Betreutes Reden – die Kunst des Moderierens

Interview mit der Moderatoin Petra Neftel

Reisen wir kurz durch die Zeit, etwa 2.000 Jahre zurück. Wir sehen: Cicero in seinem Element, er hält eine Rede. Alle hängen gebannt an seinen Lippen, und egal welches Anliegen er vertritt, er weiß, wie er sein Gegenüber mit geschliffenen Worten und messerscharfen Argumenten überzeugen kann. Trotzdem: Ganz so einfach hat selbst Cicero es nicht, denn auch vor mehr als 2.000 Jahren regt sich ständig Widerstand, es wird also aufs Heftigste diskutiert, auf Rede folgt Gegenrede ad infinitum, wie der gemeine Römer zu sagen pflegt. Blickt man sich nun in der Gegenwart um, hat sich, zumindest was den Kern betrifft, nicht viel geändert. Noch immer muss man sich rund um die Uhr behaupten, auch wenn die Wortgefechte nun nicht mehr im römischen Senat, sondern in Vorstands-Meetings und Podien ausgetragen werden, und auch der Stil ist heute nicht mehr ganz das, was er im guten alten Rom einmal war. Statt theatralischer Posen, dramatischer Blicke und Gesten gen Götterhimmel wird Sachlichkeit wieder mehr geschätzt. Außerdem gibt es heutzutage jemanden, der früher vielleicht den einen oder anderen Kampf hätte mildern können – Trommelwirbel – Vorhang auf und Arena, äh Bühne, frei für: den Moderator. Applaus, Applaus!

Denn obwohl er im Grunde nur zwischen den Stühlen sitzt und es im Kern immer um die Positionen der Diskutanten geht, Vorschusslorbeeren hat er sich wirklich verdient. Ein Moderator hat eine äußerst verantwortungsvolle Aufgabe, die viel Durchsetzungsvermögen und gleichzeitig eine gehörige Portion Fingerspitzengefühl erfordert. Eine anfangs harmlose Debatte kann ohne einen fähigen Moderator schnell zum regelrechten Ringkampf werden.Zwei, drei oder gar noch mehr Parteien schwingen dann ihre Fäuste und rasseln mit den (verbalen) Säbeln. Ding, ding, ding, ding, ding! In der einen Ecke sehen Sie Titelverteidiger Müller, in der anderen Ecke Herausforderer Mayer, der dem Rivalen ohnehin längst eins auswischen wollte … Zivilisierte Kommunikation sieht anders aus, ein brauchbares Ergebnis – das eigentliche Ziel jeder Diskussion –wird zur Nebensache.

Wie man selbst in hitzigen Gesprächsrunden einen kühlen Kopf behält und was man unternehmen kann, wenn sich gar nichts tut, verrät TV-Moderatorin und Mediencoach Petra Neftel. Sie arbeitet seit Jahren erfolgreich als TV-Moderatorin, Journalistin und Mediencoach und weiß, wie man selbst die turbulentesten Gesprächsrunden zu einem glücklichen Ausgang führt.

Frau Neftel, welche ­Fähigkeit muss man als Moderator ­mitbringen?
Petra Neftel: Freude an der Kommunikation ist ganz wichtig. Wenn ich jemand bin, der Angst davor hat, mit anderen ins Gespräch zu kommen, der sich eher unwohl in solchen Situationen fühlt, dann wäre das eine ungünstige Voraussetzung. Und: Empathie. Denn ich muss verstehen, was mein Gegenüber transportieren will, und dann überlegen, wie weit ich als Moderator dabei mitgehen möchte.

Was kann ich tun gegen ­Lampenfieber?
Lampenfieber ist eine hormonelle Reaktion des Körpers, die durch Stress hervorgerufen wird. Die ersten Minuten sind am schlimmsten, wenn ich die überstehe, dann flacht das wieder ab, und das muss ich mir bewusst machen. Die Zeit kurz vor dem Auftritt sollte ich möglichst ruhig gestalten, nicht mehr viel mit anderen reden und mich auf das Kommende fokussieren. Das beste Mittel gegen Lampenfieber ist allerdings eine fundierte Vorbereitung. Wenn man sattelfest ist, beruhigt das ungemein. Auch eine klare Meinung zu dem Inhalt, um den es gehen wird, hilft, die Angst zu mindern, denn dann lässt man sich nicht so leicht aus dem Konzept bringen, und damit kann auch Nervosität nicht so schnell aufkommen.

