„Die Jury innerhalb von Sekunden überzeugen“

Deutscher Preis für Onlinekommunikation

Die Ausbildung der Mitarbeiter zu Unternehmensbotschaftern: Das ist die Hauptaufgabe von Stefan Siemon, Senior Manager Digital Communications & Social Media bei Tui und dieses Jahr neu in der DPOK-Jury. Wichtig dabei sei, Rahmenbedingungen vorzugeben – den Kollegen innerhalb dieser Grenzen aber absolute Freiheit zu lassen, sagt er. Im Interview spricht er außerdem darüber, was ihn seiner Meinung nach für die Jurorentätigkeit qualifiziert und was einen guten DPOK-Pitch ausmacht.


Herr Siemon, Sie sind bei Tui unter anderem für die Ausbildung der Mitarbeiter zu Unternehmensbotschaftern zuständig. Auf welchen Kanälen sind SIe dabei aktiv?

Da wir ein international aufgestellter Konzern sind, war für uns zunächst einmal Linkedin der Kanal der Wahl. Die Plattform hat sich aus unserer Sicht sehr positiv entwickelt – die Möglichkeiten, die sie bietet, sind gerade in den letzten Jahren deutlich mehr geworden. Mittlerweile haben bereits über 20.000 Mitarbeiter auf ihrem Profil angegeben, dass sie bei Tui arbeiten – also praktisch alle Tui-Mitarbeiter, die am Schreibtisch beziehungsweise im Büro arbeiten.

DPOK 2020

Wie genau kann man sich die Corporate-Influencer-Arbeit bei Tui vorstellen?

Es gibt drei verschiedene Maßnahmen oder Stufen: Die erste richtet sich an unser Topmanagement. Am Anfang gibt es dort sehr individuelle und persönliche Gespräche. Diese haben sogar so etwas wie eine psychologische Komponente, wir gehen dabei sehr tief. Wenn wir eng mit der Führungskraft zusammenarbeiten wollen, ist es wichtig, ein vertrauensvolles Verhältnis aufzubauen, um beispielsweise auch Entwürfe bereitstellen zu können. Dabei verstehen wir uns nicht als Ghostwriter, schreiben also Posts nicht komplett selbst, sondern sind eher unterstützende Kraft, beispielsweise als Themengeber. Im mittleren Management verfolgen wir einen ähnlichen Ansatz, nur nicht ganz so ausführlich. Hier unterstützen wir vor allem auf Anfrage, wenn beispielsweise nach Unterstützung bei der Formulierung verlangt wird.

Wie sieht es auf der Kollegenebene aus?

Der dritte, größte und wahrscheinlich wichtigste Bereich ist die Mitarbeiterebene. Dort setzen wir auf ein intensives Schulungskonzept, das wir „Linkedin Masterclasses“ nennen – dreistündige Schulungen, in denen wir Mitarbeiter für den Umgang mit Social Media fit machen. Unsere zentrale Botschaft ist dabei, dass dieses Training vor allem den Mitarbeitern und ihrer Karriere dient – ihrer Reputation und Sichtbarkeit im Unternehmen, dem nächsten Karrieresprung. Dass am Ende auch das Unternehmen profitiert, ist natürlich klar – es ist eine Win-win-Situation.

Werden die ausgebildeten Unternehmensbotschafter auch im Anschluss an die Schulungen begleitet?

Nach den Trainings sind die meisten Mitarbeiter hochmotiviert, damit weiterzumachen. Daher haben wir eine Community gegründet, in deren Rahmen sich die Mitarbeiter untereinander austauschen können. Außerdem geben wir dort Tipps, Ideen, Inspiration, teilen manchmal auch einfach Neuigkeiten von Linkedin, beispielsweise über neue Funktionen. So bleiben wir auch nach den Masterclasses mit den Kollegen in Kontakt, bieten Support. Die Fragen sind manchmal eben auch sehr kleinteilig und daher schnell zu beantworten. Manchmal hängt es zum Beispiel einfach an der Frage: Wie füge ich ein Emoji ein?

Einige Unternehmen lassen ihren Mitarbeitern für ihre Arbeit als Unternehmensbotschafter viel Freiheit, andere haben strenge Regeln. Wo sehen Sie sich in diesem Spannungsfeld?

Auf jeden Fall möchten wir Hilfestellung geben, geben sozusagen die Rahmenbedingungen vor. Innerhalb dieser Rahmenbedingungen aber sollen sich die Kollegen absolut frei bewegen. Wir schreiben nichts vor, kontrollieren auch nicht. Der erste Satz unserer Social-Media-Guideline heißt: „Feel free to share the spirit.” Das ist sehr wichtig, und danach leben und arbeiten wir.

