Der transparente Burger

„Stimmt es, dass eure Gürkchen aus genmanipulierter Baumwolle bestehen?“, möchte Ian B. auf der Internetseite „frag.mcdonalds.de“ wissen. Es ist eine von über 1.000 Fragen der neuen Kampagne „Unser Essen. Eure Fragen“, die das Unternehmen im Juli gestartet hat. Sie zielt darauf ab, die Qualitätswahrnehmung von McDonald’s Deutschland zu stärken und Gerüchte argumentativ zu entkräften. Beim Lesen der Gürkchenfrage musste auch Nicolas von Sobbe, Senior Department Head of Corporate Affairs und stellvertretender Pressesprecher des Fastfood-Riesen, schmunzeln. Alles in allem sei man aber nach vielen Jahren im Kundenservice von den Mythen, die sich um das Essen des Burgerkonzerns ranken, kaum noch zu überraschen.

Das Prinzip der Kampagne ist simpel: Auf der seit Anfang Juli freigeschalteten Webseite tippt man eine Frage von maximal 140 Zeichen in ein Textfeld, meldet sich über seinen Facebook- oder Twitteraccount an und wird informiert, wenn das McDonald’s-Team geantwortet hat. Bedingung ist, dass sich die Frage mit dem Essen beschäftigt. Alle Fragen und Antworten werden auf der Seite gesammelt und sind für jeden einsehbar.
Herbert Wirths, Gründer der auf Food-Kommunikation spezialisierten Agentur Wirths-PR, wundert McDonald’s Streben nach mehr Transparenz nicht. „Gerade von großen Unternehmen erwartet der Verbraucher mehr Rechenschaft als von der kleinen Frittenbude an der Ecke.“ In der Gastronomiebranche seien Konsumenten besonders kritisch.

So kam es zu der Kampagne

Nach dem Einsatz sogenannter „Qualitätsscouts“ ab 2005 und einer Kampagne zur Herkunft der Lebensmittel 2011 habe man entschieden, „den Gast stärker einzubinden, indem wir ihm die Möglichkeit geben, seine individuelle Frage zu unserem Essen beantwortet zu bekommen“, so von Sobbe. Diese neue Form des Dialogs werde auch bereits in anderen McDonald’s-Märkten für die Qualitätskommunikation eingesetzt. Als Vorbild diente die Kampagne „Our Food. Your Questions“ von McDonald’s Kanada. An Beispielen hierzulande wie dem Twitterservice der Bahn oder „Telekom hilft“ hat man sich laut von Sobbe nicht orientiert. Während es sich hierbei um eine Neuübersetzung von Kundenservice handele, wolle McDonald’s mehr: „Einerseits gibt es Kundenserviceelemente, zum anderen wird eine Community geschaffen, in der Wissen für eine breitere Masse zugänglich gemacht wird – in der Art ‚Wikipedia meets Social Media meets Kundenservice’.“  Nach sechs Wochen Laufzeit ist inzwischen die Marke von 5.000 Fragen erreicht worden. Von Sobbe zeigt sich mit den bisherigen Zahlen zufrieden. 

Nicht der Inhalt, sondern die Art, in der viele Fragen formuliert wurden, hat von Sobbe überrascht. Den Tenor der Fragestellung, teils augenzwinkernd, teils trocken und häufig angriffslustig, will McDonald’s weitgehend aufgreifen. Als Beispiel nennt von Sobbe die Frage eines Kunden, ob er seine Ziege ins Restaurant mitnehmen dürfe. Das Team antwortete, er solle dies besser lassen, da der Salat zu kostbar sei, um von dem Tier gefressen zu werden.

Ein paar Spielregeln gibt es laut von Sobbe aber schon: „Wer uns beleidigt oder kränkt, muss damit rechnen, dass er seine Frage nicht beantwortet bekommt.“ Bisher sei dies noch nicht vorgekommen. Außerdem würden auch Fragen mit Verweis auf den Kundenservice abgelehnt, die sich nicht um das Thema „Essen“ drehen.
Der Wunsch ist, auf der Seite kurz, prägnant und schnell – bestenfalls noch am selben Tag – zu reagieren. Beantwortet werden die Fragen von einem gemischten Team. Hauptsächlich besteht dieses aus Mitarbeitern der Kommunikationsagentur Lessing von Klenze. Bereits im Vorhinein wurden mögliche Fragen und Antworten entwickelt. Tauchen neue Fragen auf, so werden sie von der McDonald’s-Kommunikation in Zusammenarbeit mit den Fachbereichen recherchiert und bearbeitet.

