„Wir befinden uns in einer Zeit des Umbruchs“

Linkedin-Sprecherin zu CEO-Kommunikation

Frau Herrmann, Sie haben auf dem Kommunikationskongress gesagt, man solle als Kommunikator den Mut beweisen, nicht jeden Trend mitzumachen. Denn nicht alle CEOs verfügen über Digitalkompetenz. Ist die verstärkte Präsenz von CEOs in den sozialen Netzwerken nicht auch ein Trend – oder mehr als das?

Gudrun Herrmann: Wir befinden uns in einer Zeit des Umbruchs: In ein paar Jahren werden die sozialen Medien ein so selbstverständliches Kommunikationsmittel sein wie heutzutage die E-Mail. In den Neunzigerjahren wurde die auch in Unternehmen noch als große Neuerung angesehen. Ich kann mich erinnern, dass während meiner Ausbildung in einem großen Verlag niemand so richtig damit kommunizieren wollte. Aber wer würde heute ernsthaft die E-Mail abschaffen wollen? Die Herausforderung wird sein, die immer neuen, verschiedenen Kommunikationskanäle gut zu managen.

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Wie sieht das Erfolgsrezept für eine gelungene CEO-Kommunikation aus?

Authentizität und Persönlichkeit müssen durchscheinen. Die große Herausforderung ist daher für Kommunikatoren, zuzulassen, dass der Chef selbst auch einmal Hand anlegt. Siemens-Chef Joe Kaeser macht es vor: Sein Tweet zu Alice Weidel im Frühjahr dieses Jahres (in dem er ihr vorwarf, mit ihrem Nationalismus dem Ansehen Deutschlands in der Welt zu schaden, Anm. d. Red.) war nicht geplant – er hat es einfach gemacht und erst danach die Kommunikationsabteilung informiert. Damit müssen Kommunikatoren umgehen können.

Gleichzeitig kam seine Äußerung gut an. Nichts ist langweiliger als eine Geschäftsführung, die über die sozialen Medien stromlinienförmige Unternehmensbotschaften herauspustet. Dafür gibt es geeignete Kanäle, beispielsweise die Unternehmensseiten.

Was ist außerdem wichtig?

Das Handwerkszeug muss sitzen. Wie ein Kommunikator muss sich auch ein CEO in den sozialen Medien ein funktionierendes Netzwerk aufbauen. Außerdem muss er wissen, für welche Themen er steht. Wenn der Fokus hier unklar ist, kommt das beim Empfänger nicht an.

Wie sieht also die Aufgabe der Unternehmenskommunikation aus, wenn sich der Vorstand in den sozialen Medien äußern will? Wie viel Einfluss kann – und sollte – sie ausüben?

Uns als Kommunikatoren kommt eine sehr schöne Aufgabe zu: Wir übernehmen eine Art Leitplankenfunktion.

Zum einen geht es um die Schulung. Wir sollten die relevanten Kanäle beherrschen und dieses Wissen kompetent weitergeben können. Und das an alle Mitarbeiter, die in den sozialen Medien aktiv sind. Sogenannte ‚Train the Trainer’-Programme sind da sehr spannend: Man behält das Wissen nicht mehr nur in der Kommunikationsabteilung, sondern gibt es an andere Abteilungen weiter und lässt damit eine wirkliche Many-to-Many-Kommunikation zu.

Und schließlich die Messung: Welche Inhalte kommen gut an, was muss man verbessern? Diese Aufgabe sehe ich immer noch sehr stark bei der Kommunikation.

Welche Führungskraft kommuniziert besonders gut in den sozialen Netzwerken?

Meine Hochachtung hat Timotheus Höttges, Manager und Vorstandsvorsitzender der Deutschen Telekom. Er legt immer wieder viel Selbstironie an den Tag. Zugleich ist bei ihm das soziale Engagement auffällig: Er äußert sich beispielsweise zu den Themen Fremdenhass und Rassismus. Und vor der Bundestagswahl rief er alle Bürger zum Wählen auf. Das hat mir sehr gut gefallen.

Zudem imponiert mir Douglas-Chefin Tina Müller, die sich als Aktivistin für Frauenrechte profiliert. Außerdem ist sie ein „Future Enthusiast“, wie sie es beschreibt. Sie geht sehr positiv an die Digitalisierung heran und kommuniziert das auch.

Und andersherum gefragt: Welcher CEO hat noch Nachholbedarf bei der Nutzung von sozialen Medien?

Namen werde ich hier natürlich nicht nennen (lacht). Ich kann aber sagen, dass ich gerade im Mittelstand noch etwas mehr Nachholbedarf sehe. Das ist auch verständlich, da hinter den CEOs in den meisten Fällen keine riesige Kommunikationsabteilung steht.

Welche Gefahren sehen Sie, wenn sich CEOs in den sozialen Medien äußern?

Jeder Mensch hat eine Lernkurve: Auch ein C-Level-Executive muss sich an eine solche Aufgabe erst einmal herantasten. Die sozialen Medien sind eine Technik, die man erlernen kann. Hier muss die Kommunikation zunächst einen guten Mittelweg zwischen Machen-lassen und Eingreifen finden.

Es kann zudem gefährlich sein, sich bei der Kommunikation nur auf eine Person zu beschränken. Möglicherweise kommuniziert man so an den Menschen vorbei. Wir stellen immer wieder fest, dass sich Nutzer auf Linkedin auch gerne mit den mittleren Managern austauschen. Auf der mittleren Ebene sind Leute eben ein wenig greifbarer: Sie haben kein enormes Jahresgehalt oder riesigen Einfluss. Unsere Nutzer denken dann: Da könnte ich in diesem Leben vielleicht auch noch einmal hinkommen, wenn ich mich anstrenge.

Und wenn, wie eingangs erwähnt, Führungskräfte gar keine Digitalkompetenz haben?

Nicht jeder Chef muss in den sozialen Medien aktiv sein. Wenn sie oder er mit dieser Art der Kommunikation nichts anfangen kann, wird das auch nicht authentisch wirken. Ich glaube aber, dass zumindest die C-Level-Ebene auch das irgendwann beherrschen werden muss. Wenn wir daraus aber einen Zwang machen, wecken wir Ängste vor der Digitalisierung – und mit Angst überwinden wir die kommenden Herausforderungen nicht.

Was Unternehmenslenker wie Dieter Zetsche oder Richard Branson richtig machen, erklärt Gudrun Herrmann auf der 2. Tagung CEO-Kommunikation am 5. Dezember 2018 in Berlin.

Gudrun asdfads

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