Die Manager des Brexits

CEO-Zweikampf

Der Countdown hat begonnen: Seit dem offiziellen EU-Austrittgesuchs Großbritanniens Ende März haben Brüssel und London nun zwei Jahre Zeit, um die Trennung und vor allem die künftige Beziehung zwischen der Insel und der Europäischen Union zu verhandeln. Für die deutsche Wirtschaft steht einiges auf dem Spiel. Waren im Wert von 90 Milliarden Euro exportieren deutsche Unternehmen jedes Jahr nach Großbritannien. Mehr als 2.500 deutsche Firmen haben auf der Insel Niederlassungen und beschäftigen fast 400.000 Mitarbeiter.

Besonders betroffen: die DAX-Unternehmen BMW und Deutsche Post DHL. Für den Autohersteller ist Großbritannien nicht nur der zweitgrößte Absatzmarkt in Europa. Im Gegensatz zu Konkurrent Daimler haben die Münchener auch mehrere Fabriken auf der Insel, die größtenteils für den Export produzieren. Ähnlich stark engagiert ist die Deutsche Post: Etwa jeden zehnten Euro Umsatz erwirtschaftet der Ex-Monopolist bei den Briten und zählt damit zu den umsatzstärksten Unternehmen in Großbritannien. 

Für die CEOs, Harald Krüger und Frank Appel, hängt also einiges vom Erfolg der Brexit-Verhandlungen ab. Dabei verfolgen die Manager unterschiedliche Kommunikationsstrategien. Während Krüger vor den Folgen eines „harten“ Brexits warnt und indirekt bereits mit Produktionsverlagerungen droht („Wir stellen uns auf verschiedene Szenarien ein.“), gibt sich Appel betont gelassen („Ich rechne nicht mit dramatischen Konsequenzen.“). Der Post-Chef sieht sogar Chancen für seinen Logistikkonzern, der durch sein Know-how bei der Zoll-Abwicklung von der Abspaltung profitieren könne. 

Natürlich lässt sich nicht sagen, welches der beiden Unternehmen den EU-Austritt Großbritanniens besser verkraften wird. Dazu stehen die Konzerne vor zu unterschiedlichen Herausforderungen. Trotzdem lohnt sich ein Vergleich, wie viel Gewicht und Reputation beide CEOs aufgrund ihrer bisherigen Positionierung in die künftigen Brexit-Diskussionen einbringen können. 

Wie ist ihr Bild in der Öffentlichkeit?

Das Besondere an Harald Krüger war bisher, dass an ihm – zumindest in der öffentlichen Wahrnehmung – nichts Besonderes war. Dem heute 51-jährigen gelang damit eine steile Karriere. Als „Meister des geräuschlosen Aufstiegs“ bezeichnet ihn das Manager Magazin. Für die Süddeutsche Zeitung war der in Braunschweig aufgewachsene Maschinenbauer schlicht „Der Auserwählte“. Kein anderer BMW-Manager hatte auf so verschiedenen Positionen so kontinuierlich Leistung gebracht und – genauso wichtig – dabei auf jede Art der Selbstinszenierung verzichtet. Ganz nach dem internen BMW-Motto: Das Auto ist der Star.

Doch ausgerechnet bei seinem ersten Auftritt als neuer CEO im September 2015 sorgte Krüger ungewollt für Schlagzeilen. Mitten in einem Vortrag auf der internationalen Automobil-Ausstellung (IAA) in Frankfurt wurden ihm die Knie weich – der neue starke Mann bei BMW kippte um. Der Kreislauf? Nervosität? Weltweit berichteten die Medien über den Zusammenbruch des Spitzenmanagers. Auch wenn ihm der Vorfall nicht wirklich geschadet hat, ist Krügers Image zumindest angekratzt. „Ist er als Manager zu schwach?“, fragen bereits Kritiker. Kann er sich genügend durchsetzten? „Auto-Boss mit Auftrittsschwäche“ titelte vor kurzem Spiegel Online. 

Auch Frank Appel sagt von sich: „Ich will nicht zu sehr im Rampenlicht stehen“. Seinen Job als Chef des globalen Logistikkonzerns mit mehr als einer halbe Million Mitarbeitern sieht er als „dienende Funktion“. Als „Anti-Held“ bezeichnete ihn deshalb einst die FAZ: „Pathos ist ihm fremd. Größenphantasien kann er sich nicht leisten: Der Post-Chef räumt seinen Laden auf – nüchtern und ziemlich effizient“, schrieb das Blatt. 

Mit diesem zupackenden Stil hat der promovierte Neurobiologe sich den Ruf des „Musterknaben“ (Wirtschaftswoche) unter den DAX-Vorstandsvorsitzenden erarbeitet. Auch wenn er immer noch kein Selbstdarsteller ist, äußert Appel sich heute auch zu politischen Themen – betont etwa die Chancen für Deutschland durch den Flüchtlingszuzug. Oder er setzt sich öffentlich für eine Vermögenssteuer und einen höheren Spitzensteuersatz ein – mutige Positionen für einen Top-Manager. Doch genau mit dieser Mischung aus klaren Überzeugungen und Transparenz hat sich der Post-CEO viel Reputation aufgebaut. 