Ältere Kunden  ausgeschlossen?

Durch die Fixierung auf soziale Netzwerke werden jedoch viele – vor allem ältere – Kunden ausgeschlossen. Um diese macht sich von Sobbe keine Sorgen. Der klassische Kundenservice bestehe schließlich auch weiterhin. Dessen Anonymität habe man mit der Plattform bewusst entgegenwirken wollen. Alles soll transparent sein, für jeden ersichtlich. Die gesamte „Community der Qualitätsinteressierten“ solle den Überblick behalten, daher auch die Möglichkeiten, einer Frage zu „folgen“, also über die Beantwortung der Frage eines anderen benachrichtigt zu werden und Fragen an seine Freundesliste zu verteilen. Transparent wird so aber auch der Kunde selbst. Schließlich muss man sich – unter Offenlegung persönlicher Daten – zunächst in ein soziales Netzwerk einloggen, um eine Frage zu stellen. Auch Agenturgründer Wirths sieht diesen Umstand kritisch: „Warum sollte ich beispielsweise meine Freundesliste preisgeben? Das geht einen Schritt zu weit. Und warum überhaupt die eingeschränkte Reichweite? Nicht jeder ist in sozialen Netzwerken unterwegs.“

Die Kürze der Fragen von 140 Zeichen erklärt von Sobbe mit dem „Social-Media-Charakter.“ Der Dialogaustausch solle ein Ping-Pong-Spiel bleiben. Auch das Unternehmen stehe vor der Herausforderung, kurz und ohne Umschweife zu antworten. Bei manchen Fragen geht das Konzept auf. So zum Beispiel, wenn danach gefragt wird, ob die Hamburger-Brötchen aus Papier bestehen und McDonald’s über die tatsächlichen  Zutaten aufklären kann. Dass das knappe Hin und Her sich oft aber zulasten der Genauigkeit und Aussagekraft der Antworten auswirkt, wird besonders bei offenen und kritischen Fragen deutlich. Auf seine Frage „Viele Kinder in Deutschland sind übergewichtig. Warum sollten Kinder bei McDonald’s essen?“ erhält Maximilian E. die Antwort, man sei sich dieses gesamtgesellschaftlichen Problems bewusst und biete auch Wraps und Salate an. Dazu gibt es einen Verweis auf Nährwerttabellen. Alexandra U. bekommt auf die Frage, wie viele Kilo Lebensmittel täglich von McDonald’s weggeschmissen würden, die schwammige Antwort, man wisse es nicht, achte aber darauf, nur wenig Essbares zu entsorgen.

Wirths kritisiert zudem, man erfahre zu wenig über das virtuelle Gegenüber hinter dem goldenen M: „Könnte ich Namen und Bild sehen und darüber hinaus noch etwas über Position und Qualifikation erfahren, hätte ich als Kunde größeres Vertrauen in die Antworten.“ Bisher sei nicht abzuschätzen, auf wie viele Fragen es sich täglich einpendele und wie viele Teammitglieder dauerhaft für die Antworten benötigt werden, erklärt von Sobbe. Es sei daher verfrüht, schon jetzt Personen namentlich einzuführen.

Transparenz mit Unterhaltungseffekt

Neben der Weitergabe von Informationen zielt „Unser Essen. Eure Fragen“ noch auf etwas anderes ab. „Die Plattform soll auch gut unterhalten“, sagt von Sobbe – mehr, als eine One-to-One-Kundenkommunikation es könnte. Knapp drei Minuten halte sich der Durchschnittsbesucher bereits auf der Webseite auf. Wer Bauchschmerzen in Hinblick auf Datenschutz bekommt, hat zwei Alternativen: zum einen den Kundenservice und zum anderen die Fragestellung per E-Mail „in Ausnahmefällen“. Immerhin verpflichtet sich der Fragende auf „frag.mcdonalds.de“, dem Unternehmen seinen Avatar, den Vornamen, den Anfangsbuchstaben des Nachnamens und die Region, in der er lebt, zur Verfügung zu stellen.