Wie sehen typische Fallen aus?
Das Schlimmste, was passieren kann, ist, dass man die Führung verliert. Entweder, weil man sich niederbrüllen lässt oder weil man Diskutanten nicht dazu bewegen kann, auf der Bühne frei zu sprechen. In letzterem Fall fängt die Situation zu stocken an, und das kann sehr peinlich werden. Oder ganz fatal: Wenn man dem Moderator anmerkt, dass er schlecht vorbereitet ist und sich nicht ausreichend mit dem Thema auseinandergesetzt hat. Dann kann ihn niemand mehr ernst nehmen. Man darf als Moderator außerdem nicht zu penetrant werden, das zerstört den Redefluss. Die Dosis macht das Gift. Mit einer ruhigen und gleichzeitig starken Haltung schafft man es am besten.

Was tut man, wenn das ­Gespräch nicht in Gang ­kommen will?
Dann ist der Moderator sehr stark gefragt, er muss die Diskutanten reizen, kleine Bröckchen hinwerfen.Wichtig dafür ist, dass man sich vorab ausreichend informiert, vielleicht auch mit dem einen oder anderen im Vorfeld telefoniert, damit man ein ungefähres Gefühl dafür bekommt, welche Positionen überhaupt aufeinandertreffen werden. Denn dann weiß man schon vorher: Womit bekomme ich den anderen, was sind seine Triggerpunkte, wie kann ich seine Position herauskitzeln?

Was kann man ­unternehmen, wenn jemand nicht zum Punkt kommt oder ständig ­abschweift?
Das Mittel meiner Wahl: ihn zum Punkt bringen, indem ich ihn zusammenfasse. Etwa: „Wenn ich Sie richtig verstanden habe, dann ist Ihre Position das und das …“ Damit nimmt man übermäßigen Wind aus den Segeln. Außerdem gibt es Menschen, die von Exkurs zu Exkurs springen, das Wesentliche völlig aus den Augen verlieren und damit die Diskussion aufhalten. Da hilft dann meist die bekannte Broken-record-Methode: stoisch immer wieder das Gleiche sagen. Zum Beispiel: „Moment, ich möchte, dass wir bei meinem Gedanken bleiben und der war folgender – erstens, zweitens, drittens … Und ich möchte bitte, dass Sie dazu Stellung nehmen.“ Notfalls muss man das mehrere Male wiederholen. Damit kriegt man sie nach einer Zeit alle und hat dann wieder eine klare Linie.

Und was tue ich, wenn eine Partei deutlich dominanter auftritt?
Empathie ist dann enorm wichtig: Indem man sich in die Position desjenigen versetzt, der sich gerade einschüchtern lässt, indem man ihm Stichworte gibt, gezielt nachfragt und dazu auffordert, seine Position zu vertreten, animiert man den ruhigeren Part und stärkt ihn. Ansons­ten ist der Redeanteil des einen exorbitant größer als der des anderen. Und das wird auch vom Publikum immer als unfair empfunden, man muss für Ausgewogenheit sorgen.

Was kann man als ­Moderator sonst noch tun, um eine ­Gesprächsrunde professionell anzuleiten?
Als Moderator sollte man ein Gefühl dafür entwickeln, wie man einen Spannungsbogen schafft. Mit welcher Frage steige ich ein, wie lockere ich die Runde auf, gibt es einen Höhepunkt, von dem ich weiß: Da ist Zunder drin, da wird es lebendig? Auch: Was ist ein guter Abbinder? Was sollen die Menschen mit nach Hause nehmen? Und wenn es dann eben doch in eine andere, aber vielleicht auch sehr gute Richtung läuft, dann sollte man es einfach mal laufen lassen und auf den ein oder anderen Punkt verzichten. Dafür braucht man natürlich Fingerspitzengefühl und schon etwas Erfahrung. Gerade für Anfänger ist deshalb wichtig: Für den Fall der Fälle habe ich mir einen Spannungsbogen zurechtgelegt, den ich notfalls abarbeiten kann. Vorbereitung ist alles.

 

Dieser Beitrag erschien zuerst in der gedruckten Ausgabe Psychologie. Der Kommunikator und seine Rolle. Das Heft können Sie hier bestellen.

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