Die Vermessung des Kunden

Keynote von Outfittery-Gründerin Anna Alex

Sie steht auf der Bühne in gestreifter Bluse, schwarzer Strickjacke, Jeans und Turnschuhen. Die Outfittery-Gründerin Anna Alex ist unauffällig gekleidet, ihre Stylistinnen hingegen versorgen einkaufsfaule Männer, denen Stil jedoch wichtig ist, mit hochpreisiger Markenkleidung. Online, via Datenanalyse. Diese „persönliche“ Stilberatung basiert nicht auf persönlichem Kontakt – hier wird sicherlich kein Maßband angesetzt –, sondern ausschließlich auf Angaben, die der Kunde den Stylistinnen per Fragebogen oder am Telefon gibt. Wie dieses Geschäftsmodell sich rentiert hat, möchte Anna Alex dem Publikum zum Auftakt des zweiten Kongresstages näherbringen. Im Saal ist es still, alle hören zu. Doch diese konzentrierte Ruhe – wie sich später herausstellt – war ein Stück weit auch gespanntes Abwarten, bis es zur Fragenrunde kommen wird. Selten war nach einer Keynote das Publikumsmikrofon so eifrig im Einsatz.

Unstrukturierte Daten werden sortiert

Normalerweise bestehe die herkömmliche Beziehung nur zwischen dem Kunden und dem Stylisten, sagt Anna Alex. Bei Outfittery komme ein zweiter Zyklus hinzu: Stylisten überführten unstrukturierte Daten in strukturierte. Beispiel: Der Kunde gibt an, dass er gerne Fußball spielt, also hat er wahrscheinlich strammere Beine und braucht eher weite Hosen. Oder der Kunde hat einen Hund und muss bei jedem Wetter vor die Tür. Gefragt wird auch: Wie alt fühlen Sie sich? Das Geschäftsmodell des Berliner Start-ups basiert auf Machine Learning und Datenauswertung. Diese Analysen ergeben, welcher Stylist zum Kunden passt. Sogleich wird dann eine Box mit einem Outfit zusammengestellt. Es gebe sogar Assistentinnen, die solche Boxen für ihre Chefs bestellen, verrät Anna Alex an anderer Stelle.

Auch die Kommunikationskanäle werden durch Machine Learning festgelegt: „Wenn ein Kunde nicht telefonieren will, bieten wir das nicht mehr an.“ Sie wolle durch die Paarung von menschlicher und künstlicher Intelligenz Relevanz schaffen in einem unübersichtlichen Angebot. Es gab sogar einmal die Idee eines Männerscanners, sagt sie schmunzelnd. Leises Gelächter erklingt im Saal. „Es ist ein 3-D-Scanner, der der Stylistin ein perfektes Bild von den Körpermaßen gibt. Der Einfall kam uns einmal abends auf einer Party. Wir haben einen Prototypen mit der TU München anfertigen lassen, für nur 2000 Euro.”

Datenschutz?

„Wir stehen noch am Anfang, aber es ist nun mal so, wir werden immer trackbarer”, sagt Anna Alex zum Thema Datenschutz. „Das neue Datenschutzgesetz finde ich gut, dennoch verschließe ich mich persönlich dem Tracking nicht, da man sonst gewisse Services nicht nutzen kann: Google Maps beispielsweise ist nicht umsonst. Wir zahlen mit unseren Daten.” Diejenigen, die sich dem verschließen wollten, müssten in den Wald ziehen, in der Steinzeit leben. Die Vermessung des Kunden, sie habe längst begonnen. „Probieren Sie es selbst aus”, sagt sie lächelnd und blendet einen Gutscheincode ein, 20 Euro bei einem Mindestbestellwert von 150 Euro. Es wird unruhig im Saal, vornehmlich Männer tauschen sich in belustigter Empörung aus, grinsende Gesichter, kurzer, verhaltener Applaus. „Sieht nach Relevanz aus. Führt aber nur zum Gutscheincode”, heißt es dann sogleich auf Twitter von jemandem aus dem Publikum.

Eine Frage aus dem Publikum: „Wenn man nun eine weite Hose braucht, woher weiß die Stylistin, welcher Hersteller diese hat?” Hersteller würden solche Daten nicht rausgeben, sagt Anna Alex. „Das liegt daran, dass sie sie häufig selbst nicht haben. Viele Marken wissen nicht genau, wie ihre Teile sitzen. Das ist ein ungelöstes Problem.” Auch das Thema Rücksendung sei bislang ungelöst, die Stylisten bekämen jedoch intensive Schulungen. „Wir haben außerdem ein Fitting Model, dessen Job es ist, Standardmaße zu haben.” Einige lachen auf.

„Ich habe im Vorfeld gelesen, dass Sie die Hälfte Ihres Umsatzes als Schulden haben und das kontinuierlich über drei Jahre. Was sagen Ihre Geldgeber dazu?”, lautet eine weitere Frage. Lachen. „Okay, also die gute Nachricht zuerst: Wir haben keine Schulden. Wir haben einige internationale Venture-Kapitalgeber, die bei uns investiert haben.” Anna Alex zählt einige Namen auf. „Wir glauben an das Geschäftsmodell. Wir wollen noch mehr Männer glücklich machen, als wir es heute schon tun. Und das wollen wir schnell machen. Deshalb brauchten wir Geld, um schnell wachsen zu können.” Deswegen habe sie sich für diesen Weg entschieden. Dafür bekommt sie Applaus. Die weiteren Fragen? Sehen Sie selbst im Video.


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