Der Spezialist für Food-Kommunikation Herbert Wirths bemängelt das Fehlen einer Möglichkeit, direkte Rückfragen zu Antworten zu stellen: „Der Grund, aus dem ich ein Infotelefon oft eleganter finde, ist, dass der Konsument noch einmal  gezielt nachhaken kann. Schließlich ergibt sich aus einer Antwort oft die nächste Frage.“ Eine solche Funktion ist laut von Sobbe für die Zukunft nicht ausgeschlossen, man sei aber derzeit weder technisch noch personell in der Lage, dies umzusetzen. „Was wir vermeiden möchten, ist, dass wir wie auf Facebook unstrukturierte, offene Diskussionen bekommen, in denen User häufig zu reinen Beobachtern von Zwiegesprächen werden“, so von Sobbe.

Von Sobbe ist sich sicher, man habe mit dem Projekt „einen Nerv getroffen“. Auch für die Marktforschung ist interessant, was im Portal angeregt wird. So zum Beispiel die gehäufte Nachfrage nach glutenfreien Burgern. Sie verdeutlicht: An dem Thema muss McDonald’s dran bleiben.

Note mangelhaft von Foodwatch

Aber wie groß ist der Wille zur Transparenz wirklich? Martin Rücker, Pressesprecher der Organisation Foodwatch, ist von dem Konzept der Internetplattform nicht überzeugt. „Die Konsumenten wollen die wesentlichen Informationen nicht erst auf Nachfrage, sondern natürlich dort, wo sie die Produkte kaufen.“ Eine Internetseite biete dafür keinen Ersatz. Schließlich erreiche man durch das Portal nur eine Handvoll Kunden. „Wenn McDonald’s seinen Kunden in den Restaurants wichtige Informationen über die Produkte vorenthält, scheint das vorgebliche Interesse an Transparenz eher eine Marketing-Aktion zu sein“, resümiert Rücker.
Er selbst hat auch eine Frage auf der Seite gestellt. Warum man in den Restaurants nicht darüber informiere, welche Produkte mit Hilfe von Gentechnik hergestellt werden, wollte er wissen. McDonald’s antwortete, man informiere darüber nicht, weil es hier nichts mitzuteilen gebe. Man verwende keinerlei gentechnisch veränderte Zutaten. Nur beim Futter der Rinder könne man das nicht lückenlos überprüfen. Rückers Urteil: „Transparenz: Note mangelhaft. McDonald’s beansprucht offenbar die alleinige Deutungshoheit über die Frage, welche Informationen relevant sind und welche nicht. Fest steht, dass McDonald’s-Produkte mithilfe von genverändertem Futter hergestellt wurden – aber wo der Konzern besser davon lebt, nicht zu informieren, sagt er einfach: Hier gibt es nichts mitzuteilen, basta.“

Von Seiten der Kunden sei bisher keine Kritik an der Plattform geäußert worden, sagt von Sobbe. Zudem wolle man die Restaurantkommunikation künftig anpassen, auf Tischen und im Eingangsbereich Informationsmaterial bereitstellen. Eine Online-Werbekampagne laufe derzeit bereits.
Solange die Verbraucher Interesse zeigen, bleibt die Webseite bestehen, so von Sobbe. Aufgrund der stetigen Auffrischung des Menüangebots, zu der wieder neue Fragen entstehen, mache er sich darüber aber keine Sorgen. Dass es in Zukunft auch Portale zu anderen Themen geben könnte, schließt McDonald’s nicht aus. Eine „gut vernetzte Online-Welt, in der es moderne Angebote zu verschiedenen Themenkomplexen gibt“, könne man sich vorstellen.

Mittelfristig sei aber zunächst das Thema Essen zu etablieren. Schließlich gibt es hier offensichtlich noch Aufklärungsbedarf. Als Antwort auf die Frage nach den genmanipulierten Baumwoll-Gürkchen schrieb McDonald’s übrigens: „Nein, die Gurken in unseren Produkten bestehen natürlich nicht aus Baumwolle, das würde ja auch gar nicht schmecken. Es sind tatsächlich ganz normale Gurken.“

Dieser Beitrag erschien zuerst in der gedruckten Ausgabe Frauen in der PR. Das Heft können Sie hier bestellen.

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