Wer hat die bessere Medienpräsenz?

Beide CEOs haben eine gute Medienpräsenz, auch wenn sie keine Spitzenwerte erzielen. Im aktuellen CEO Communication Monitor für das Jahr 2016 steht Krüger auf Platz 13, Appel auf Platz 16 – allerdings mit besserer Tonalität. Zum Vergleich: Andere Autochefs wie Mercedes-CEO Dieter Zetsche oder Volkswagen-Chef Matthias Müller und sind drei bzw. fünf Mal so häufig in den Medien vertreten wie Krüger und stehen damit an der Spitze des Rankings. Ebenso wie Appel gehört er zum Mittelfeld der Dax-Chefs, was jedoch durchaus Vorteile mit sich bringt. Krüger und Appel sind häufig genug in Medien, um mit ihren Botschaften in der öffentlichen Debatte durchzudringen und die Positionen ihrer Unternehmen wirksam zu vertreten. Gleichzeitig werden sie nicht als Selbstdarsteller gesehen und bieten weniger Angriffsfläche.

Wo treten sie auf?

Dass Harald Krüger regelmäßig auf Automobilmessen und –symposien spricht, ist wenig überraschend. Auffällig ist jedoch, dass der BMW-Chef insgesamt sehr viel seltener auftritt und nur sehr vereinzelt bei Nicht-Auto-Konferenzen. Audi-Chef Rupert Stadler nutzte schon vor Jahren Zukunftskongresse wie den DLD in München, um seinen Konzern als digitalen Vorreiter zu positionieren. Siemens-Chef Joe Kaeser referiert auch schon mal vor Gymnasiasten in Niederbayern – um Bodenständigkeit zu demonstrieren – und Mercedes-Chef Zetsche trat vergangenes Jahr sogar zum Streitgespräch auf dem Grünen-Parteitag an. Krüger lässt solche Positionierungsmöglichkeiten –  offenbar bewusst – aus und konzentriert sich weitgehend auf Pflichttermine. Eine Ausnahme: Im März begleitete Krüger auf Wunsch Angela Merkels die Kanzlerin ins Weiße Haus, um die Kluft zu US-Präsident Donald Trump zu überbrücken. Das Treffen fand jedoch hinter verschlossenen Türen statt.

Appel sieht man dagegen bei einer ganzen Bandbreite von Veranstaltungen. Von den üblichen Top-Events wie dem SZ-Wirtschaftsgipfel im Berliner Adlon über das Weltwirtschaftsforum in Davos bis zum Deutschen CSR Forum – der Post-Chef nutzt seine vielfältigen Auftritte geschickt, um Botschaften zu streuen und Reputation für den Konzern aufzubauen.

Wer berät sie?

Mit Maximilian Schöberl und Christof Ehrhart sind zwei erfahrene Kommunikationsprofis für die Positionierung der beiden Vorstandsvorsitzenden verantwortlich. Schöberl, seit 2006 bei BMW, steuerte schon erfolgreich das Image des Vorgängers und heutigen Aufsichtsratschefs Norbert Reithofer. Heute berät der frühere TV-Journalist und Sprecher von Ex-Finanzminister Theo Waigel Krüger. Bei der Deutschen Post leitet Ehrhart seit 2009 die Unternehmenskommunikation und steuert ebenso lang das Image von Appel.

Sieger im CEO-Zweikampf…

…ist Frank Appel. Der Deutsche Post-Chef hat seinen Konzern nicht nur wirtschaftlich auf Erfolgskurs gebracht und das Image des ehemaligen Monopolisten verbessert. Seine Stimme als gesellschaftlich verantwortlicher Manager hat in der öffentlichen Debatte Gewicht, ohne dass er sich als CEO ins Rampenlicht drängen muss. Das könnte ihm auch künftig beim Thema Brexit helfen.

Harald Krüger macht in seiner CEO-Kommunikation vieles richtig, indem er als moderner und teamfähiger Manager auftritt. Allerdings ist der BMW-Chef auch ein Beispiel dafür, dass Perfektion alleine keine gute Positionierung ist. Wer als Vorstandsvorsitzender nie Ecken und Kanten zeigt und stets das Abziehbild des perfekten Managers darstellt, ist irgendwann in der Rolle gefangen. Jede menschliche Schwäche – und sei es ein kurzer Aussetzer auf der Bühne – wirkt dann wie ein Sprung in einer Fassade. Überzeugender und auch vertrauensstiftender wäre es, von Beginn in der öffentlichen Kommunikation an auch eine menschliche Seite zu offenbaren. Krisen und Rückschläge lassen sich so besser abfedern. Sollte der Brexit für BMW tatsächlich zu einem wirtschaftlichen Einbruch führen, wird der Druck auf Krüger deshalb steigen.

 

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