Die Ruhe vor dem Sturm nutzen

„Ich bin von der Zeitung und hätte da mal ein paar Fragen …“

Wie man – notfalls auch ohne jahrelange Erfahrung – als Pressesprecher der NSA oder von Geflügelfarmen und ohne große Vorbereitung vermeiden kann, sich nach diesem Satz um Kopf und Kragen zu reden, haben wir im letzten Heft kurz dargelegt. Aber auch wer privat gern Risikosportarten betreibt, wird zugeben, dass eine gute Vorbereitung die Gefahr von Verletzungen und Totalschäden erheblich verringert – daher richten wir diesmal das Augenmerk auf die Ruhe vor dem Sturm und darauf, wie man sein Unternehmen wetterfest machen kann, um im Fall der Fälle bestmöglich gerüstet zu sein.

Da sich nicht alle möglichen Krisen, Pannen und Vorwürfe antizipieren lassen, geht es vor allem darum, entsprechende Angriffsflächen zu identifizieren und sichernde Strukturen zu schaffen – so kann im Ernstfall einerseits weniger aus dem Ruder laufen und andererseits besser reagiert werden.

Schwachstellen herausfinden

Erster Punkt auf der To-do-Liste ist das Identifizieren von Schwachstellen, also möglichen Ansatzpunkten für kritische Berichterstattung, zum Beispiel: Ist Ihr Unternehmen – etwa als Rüstungsbetrieb, Hersteller von Nahrungsmitteln, Umweltsünder, Nutzer von Kinderarbeit oder Tierversuchen – besonders gefährdet, in den Brennpunkt öffentlicher Aufmerksamkeit zu rücken? Gibt es Anlass, den Umgang mit Sicherheitsbestimmungen oder Umweltstandards, Kunden, Lieferanten oder Arbeitnehmern zu bemängeln? Ist das Unternehmen von einem guten Image abhängig oder kann Ihnen die öffentliche Meinung ohnehin weitgehend egal sein?

Bei der Suche nach solchen Schwachstellen ist (verblüffenderweise) nicht die reine, wirklich wahre Wahrheit maßgeblich, sondern vielmehr, welche Punkte Angriffsfläche bieten – seien die Vorwürfe berechtigt oder nicht: Wer glaubt, dass es etwa Kindern in Bangladesch mit Arbeit besser geht als ohne, riskiert, mit dieser Meinung nicht nur alleine dazustehen, sondern im Kreuzfeuer der Kritik. Wer das (vernünftigerweise) nicht will, muss sich überlegen, welche seiner Standpunkte unhaltbar sind.

Erklärungen finden und hinterfragen

Zweiter Schritt der Vorbereitung – es klang eben bereits an – ist, Erklärungen zu finden, warum man die gerade identifizierten Schwachstellen bietet. Findet man keine Ursachen, dürften sich die Kritikpunkte abstellen lassen. Ansonsten ist wieder zu überlegen, ob und wie man die Erklärungen und Gründe tatsächlich auch vermitteln kann – und zwar nicht nur der geneigten Öffentlichkeit, sondern gerade auch dem kritischen, skeptischen oder vielleicht sogar böswilligen Nachfrager.

Dass das keineswegs immer gelingt, machen neben der Kinderarbeit beispielsweise auch die Versandhändler, die Leiharbeitsfirmen, die Geflügelfarmen, die Tierschützer, die Pflanzenfreunde, die Atomstrom- und Windkraftgegner (solange die Windräder im eigenen Sichtfeld stehen …) und so weiter deutlich. Jemand, der komplizierte Sachverhalte im eigenen Interesse vereinfacht und dabei (bewusst oder unbewusst) verfälscht, findet sich eigentlich immer …

Angreifer identifizieren

Bei der Frage, warum jemand kritisch (oder gar böswillig) sein sollte, empfiehlt sich also, auch darüber nachzudenken: Wem ist man in der Vergangenheit auf die Füße getreten? Wem plant man künftig auf die Füße zu treten? Was hat sich geändert – nicht nur im Marktumfeld, auch in der allgemeinen Stimmungslage (zum Beispiel Fukushima, NSA-Skandal, Sanktionen)? Wie sind unser Unternehmen und unsere Produkte davon betroffen? Welche Entwicklungen und Themen zeichnen sich ab?

