„CEOs steuern? Eine Illusion!“

BDI-Kommunikationschef Holger Lösch

Acht Millionen Arbeitnehmer, mehr als 100.000 Unternehmen, über 40 Branchenverbände – wie soll man ihnen allen gerecht werden? Schon der Versuch bedeutet für den Chef einer Dachorganisation wie dem Bundesverband der Deutschen Industrie (BDI) eine enorme kommunikative Herausforderung.

Seit 2008 verantwortet Holger Lösch im BDI den Bereich Kommunikation und Marketing, seit April 2017 ist der Schweinfurter zudem stellvertretender Hauptgeschäftsführer und arbeitet sehr eng mit dem seit einem Jahr amtierenden BDI-Präsidenten Dieter Kempf zusammen.

Herr Lösch, Sie haben im BDI seit 2008 vier verschiedene Präsidenten kommunikativ positionieren müssen. Welcher Typ CEO ist eigentlich der pflegeleichteste? Der Extrovertierte oder der Introvertierte?

Holger Lösch: Es ist eine Illusion zu glauben, man könne einen CEO steuern. Es sollte auch nicht zum Selbstverständnis eines Kommunikators gehören, dies tun zu wollen. Sondern es ist vielmehr die Fähigkeit gefordert, im Interesse des Unternehmens, aber auch im Interesse des CEOs, Situationen unter kommunikativen Aspekten zu lesen – und dann die bestmöglichen Vorschläge zu machen, wie derjenige für das Unternehmen und für sich selbst in der Öffentlichkeit auftreten kann.

Bundesverband der Deutschen Industrie – das klingt zunächst mal nach der Notwendigkeit von Hemdsärmeligkeit. Braucht es das als CEO beim BDI? Bedarf es gegebenenfalls einer solchen Inszenierung?

Ach, man hat auch in der Politik die unterschiedlichsten Karrieren erlebt. Gerhard Schröder beispielsweise oder Joschka Fischer haben beide einen sehr hemdsärmeligen Umgang gepflegt, konnten aber ebenso Brioni-Anzüge tragen. Ich glaube, es geht nicht um die Frage, ob einer hemdsärmelig daherkommt oder piekfein. Sondern darum, was ein CEO in seiner Aufgabe erstens kann – und wie es zweitens gelingt, ihn in seiner Aufgabe kommunikativ optimal mit diesen Fähigkeiten auf dem Markt zu platzieren.

In einem so diversifizierten Interessensverband wie dem BDI kann bereits eine missglückte Formulierung für Unmut in verschiedenen Lagern sorgen. Macht es Kommunikation nicht fad, wenn sie ohne Ecken und Kanten auskommen muss?

Es ist ein enormer Zwiespalt für Kommunikatoren. Auf der einen Seite gibt es den Druck von Investoren, von Aufsichtsgremien, auch selbstgemachten Druck von CEOs, quasi Unfehlbarkeit zu demonstrieren. Das kann nicht hilfreich sein. Auf der anderen Seite gibt es eine Kultur, dass von diesen Entscheidern erwartet wird, dass sie hundertprozentig funktionieren, nie aus der Rolle fallen, nie auf der Spanischen Treppe einen Flasche Rotwein trinken (lacht). Ich glaube trotzdem, dass die Authentizität einer Person zu bewahren wichtig ist. Auch wenn etwa die Politik regelmäßig an dem Anspruch scheitert, jederzeit eine makellose Fassade nach außen zu wahren. Nein, Menschen haben Fehler. Die muss man ein Stück weit zulassen – auch wenn wir als Kommunikatoren unsere CEOs natürlich allzeit gut in der Öffentlichkeit dastehen lassen möchten.

Wie stehen Sie zu der These, CEOs seien heute in gewissen Branchen eine Art Popstar?

Ich halte wenig von einem Geniekult. Ich vergleiche CEOs lieber mit Dirigenten. Sie müssen ein Orchester aus vielen Individualisten dirigieren und sie brauchen eine Vorstellung, wie es am Ende idealerweise klingen soll. Steve Jobs etwa hat den Wischbildschirm ja nicht erfunden, sondern er war clever genug, Leute um sich zu scharen, die Wischbildschirme erfinden. Jobs hat dann daraus ein tolles Unternehmen mit einer tollen Marke gemacht. Aber ein CEO als Popstar? Da wäre ich als Kommunikator sehr vorsichtig. Zumal, wenn ich an diesen alten Spruch denke: „Manager des Jahres – und im Jahr darauf gefeuert.“

Inwieweit kann ein CEO in einem Verband wie dem BDI mit mehr als 100.000 Mitgliedsunternehmen Everybody’s Darling sein?

Natürlich muss ein BDI-Präsident in der Lage sein und gehört es zu seinen Aufgaben, in Zusammenarbeit mit dem Hauptamt Positionen der Industrie zu entwickeln, die dann gegenüber der Politik vertreten werden. Auch wenn es intern die eine oder andere abgestufte Meinung gibt. Unser CEO muss in der Lage sein, Konflikte klarzumachen, auszuhalten und auszumoderieren und am Ende eine Situation herbeizuführen, in der wir eine Botschaft verkünden können – auch wenn diese naturgemäß nicht immer zu hundert Prozent allen gleich gefallen kann.

 

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