Am Anfang steht das Wort

Reden schreiben, Reden halten

Gerade wenn man für jemanden schreibt, der nicht viel Zeit hat, sich einen Text genau anzusehen, bevor er vorgelesen wird, ist es ganz wichtig, wie der Text aufgeschrieben ist. Macht sich der Pressesprecher da ein bisschen Arbeit, ist es für den CEO oder die Politikerin deutlich leichter, daraus eine solide Rede zu machen.

Am schlechtesten geeignet ist Fließtext, auch wenn man Absätze einbaut. Ein Blick nach oben und der Redende verliert den Faden. Außerdem prägt sich das in der Vorbereitung nicht gut ein:

Das Ziel ist die Sicherstellung eines kontinuierlichen Updates des Führungs- und Managementwissens der Top Excecutives vor dem Hintergrund aktueller unternehmensstrategischer Herausforderungen, sowie Unterstützung und Begleitung der fachlichen und persönlichen Weiterentwicklung.

Das ist ein leicht verändertes Original, das so nicht sprechbar ist. In einem ersten Schritt gehören die Substantivierungen so weit wie möglich raus. So praktisch die in einem geschriebenen Text sind, so problematisch sind sie in gesprochenem Text. Verben sind dynamisch, Substantive schwerfällig und umständlich.

Es geht also nicht um die Sicherstellung, sondern darum, etwas sicherzustellen, es geht nicht um Updates, sondern darum, etwas auf dem neuesten Stand zu halten, und es geht nicht um Unterstützung und Begleitung und Weiterentwicklung. Außerdem sind die Sätze zu lang. Das Maximum für Sätze, die gesprochen werden sollen, liegt bei 14 Wörtern oder eineinhalb Zeilen, je nach Fähigkeiten des Vortragenden.

Wir haben ein Ziel. Wir müssen das Führungs- und Managementwissen der Top Executives sicherstellen. Wir dürfen dabei vor allem nicht vergessen, alles auf dem neuesten Stand zu halten. Das ist besonders wichtig, weil wir vor Unternehmensstrategischen Herausforderungen stehen. Ebenso wichtig ist es, die fachliche und persönliche Weiterbildung zu unterstützen und zu begleiten.

Es gibt Führungskräfte oder Politikerinnen, die bestehen auf Reden, die ausschließlich aus ganzen und grammatisch richtigen Sätzen bestehen, auch wenn wir im täglichen Gespräch gegen Grammatikregeln verstoßen. Schreibe ich aber für einen Redenden, der mit Halbsätzen und Ausdrücken ohne Verb umgehen kann, habe ich noch mehr Möglichkeiten. Außerdem sollte man mit jedem Satz eine neue Zeile beginnen. Das ist deutlich leichter zu lesen.

Unser Ziel?
Wir müssen das Führungs- und Managementwissen der Top Executives sicherstellen.
Nicht zu vergessen alles auf dem neuesten Stand zu halten!
Wir stehen vor großen unternehmensstrategischen Herausforderungen.
Deswegen ist das gerade jetzt besonders wichtig.

Das hat für den Autor oder die Autorin der Rede den weiteren Vorteil, dass er oder sie sehen kann, wenn Sätze klappern, also wenn aufeinanderfolgende Sätze dieselbe Länge und denselben Rhythmus haben. Dann sind sie nämlich deutlich schwerer zu lesen.

Jeder Satz beginnt linksbündig. Das Unterbewusstsein nimmt die Länge des Satzes wahr, und es ist eindeutig, wie weit der Gedanke geht. Außerdem wird dadurch verhindert, dass der Redner die Satzenden immer nach oben zieht. Er weiß, dass am Ende der Zeile (oder in der nächsten Zeile, wenn der Satz länger ist) ein Punkt folgt und dass es mit dem nächsten Satz wieder neu weitergeht. Und die unnatürlichen Pausen werden vermieden. Bei einem typischen Satz, der vorgelesen wird, macht der Vorlesende die Pausen unabhängig vom Sinn.

Unsere Marktposition
in unseren Kerngeschäften
haben wir im vergangenen Jahr
behauptet
oder sogar ausgebaut.

Das klingt wie schlechter Leseunterricht in der Schule. Die Begeisterung der Massen dürfte so schwieriger werden. Wenn aber der Autor gleich so aufschreibt, dass ich sehe, wie weit der Gedanke geht und wo der nächste Punkt kommt, ist das deutlich leichter vorzulesen.

Für geübte Redende können Stellen im Text eingebaut werden, die je nach Situation frei erzählt werden. Man sollte den Hinweis auf eine Geschichte grafisch nur deutlich absetzen. Ist der Redner sehr nervös, lässt er die Geschichte aus, hält sich die Spannung in Grenzen, wird die Geschichte erzählt.

Checkliste für das Schreiben

  1. Immer nur eine Seite beschreiben und die groß genug. Zu große Schrift ist immer besser als zu kleine.
  2. Doppelzeilig schreiben, so kann der Redner jederzeit Sprechzeichen einfügen.
  3. Die Seiten haben einen breiten Rand, damit die Finger keinen Text verdecken.
  4. Papierqualität mindestens 100 Gramm und alle Seiten deutlich sichtbar nummeriert. Die Chefin geht nicht mit verknickten Blättern nach vorne.
  5. Das Manuskript darf ruhig in einer schweren Ledermappe liegen. Wissenschaftler sagen, dass es dann wichtiger wirkt.
  6. Zwei Tage vor der Rede gibt es nur noch ein Exemplar für den Chef mit seinen persönlichen Sprechzeichen, die nur er oder sie ändert.
  7. Lange Worte werden im Manuskript für den Redner mit Bindestrichen geschrieben.
  8. Die einzelnen Wortteile werden am besten großgeschrieben (Fussball-Weltmeister-Schaft, Eigen-Kapital-Anforderungen)
  9. Kein Satz, der auf der nächsten Seite weitergeht.
  10. Zitate sind deutlich gekennzeichnet, zum Beispiel durch eine andere Farbe. Das macht es Redenden leichter.
  11. Schwierige Wörter werden aufgeschrieben, wie man sie spricht. Besonders mit englischen Ausdrücken, die im Wechsel mit deutschen Ausdrücken auftauchen, muss man sich entscheiden und dem Redner im Text Hilfen für die Aussprache liefern (CONcept oder KonZEPT).
  12. Zahlen werden mit Punkten geschrieben (987.654.321) und runde Zahlen schreibt man am besten aus (12hundert, 5 Millionen 600tausend)
  13. Die Ablage für die Rede am Pult ist am besten so groß, dass zwei DIN A4-Seiten nebeneinanderpassen, sodass die Seite an beliebiger Stelle auf den zweiten Stapel wechselt.