Diese Liste ist nicht abschließend – wichtig ist, das eigene Unternehmen und sein Tun gut zu kennen und mit diesem Wissen kritisch von außen auf Schwachpunkte und potenzielle Angreifer zu überprüfen.

Informationsbeschaffung – Strukturen schaffen

Diese Awareness alleine kann schlaflose Nächte bereiten – und das Wissen über den aktuellen Stand alleine hilft noch nicht mal. Daher schaffen Sie sich nach einem ersten Überblick ein unternehmensinternes Monitoring und hierfür Netzwerkstrukturen: Ob regelmäßige bereichsübergreifende Meetings oder ein Meldesystem für besondere Vorkommnisse – die Maßnahmen gehen im Idealfall mit einem Kulturwandel einher, nach dem Mitarbeiter nicht auf Informationen „von oben“ warten, sondern sie sich selbst holen und ihr eigenes Tun auf Relevanz für andere Ressorts überprüfen.

Es gilt, die Personen einzubeziehen, die die erforderlichen Informationen ohnehin bekommen und Ihnen zutragen können – egal, wie Sie es anstellen: Wichtig ist nur, dass Sie rechtzeitig informiert sind oder werden, falls das Unternehmen Stellen abbaut, Produkte kritisiert, wichtige Lieferanten wechselt oder, oder, oder … Dann müssen Sie nur noch sicherstellen, dass diese Strukturen auch in Urlaubszeiten funktionieren und nach personellen Wechseln nicht ins Leere greifen. Wenn Sie das geschafft haben, ist die Informationsbeschaffung ­weitgehend ­gesichert.

Informationsverwertung – Strukturen nutzen

Die Frage, was Sie dann mit den gewonnenen Informationen tun, werden Sie im Krisenfall nicht alleine beantworten wollen – schließlich sind Sie Pressesprecher, nicht Geschäftsführer oder Eigner des Unternehmens. Genau diese Personen (oder andere „Entscheider“) müssen Sie also ohnehin einbeziehen, wenn es hart auf hart kommt. Daher empfiehlt es sich, mit diesen Leuten vorher das Gespräch zu suchen und festzulegen, wer was in welchem Fall entscheiden oder sagen darf und wer wen wozu um Rat oder Erlaubnis zu fragen hat.

Dabei kann nicht nur die Berichtslinie festgelegt, sondern auch Hilfe zur Schaffung der gerade genannten Strukturen organisiert werden – denn der Pressesprecher ist (wie der Anwalt) zwar als Feuerwehrmann gerne gesehen, wenn es brennt, aber nicht, wenn er für den Einbau von Rauchmeldern wirbt.

Den Ernstfall organisieren

Sind Aufmerksamkeit und Unterstützung der Unternehmensführung gesichert, bleiben die weiteren vorbereitenden Maßnahmen, darunter: Einen Rechtsanwalt zu suchen und „auf Abruf“ in der Hinterhand zu haben, kann nicht schaden (und er soll die rechtlichen Vorgehensmöglichkeiten ruhig einmal erklären – überzeugt er, hat sich sein „Marketing“ gelohnt, wenn er im Krisenfall beraten darf). Je nach Unternehmen kann es sich anbieten, die Mitarbeiter einmal grundsätzlich im Umgang mit der Presse (oder allgemeinen Gesprächen über die Firma) zu schulen – und immer ist erwägenswert, Mitarbeiter im Fall negativer Berichterstattung mit zumindest ein paar Worten über die Haltung des Unternehmens zu informieren, ihnen vielleicht auch eine Sprachregelung an die Hand zu geben. Ob Gleiches auch für wichtige Geschäftspartner gilt, kann man zumindest einmal überlegen.

Daneben bleibt, nicht zu vergessen, dass gerade in ruhigen Zeiten ein guter Draht zur Presse aufgebaut und gepflegt werden will – Vertraute dort sind immer hilfreich, sei es als Ratgeber, Sparringspartner, wohlgesinnte Angreifer oder Sprachrohre bei der Schadensminimierung.

Dieser Beitrag erschien zuerst in der gedruckten Ausgabe Fehler. Das Heft können Sie hier bestellen.

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