Die Frau im Schatten von Sebastian Vettel

Britta Roeske

Manchmal muss sich ihre Arbeit in der Formel 1 für Britta Roeske anfühlen wie ein nie endender Klassenausflug. Mit den immer gleichen Journalisten jettet sie Monat für Monat um die Welt. Die Tage habe sie nie gezählt, sagt sie. Aber 250 Tage pro Jahr sind wohl eine realistische Größe. „Diese Nähe und das Leben auf engem Raum über so einen langen Zeitraum gibt es sonst kaum zwischen Pressesprechern und Journalisten“, ahnt sie. Und einen Job wie ihren, den gibt es eigentlich auch kein zweites Mal.

Roeske ist Sprecherin des viermaligen Weltmeisters und Ferrari-Piloten Sebastian Vettel. Nicht irgendeine. Sondern seine persönliche. „Ich glaube, ich bin als solche derzeit die Einzige“, sagt sie. Für gewöhnlich werden die Rennfahrer von den Pressesprechern ihrer Rennteams vertreten. Doch Vettel handhabt es wie sein Vorbild Michael Schumacher, der sich während seiner aktiven Rennfahrerkarriere die frühere Welt-Sportjournalistin Sabine Kehm als Sprecherin und Medienberaterin an seine Seite holte.

Britta Roeske geriet fast zufällig in die Vollgasbranche – und irgendwann ging alles sehr schnell. Eigentlich hatte es die gebürtige Essenerin in die Presseabteilung eines großen europäischen Flugzeugherstellers gezogen. Zumal Technik und Geschwindigkeit sie schon immer reizten, sagt Roeske. 2001 war das, sie hatte gerade ihr BWL- und Französisch-Studium beendet.

Nach den Terroranschlägen vom 11. September änderten sich in der Großindustrie jedoch die Pläne, sodass Roeske stattdessen in der Presseabteilung von Renault in Brühl/Nord­rhein-Westfalen landete. Ein Jahr später ging sie zum Renault-Formel-1-Team nach England und wiederum ein Jahr später zum Red-Bull-Rennstall. Dort erlebte sie den Aufstieg des Teams zu einem der führenden in der bedeutendsten Motorsportserie der Welt.

2009 kam Sebastian Vettel ins Team, damals 23 Jahre alt und auf dem Weg zum Star nicht nur in Deutschland. Schnell fasste der Hesse Vertrauen zu Roeske. Kurz darauf fragte er sie, ob sie nicht seine persönliche Sprecherin werden wolle. Sie musste nicht lange überlegen. „Klar hatte ich Lust!“

Zum Reagieren bleiben nur wenige Minuten

Schnelle Entscheidungen zu treffen, gehört seitdem zu Britta Roeskes Arbeitsalltag. Vor allem während und kurz nach den Rennen bleiben ihr in der Regel nur wenige Minuten zum Reagieren. Kollidiert ihr Chef zum Beispiel wie Ende Juni beim Großen Preis von Aserbaidschan mit dem Mercedes-Konkurrenten Lewis Hamilton, lauert anschließend eine enorm große Zahl Journalisten im Presseraum auf Statements der Fahrer.

Für Roeske gilt es dann zum einen, in Sekundenschnelle zu erfassen, wie die Rennkommentatoren den Unfall beurteilen; und zum anderen, Sebastian Vettel kurz und knapp zu briefen. „Formel 1 ist nicht nur auf der Strecke ein extrem schneller Sport“, sagt Roeske. „Auch neben der Strecke weiß man nie genau, was als nächstes passieren wird. Man muss unheimlich flexibel sein, um spontan reagieren zu können.“

Inzwischen habe sie in der Formel 1 aber wohl jede denkbare Szene einmal erlebt, sagt die 40-Jährige. Und so gelinge es ihr auch, trotz der Nähe zu Vettel und der beruflich bedingten Extremsituationen professionell zu reagieren.

Roeskes Rolle ist dabei eine andere als die von Sprecherkollegen der Rennteams. Vettel, das betont sie im Gespräch immer wieder, lege großen Wert darauf, sich nicht verstellen zu müssen. Und diesen Anspruch gilt es manchmal eben auch gegenüber dem eigenen Team zu verteidigen, das die Fahrer intensiv in PR- und Sponsorenevents einbindet. Direkt beim Fahrer angestellt zu sein, mache die Arbeit vielfältiger, „weil man viel näher dran ist und andere Verantwortungen hat“, sagt Roeske.

Ein Job am Limit

Unter der Woche ist die Deutsche so etwas wie ein Schatten ihres viel gefragten Landsmanns. Ihr Kalender ist vollgestopft, nur an wenigen Tagen kann sie wirklich entspannen, die Taktung der Termine ist äußerst eng. Mittwoch ist Anreisetag zu den Grands Prix, nicht selten auf wechselnden Kontinenten. Donnerstags folgen für die PR-Fachfrau und Vettel Pressekonferenzen, Interviews, Sponsorenveranstaltungen oder Autogrammstunden. Freitags dann Training, samstags die Qualifikation, sonntags die Rennen – jeweils mit Live-Berichterstattung.

„Das ist in der Tat alles sehr dicht“, sagt Britta Roeske, „aber zu meistern.“ 20 Rennwochenenden gibt es dieses Jahr, 2018 sogar noch eines mehr. Mit Vor- und Nachbereitungen bedeute dies oft, von Februar bis zum Advent fast durchgängig unterwegs zu sein, erzählt Roeske.

Es habe zwar seinen Reiz, diese Zeit mit einer mehr oder weniger gleich bleibenden Gruppe von Rennsportjournalisten zu erleben. Allerdings genieße sie es auch, mit Reportern zusammenzuarbeiten, die nicht ständig in dem Tross seien: „Weil es gut ist, wenn jemand von außen neue Gesichtspunkte reinbringt, andere Fragen stellt.“

Manchmal können es aber auch zu viele Fragen sein. Mit gehörigem Respekt erinnert sich Roeske an Vettels ersten WM-Titel 2010. „Damals stürmte alles auf uns ein“, sagt sie. Geschätzt 600 Journalisten seien nach dem Sieg im Fahrerlager von Abu Dhabi gewesen, „und wirklich jeder wollte etwas Spezielles von Sebastian“.

Es folgten vier Tage PR-Arbeit mit Reisen um die Welt. „Vier Tage kein richtiger Schlaf“. Es war wohl so etwas wie die Feuertaufe für Britta Roeske. Seitdem möchte sie nichts anderes mehr machen. „Ein bisschen Abwechslung“, sagt sie lächelnd, „finde ich schon ganz nett.“

 

Dieser Beitrag erschien zuerst in der gedruckten Ausgabe TEMPO. Das Heft können Sie hier bestellen.

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