Das Paradoxon der sprachlosen Sprecher

Zuckerbrot und ­Peitsche

In der Abwechslung liegt der Reiz des Spiels! Und bei PR-Leuten gibt es so große Unterschiede wie zwischen Boulevard-Journalist und Feuilleton-Edelfeder. 

Als Student der Wirtschafts- und Gesellschaftskommunikation an der Universität der Künste in Berlin habe ich gelernt, PR meint: Tue Gutes und rede darüber.

Das mit dem Guten ist längst nicht mehr glaubhaft. Versuche, dein Unternehmen, dein Produkt, deine Politik oder was auch immer, so gut es geht zu vermarkten. Bringe nur die Vorzüge, gern auch leicht überhöht, auf den Markt der Meinungen.

Nach dem Studium habe ich kurz als PR-Schreiber für die Halbstadt West-Berlin gearbeitet und gelernt, dass in der Branche vieles auch halblegal funktionieren kann. Senatsgel­der wurden nicht immer korrekt angelegt oder ausgegeben. Informationen durften auch mal Halbwahrheiten sein. Vergangenheit, verjährt. Schließlich wechselte ich die Seiten, ging zum öffentlich-rechtlichen Rundfunk. Jetzt gehörte ich ja zu den „Guten“. PR galt als Journalismus zweiter Klasse. Und doch sind sich bis heute Heerscharen von Journalisten nicht zu schade, ganze Passagen aus PR-Texten zu übernehmen. Oder sich einladen zu lassen, auf eine Informations-Tour oder ein Arbeitsessen.

Persönliche Beziehungen spielen weiterhin eine wichtige Rolle. Schließlich öffnen PR-Leute auch Türen, verschaffen Drehgenehmigungen oder „Unter drei“-Infos. Alles berechtigt.

Ich verstehe, wenn Unternehmen durch ihre PR ein besonderes Image verkaufen wollen. Ich verstehe nicht, wenn andererseits hochbezahlte Pressesprecher sprachlos bleiben, weil die Fragen ihnen nicht in den Kram passen. Wie schrecklich war für Journalisten die „Schweigepflicht“ der BER-Flughafen-PR in Berlin. Das Gleiche gilt für die PR großer Einzelhandels­ketten oder Banken, die „zumachen“. Und trotzdem „Pressesprecher“ beschäftigen. Diese sollen allerdings Öffentlichkeit verhindern, sind PR-Prellböcke für unbequeme Journalisten. Diese Leute machen uns in den Redaktionen das Leben manchmal schwer. Peitsche und nochmal Peitsche.

Zuckerbrot für Kollegen, die Medien die verwertbaren, verlässlichen Informationen liefern und mit denen wir auf der Basis gegenseitigen Vertrauens zusammenarbeiten können.  Auch bei einmaligen PR-Aktionen. Denn man sieht sich immer zweimal.

 

Dieser Beitrag erschien zuerst in der gedruckten Ausgabe KREATIVITÄT. Das Heft können Sie hier bestellen.

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