieser Behauptungen stimmen Sie zu?

Welcher dieser Behauptungen stimmen Sie zu? (c) Eigene Darstellung

Bezahlen oder nicht bezahlen, das ist die Frage

Ein anderer Trend stellt bisherige Arbeitsweisen ganz eindeutig in Frage: Die Grenzen zwischen redaktionellen und bezahlten Inhalten verschwimmen immer mehr. 42,8 Prozent der Antwortenden sehen das ganz oder größtenteils so, weitere 48,8 Prozent teilweise. Was in früheren Zeiten eher in einer Grauzone stattfand, wird zum Mainstream.

Wie sollen Kommunikatoren damit umgehen? Einschlägige Angebote liegen heute schon auf den Schreibtischen und werden künftig noch zunehmen. Manchmal sind sie ein bequemer Weg, „Erfolge” nachzuweisen. In vielen Unternehmen ist ja immer noch die dokumentierte Veröffentlichung ein wichtiger Leistungsnachweis. Allerdings verstärkt das einen weiteren Trend, den die Journalisten diagnostizieren: Für 93 Prozent von ihnen ist die Glaubwürdigkeit der Medien in den vergangenen fünf Jahren zumindest teilweise gesunken. Veröffentlichungen in einem Medium, das nicht glaubwürdig ist, bringen aber einem Unternehmen gar nichts – ganz gleich, ob bezahlt oder nicht.

Vieles wird davon abhängen, wie Journalismus künftig generell finanziert wird. Im Jahr 2002 stimmten rund 75 Prozent der Journalisten dem Statement zu, Leser müssten künftig für Qualitätsinhalte mehr bezahlen. Abgesehen von deutlich gestiegenen Copypreisen für Printmedien ist die Wirklichkeit von dieser Prognose noch weit entfernt. Interessant in diesem Zusammenhang ist, dass wesentlich weniger Journalisten (41,3 Prozent) auf Paywalls hoffen als auf Online-Abos (61,8 Prozent) und -Werbung (63,2 Prozent).

Wohin die Reise auch gehen wird – eine Rückkehr zur klaren Trennung von redaktionellen und bezahlten Inhalten ist nicht zu erwarten. In beiden Bereichen wird es darauf ankommen, Inhalte so aufzubereiten, dass sie ihre Zielgruppe nicht nur erreichen, sondern auch interessieren. Da ist es dann auch gleich­gültig, ob es letztlich Medienarbeit oder Content-­Marketing heißt – die Erfolgsfaktoren sind die Gleichen.

Dieser Beitrag erschien zuerst in der gedruckten Ausgabe Storytelling – Marken machen ohne Märchen. Das Heft können Sie hier bestellen.

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