Neusprech? Hetze? Stimmen zur ARD-Framing-Debatte

Krisenkommunikation

Das „Framing-Manual“ der ARD ist das Kommunikationsthema der Stunde. Die Sprach- und Kognitionswissenschaftlerin Elisabeth Wehling vom sogenannten Berkeley International Framing Institute – nicht zu verwechseln mit der renommierten University of California in Berkeley – hatte das 89-seitige Gutachten bereits 2017 erstellt. Es sollte dem öffentlich-rechtlichen Senderverbund bei der Positionierung in der Gebührendebatte helfen. Für die Analyse und begleitende Workshops zahlte die ARD damals 120.000 Euro.

Nach einem Leak ist das Gutachten nun zum heiß diskutierten Thema geworden. Die Einschätzungen zu seinem Inhalt und dem Umgang der ARD damit reichen von „Skandal“ bis „völlig normal“, von „Gehirnwäsche“ bis „missverständlich“, von „hysterische Reaktion“ bis „unglücklich gelaufen“.

Der pressesprecher gibt einen Überblick über relevante Stimmen der laufenden Debatte.

Netzpolitik.org hat das Gutachten, welches bis dahin von der ARD unter Verschluss gehalten wurde, veröffentlicht – „damit sich alle Beitragszahlende aus der Originalquelle informieren können und an der Debatte informierter teilhaben können“.

(Netzpolitik.org: Wir veröffentlichen das Framing-Gutachten der ARD)

Welt Online sieht hinter dem Gutachten einen Angriff auf den freien Markt. Es würde „jede alternative Organisationsform des Fernsehmarktes verleumdet“. Von da aus sei es nur noch ein Schritt zum offenen Antikapitalismus. Das Dokument sei „ARD-Neusprech“.

(Welt Online: AfD oder ARD? Hier jedenfalls fällt die Unterscheidung schwer)

Bild (ebenfalls Axel-Springer-Verlag) sieht das ganz ähnlich und behauptet, Elisabeth Wehling habe in dem „Geheimpapier“ aufgeschrieben, „wie uns die ARD umerziehen soll“.

(Bild: So will die ARD uns umerziehen)

Mediengau (Faktenkontor) äußert sich differenzierter, jedoch ebenfalls kritisch. Die Vorwürfe unter anderem: Wehling „stülpt der Anstalt Argumente über“, die ARD würde ihre Gebührenzahler zu Gegner erklären und bei dem Gutachten handele es sich um eine „Manipulationsanleitung, die missverstanden werden kann – und wird“.

(Faktenkontor.de: Krisen-PR: Lass’ Dich nicht beim Griff in die Kekskiste erwischen!)

Stefan Niggemeier von Uebermedien hält Wehlings Dokument zwar ebenfalls für „ein misslungenes Papier“, bezeichnet die Debatte darüber jedoch als „absurd“. In einer ausführlichen Analyse des Gutachtens identifiziert er zahlreiche Kritikpunkte und Auffälligkeiten, konstatiert jedoch auch: „Die Gegner der ARD in den vermeintlich seriösen Medien haben wenig Hemmungen, falsch und unfair zu spielen – zu foulen.“

(Uebermedien: Eine absurde Debatte um ein misslungenes Papier)

Die Süddeutsche Zeitung geht mit den Kritikern der ARD und des Wehling-Gutachtens noch härter ins Gericht: „Die ARD wird dämonisiert, weil sie nicht auf die Sprachtricks von Populisten hereinfallen will. Kritiker sprechen von ‚Umerziehung‘ und ‚Neusprech‘. Das ist perfide.“

(Süddeutsche Zeitung: Wer will in einem Land leben, in dem Fox News den Diskurs prägt?)

Meedia hält die Debatte rund um das „Framing-Manual” für „völlig entgleist“ und sieht die Sendeanstalt als mindestens mitverantwortlich. Es sei „einigermaßen atemberaubend, wie falsch die ARD-Oberen die Brisanz“ des Dokuments eingeschätzt hätten. Auf die Frage, was die ARD hätte anders machen sollen, laute die Antwort: „So ziemlich alles.“

(Meedia: Wie die ARD die Debatte um das “Framing-Manual” anheizt, ohne es zu merken)

Elisabeth Wehling selbst veröffentlichte mittlerweile eine „Klarstellung“. Ihr Dokument sei gedacht „als interne Arbeits- und Diskussionsunterlage (…), um damit eine breite Grundlage an Optionen zu haben“. Daher fänden sich auch Formulierungen und Gedanken in dem Papier, „die keineswegs als Empfehlung anzusehen sind“.

(Elisabeth Wehling: In eigener Sache: Klarstellung zur aktuellen Debatte)

Auch die ARD äußerte sich, um Schadensbegrenzung bemüht. Generalsekretärin Susanne Pfab erklärte, bei dem Gutachten handele es sich nicht um eine Sprach- oder gar Handlungsanweisung. Außerdem lehne sie persönlich bestimmte Begriffe aus dem Papier – wie etwa „medienkapitalistische Heuschrecke“, „Profitzensur“ oder „ungezügelter Rundfunkkapitalismus“ – klar ab.

(ARD: Was hat es mit dem sogenannten „Framing Manual“ auf sich?)

P.S.
Wie das Online-Magazin Salonkolumnisten recherchierte, gehört Elisabeth Wehlings „Berkeley International Framing Institute“ entgegen ursprünglicher Annahmen nicht zur University of California in Berkeley. Vielmehr handele es sich um ein „ominöses Institut, dem Wehling angeblich vorsitzt“ und über das ansonsten wenig bekannt sei.

(Salonkolumnisten: Das seltsame Institut der Elisabeth Wehling)