Die fließende Grenze zwischen Information und Werbung

Social Media bergen rechtliche Herausforderungen unter vielen Aspekten

„Das Internet ist für uns alle Neuland“ – Angela Merkel hat viel Spott geerntet für diesen Satz. Dabei hat er einen wahren Kern, wenn auch in einem anderen Sinne: Rechtlich bergen das Internet und die Social Media eine Reihe von Stolperfallen: Da es kein „Social-Media-Gesetz“ oder ähnliches gibt, werden Vorschriften und Urteile aus vergleichbaren Bereichen der „alten Medien“ auf die neuen Sachverhalte angewendet. Daher gilt es insbesondere für die Nutzung der zahlreichen neuen Kanäle für Werbung und Öffentlichkeitsarbeit, sich die Risiken vor Augen zu führen. Neben dem Datenschutzrecht haben hier vor allem das Urheberrecht (UrhG), das die Rechte an den verbreiteten Inhalten betrifft, und das Gesetz gegen den Unlauteren Wettbewerb (UWG) Bedeutung.

Trennung von Redaktion und Werbung

So gilt zum Beispiel das Gebot der Trennung von redaktionellen Inhalten und Werbung auch in den neuen Medien. Das haben Gerichte etwa anlässlich des Falls getarnter Werbung in Wikipedia klargestellt. Genauso wurde, wenig überraschend, der Kauf von Nutzerbewertungen als unzulässig angesehen. Auch die allseits beliebte „virale Werbung“ kann im Einzelfall ebenso kritisch sein; die Wirksamkeit dieser Werbeform beruht ja gerade auf dem Prinzip, dass sie „den Werbecharakter von geschäftlichen Handlungen verschleiert“, wie es im Wortlaut des Gesetzes heißt. Auch das Telemediengesetz und der Rundfunkstaatsvertrag schreiben die Kenntlichmachung von Werbung vor.

Haftung für Aussagen Dritter

Unternehmen müssen sich im Internet auch Äußerungen Dritter zurechnen lassen. So wurde eine Rechtschutzversicherung verurteilt, deren IP-Adresse einem auffallend positiven, vermeintlich privaten Kommentar in einem Blog über solche Versicherungen zugeordnet werden konnte. Ein Autohaus haftete gar für einen Post eines Mitarbeiters auf dessen privater Facebook-Seite: er hatte dort ein Auto angeboten – ohne Wissen des Autohauses, aber unter Angabe seiner geschäftlichen Telefonnummer. Das Gericht argumentierte hier, dass der Mitarbeiter seine geschäftliche Tätigkeit zugunsten des Autohauses in den privaten Bereich trug. Da sein „Angebot“ nicht die vorgeschriebenen Verbraucherinformationen enthielt, war das Angebot wettbewerbswidrig.

Rechte an Daten und Kontakten

Richtig problematisch kann die Frage werden, wem denn eigentlich die mit einem Social Media-Account verbundenen Kontakte „gehören“. Beispiele sind der Vertriebsmitarbeiter, der seine Geschäfts- aber auch private Kontakte über XING pflegt, oder Unternehmenssprecher, die ihren Twitter-Account bzw. die Follower gerne mit zum neuen Arbeitgeber nehmen würden – in solchen Fällen kann, etwa zum Ende des Arbeitsverhältnisses, Streit darum aufkommen, ob das Unternehmen die Daten bekommen bzw. der Ausscheidende sie selbst weiter nutzen darf. Die Entscheidung hängt sehr stark vom Einzelfall ab: Art des Accounts, des Inhalts, der Kontakte bzw. Daten, wer trägt die Kosten und so weiter. Eine abstrakte Prognose über den Ausgang von Streitigkeiten ist daher nicht möglich. Und somit folglich eine vertragliche Vereinbarung im Vorfeld zu empfehlen.

Verstöße können teuer werden

Nach dem Urheberrecht kann grundsätzlich nur der in seinen Rechten verletzte Rechtsinhaber Ansprüche geltend machen, was das Risiko einer Inanspruchnahme oft minimiert. Im Wettbewerbsrecht können aber auch Verbraucherverbände und Wettbewerber Gesetzesverstöße geltend machen und insbesondere im Wege der Abmahnung und der einstweiligen Verfügung angreifen. Für viele Unternehmen ist das ein durchaus scharfes Schwert, das dem Wettbewerber spürbar schaden kann – schon ein fehlendes Impressum kann teuer werden.

Mit Tempo Schritt halten

In den sozialen Medien warten also zahlreiche Risiken auf Unternehmen – dennoch können und wollen die meisten Unternehmen auf deren Nutzung verzichten. Sie sollten sich dann bei der Risikobewertung ihres Tuns die rechtlichen Stolpersteine verdeutlichen und dabei vor allem bedenken, dass die Zahl der Kommunizierenden und die Geschwindigkeit der Kommunikation enorm gestiegen sind, während die Grenzen zwischen beruflich und privat häufiger verschwimmen. Neben den inzwischen oft extra dafür eingestellten Mitarbeitern aus Kommunikation und Marketing kann in vielen Fällen praktisch jeder Mitarbeiter als „Botschafter“ des Unternehmens auftreten.

Regeln vermeiden Konflikte

Was ist, wenn für einen lobenden Beitrag nicht bezahlt wurde, sondern ein Mitarbeiter nur seine private Meinung über seinen Arbeitgeber oder dessen Produkte mitteilen wollte? Und er das ungeschickt getan hat oder über seinen Dienstrechner – sofern es den noch gibt und sein Arbeitgeber nicht ohnehin gestattet, eigene Geräte zu nutzen? Hinzu kommt, dass immer mehr Firmen ihren Mitarbeitern die Nutzung von Social Media auch während der Arbeitszeit ermöglichen oder sie gar fördern – während eine Untersagung außerhalb der Arbeitszeit ohnehin unmöglich ist.

Immer mehr Unternehmen geben ihren Mitarbeitern daher Richtlinien für jegliche Nutzung von Social Media an die Hand, die private und dienstliche. Damit kann ein Arbeitgeber die Haftung für das Verhalten seiner Mitarbeiter zwar nicht ausschließen, aber er kann das Risiko verringern, dass teure Fehler passieren. Daher orientieren sich solche „Social Media Guidelines“ im besten Falle am individuellen Risikoprofil des Unternehmens, gehen aber im Kern meist auf wichtige, einfache „Goldene Regeln“ zurück:

  • Gefahr erkannt, Gefahr gebannt: Entwickeln Sie ein Risikobewusstsein!
  • „Think first“: Erst denken, dann handeln!
  • Du sollst nicht lügen: Halten Sie sich an Tatsachen!
  • Vorbereitet sein: Prüfen Sie Quellen und halten Sie Belege vor!
  • Du sollst nicht stehlen: Holen Sie Rechte an Bildern und Texten ein!
  • Was Du nicht willst, dass man Dir tu: Versetzen Sie sich in Betroffene hinein!
  • „Keep Smiling“: Bleiben Sie freundlich und sachlich!
  • Eile mit Weile: Lassen Sie sich nicht hetzen!
  • Vier Augen sehen mehr als zwei: Holen Sie im Zweifel Rechtsrat ein!
  • Reden ist Silber, Schweigen ist Gold: Legen Sie fest, wann sie besser nicht kommunizieren!

Dieser Beitrag erschien zuerst in der gedruckten Ausgabe Mittelstandskommunikation. Das Heft können Sie hier bestellen.

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