Bundesliga auf kommunikativer Corona-Gratwanderung

Fußball um jeden Preis?

Der deutsche Profifußball tut sich weiter schwer, eine überzeugende kommunikative Linie zum Umgang mit der Coronakrise zu finden. Aktuell sieht sich Fußball-Bundesligist 1. FC Köln Vorwürfen ausgesetzt, einem seiner Spieler einen „Maulkorb“ verpasst zu haben, nachdem dieser sich kritisch zum Umgang mit Corona-Infektionen und zu einer baldigen Saisonfortsetzung im deutschen Profifußball geäußert hatte.

In einem Interview mit dem Fernsehsender VTM hatte Kölns belgischer Spieler Birger Verstraete am Wochenende die Corona-Maßnahmen seines Vereins kritisiert.

Wenige Tage zuvor waren – im Rahmen des „Hygienekonzeptes“ der Deutschen Fußballliga (DFL) für die angestrebte baldige Wiederaufnahme des Spielbetriebs – gleich drei Angestellte des 1. FC Köln positiv auf Covid-19 getestet worden: zwei Spieler und ein Physiotherapeut.

Verstraete äußerte Unverständnis darüber, dass die restlichen Mannschaftsmitglieder angesichts der Testergebnisse nicht unter Quarantäne gestellt werden sollten. Er gehe davon aus, dass sich das Virus weiter verbreitet habe und hält eine Wiederaufnahme der Saison für „naiv“.

Nach einem Gespräch mit Vereinsverantwortlichen, darunter Horst Heldt, Sportdirektor des 1. FC Köln, vollzog Verstraete am Sonntag über die offiziellen Vereinskanäle eine kommunikative 180-Grad-Wendung. Er habe sich „aus der Emotion heraus“ falsch ausgedrückt, „so dass in der Übersetzung ein missverständlicher Eindruck entstanden“ sei. Dabei habe die Sorge um seine Freundin, die wegen einer Herz-Vorerkrankung zur Risikogruppe gehört, eine Rolle gespielt.

„Ich werde weiter im Training und im Spiel beim FC alles geben und möchte die Saison in Köln zu Ende spielen“, wird Verstraete weiter in offensichtlichem Gegensatz zu seinen ursprünglichen Aussagen zitiert. Seine besonders gefährdete Freundin werde nach Belgien zurückkehren – ein Land, das besonders schwer von der Coronakrise betroffen ist und in dem die Profivereine sogar auf ein behördliches Fußballverbot hoffen.

Klare Zielsetzung der DFL ist es, den Spielbetrieb in der 1. und 2. Fußball-Bundesliga baldmöglichst mit „Geisterspielen“ wieder aufzunehmen und die seit März 2020 unterbrochene Saison auf Basis des speziellen Hygienekonzeptes regulär zu beenden. Andernfalls sei – wegen fehlender TV-Einnahmen – das wirtschaftliche Überleben vieler Vereine gefährdet. Diese Vorstellungen treffen keineswegs auf ungeteilte Zustimmung. So übten unter anderem der SPD-Gesundheitsexperte Karl Lauterbach und der langjährige ehemalige Vorsitzende des Ethikrates, Peter Dabrock, scharfe Kritik. Dabrock bezeichnete die Pläne als „unverantwortlich“ sowie „gesellschaftlich fatal, sogar verheerend“.

Eine Entscheidung über die mögliche Saisonfortsetzung der Fußball-Bundesliga soll frühestens nach den Bund-Länder-Beratungen am 6. Mai fallen. In Frankreich wurde der Spielbetrieb 2019/2020 bereits endgültig abgesagt. In Deutschland haben unter anderem die Handball- und die Eishockey-Bundesliga ihre Spielzeiten abgebrochen, weitere Mannschaftssportarten inklusive des Amateurfußballs pausieren auf unbestimmte Zeit.

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