Welche Herausforderungen birgt ein solches Konzept?

Natürlich gibt es immer wieder Stellschrauben, an denen wir noch einmal nachjustieren, einen freundlichen Hinweis oder Tipp geben können. Das kommt aber nur sehr selten vor. Es gibt vielleicht drei oder vier Fälle pro Jahr, bei denen wir noch einmal gemeinsam überlegen und vielleicht etwas verbessern. Wir sind fest davon überzeugt, dass alle Kolleginnen und Kollegen ein entsprechendes Bauchgefühl und ein Empfinden dafür haben, was gut und was nicht gut ist. Fehler passieren in der Regel unbewusst. Beispielsweise sollte man einen Kollegen um Erlaubnis fragen, bevor man sein Bild online verwendet. Bei uns kommt auch der Zeitungstest zum Einsatz: Hätte ich ein Problem damit, wenn der jeweilige Post morgen auf Seite eins der größten deutschen Zeitung erscheinen würde? Lautet die Antwort ja, sollte man den Beitrag auf jeden Fall nochmals überdenken. Grundsätzlich ist es uns aber wichtig, zu betonen, dass wir sehr zufrieden mit unseren Botschaftern sind.

Warum beschäftigt das Thema Corporate Influencer Ihrer Meinung nach zurzeit so viele Unternehmen?

Die Idee an sich ist ja nicht neu. Neu ist lediglich der Begriff „Corporate Influencer“, der liegt natürlich sehr im Trend. Wir alle haben ein größeres Vertrauen in Botschaften, wenn diese von einem Freund oder Bekannten kommen – das ist klassisches Empfehlungsmarketing. Wenn ein Freund uns etwas sagt, nehmen wir das als verlässlich und authentisch wahr. Wenn nun also der Kollege über ein Event oder ein Thema aus dem Unternehmensumfeld berichtet, wird die Botschaft noch vertrauensvoller angenommen. Authentizität ist essenziell – dafür stehen wir bei Tui auch.

Sie sind in diesem Jahr zum ersten Mal Jurymitglied beim DPOK. Was qualifiziert Sie Ihrer Meinung nach für die Tätigkeit als Juror?

Eigentlich müsste das jemand anderer beantworten, nämlich mein Chef Magnus Hüttenberend, der mich vorgeschlagen hat – er wird schon seine Gründe dafür haben. (lacht) Ich vermute aber, dass es daran liegt, dass ich mittlerweile fünf Jahre Social-Media-Erfahrung aufweisen kann, davon zwei Jahre im Bereich Corporate Communications und digitale Kommunikation. Außerdem bin ich bereits stolzer Gewinner eines Digital Communication Award – bei der ersten Bewerbung hat es gleich geklappt. Das war sozusagen mein Einstieg in die spannende Award-Welt. Beim DCA war ich auch schon einmal Jurymitglied. Der DPOK ist nun sicherlich die Krönung des Ganzen, daher freue ich mich besonders, in diesem Jahr Teil der Jury zu sein.

Umgekehrt gefragt: Was haben Sie davon? Was reizt Sie besonders an der Jurytätigkeit beim DPOK?

Der DPOK ist meiner Meinung nach der Award, der am schnellsten neue Kategorien einführt. Wenn ich es richtig in Erinnerung habe, gibt es nun auch eine Kategorie zum Thema Tiktok. So etwas finde ich einfach sehr spannend – und wichtig, solche Themen möglichst schnell in entsprechende Kategorien zu gießen.

Was wird in diesem Jahr – abgesehen von Tiktok – beim DPOK noch besonders wichtig?

Beschäftigen wird uns sicher auch das Thema Individualisierung – wie schaffe ich es, eine Kampagne individuell relevant aufzusetzen, ohne andere Menschen zu verlieren? Auch auf der Nachhaltigkeitskommunikation wird sicher ein spezielles Augenmerk liegen.

Worauf sollten Bewerber bei ihrem Pitch besonders achten?

Ich denke, es ist entscheidend, die Jury mehr oder weniger innerhalb von wenigen Sekunden auf seine Seite zu ziehen und zu überzeugen. Die Kunst dabei ist natürlich, das Thema innerhalb von kürzester Zeit so auf den Punkt zu bringen, dass es direkt funkt. Und am Ende interessiert mich natürlich auch: Was hat es eigentlich gebracht? Die konkreten Ergebnisse sind mir schon wichtig. Und am Ende muss die Präsentation stimmig sein – die Bewerber sollten möglichst innerhalb der ersten Minute klarmachen, warum sie der Gewinner sein sollten.