Arbeiten im Urlaub?

Work-Life-Balance

„Saubere Übergaben sind gefragt“

Dirk Benninghoff ist Chefredakteur bei der Agentur Fischer-Appelt

Dirk Benninghoff (c) Fischer-Appelt

Was ich aber selber mache: regelmäßig E-Mails scannen. Das erleichtert die Rückkehr ins Berufsle­ben und erspart einem den endlosen Kampf mit dem Posteingang. Man ist bei Neuigkeiten in der Firma auf dem Laufenden und muss sich nicht alles erarbei­ten. Bei meinem letzten größeren Urlaub in Florida traf nach wenigen Tagen die News ein, dass Fischer-Appelt die Agentur Philipp und Keuntje übernimmt. Ich fand es schon gut, dass ich zeitig informiert war.Zeit gilt ja inzwischen als wertvolles Gut und so würde ich im Urlaub so wenig wie möglich davon verschwenden. Wer von vorneherein im Stand-By-Modus ist, ohne dass ein Projekt seine dringende Mitarbeit benötigt, hat nicht begriffen, wofür Urlaubszeit ein­gesetzt werden sollte.

Von meinen Leuten erwarte ich keine Erreich­barkeit, sondern dass sie Projekte sauber und lücken­los übergeben oder abgeschlossen haben, bevor sie in den Urlaub gehen. Dann ist ihre Erreichbarkeit meist nicht vonnöten. Was ich auf jeden Fall vermeide, sind vermeintlich lockere, aber unterschwellig Druck auf­bauende Anfragen wie: „Du, wie das Leben so spielt: Gerade ist eine attraktive Pitch-Anfrage reingekom­men. Vielleicht haste ja Lust, dir im Urlaub schon mal ein paar Gedanken zu machen.“ Sowas ist das Letzte.

Dass man durch E-Mails, Social Media und Inter­net in den Ferien nicht wirklich raus ist, ist ja nur eine Seite der Medaille. Wir gehen da oft von einer Art Zwang aus. Aber die Leute nutzen die Kanäle ja auch, weil es ihnen Spaß bringt und es interessant ist. Das sollte man sich im Urlaub nicht nehmen lassen.

„Work-Life-Balance ist individuell“

Maximilian Heiler leitet die Kommunikation bei Swiss Life Deutschland

Maximilian Heiler (c) Swiss Life Deutschland

Ich bin überzeugt, dass Menschen dann Bestleistungen im Job erzielen, wenn sie auch in ihrem privaten Umfeld glücklich sind – und dazu gehört abzu­schalten, offline zu gehen und Kopf und Herz dem zu widmen, was einem wichtig ist. Urlaub dient der Erholung und dem Ausgleich zur Arbeit.

Andererseits ist eine Work-Life-Balance aber auch eine sehr individuelle Sache: Den einen macht mehr Freizeit glücklich, ein anderer möchte auch am Feierabend News checken oder will nicht am ersten Arbeitstag nach dem Urlaub Stunden mit der Sich­tung seiner Mails verbringen. Wir bei Swiss Life haben den Grundsatz, Menschen dabei zu helfen, selbstbestimmt zu leben. Das gilt für Kunden und Mitarbeitende gleichermaßen.

Dabei fördern wir vor allem die Eigenverantwortung unserer Teams. Das gilt ganz besonders in der Kommunikation. Da braucht es keine spezielle Policy oder starre Regeln, dafür aber Übergaben, Zeit­pläne und gegenseitigen Austausch. Gute Kommuni­kation zeichnet sich auch durch schnelle Reaktions­zeiten aus. Natürlich ist es unser Anspruch, jederzeit für Journalisten ansprechbar zu sein. Wir sind gut organisiert, arbeiten mit Rufumleitungen und ver­treten uns gegenseitig. Wissen, das nur einer in sich trägt, wäre am Ende ohnehin nicht viel wert.

Im Sommerurlaub werde ich zwar erreichbar sein, wenn man mich braucht. Ansonsten gilt ganz klar: Ich vertraue meinem Team, übergebe Verant­wortung und freue mich auf das, was während meiner Abwesenheit entwickelt oder umgesetzt wird.

„Mein Team muss nicht erreichbar sein“

Nadine Mette leitet die Unternehmenskommunikation bei Freenet in Hamburg

Nadine Mette (c) Freenet

Arbeiten im Urlaub – ein Thema, das bestimmt in vielen Büros zu heißen Dis­kussionen führt. Ist die absolute Tren­nung von Arbeit und Urlaub richtig? Oder ist es besser, auch im Urlaub über das Dienst­handy erreichbar zu sein? Aus meiner Sicht sollte das jeder individuell entscheiden!

Ich mache das immer von der Situation abhän­gig. In meinem Jahresurlaub möchte ich in dieser Zeit den Kopf frei kriegen und den Urlaub in vollen Zügen genießen – ohne dabei mit der Arbeit konfrontiert zu werden. Das heißt: Mein Diensthandy bleibt zuhause. Wenn es im Büro wirklich mal brennt, bin ich natür­lich für mein Team oder den Vorstand über meine private Nummer erreichbar.

Anders verhält es sich im Kurzurlaub. Dann nehme ich mein Diensthandy in der Regel mit. Zwi­schendurch kurz meine E-Mails checken gehört für mich dazu wie auch sonst außerhalb der Bürozeiten. Das bringt der Job so mit sich. Ähnlich verhielt es sich bereits in meiner Agenturzeit: Damals hatte ich zwar noch nicht so eine große Verantwortung, der Blick auf das Diensthandy außerhalb der Arbeitszeit gehörte trotzdem dazu. Denn Kunden halten sich nicht immer an die Geschäftszeiten.

Jeder soll selbst entscheiden, wie er diesbezüg­lich handelt – ein Richtig oder Falsch gibt es für mich nicht. Aber ich erwarte keineswegs, dass mein Team im Urlaub erreichbar ist. Mir ist wichtig, dass jeder mit seiner Vertretung den Urlaubszeitraum abstimmt und seine To-dos lückenlos an die Vertretung über­gibt. Wird bei der Übergabe alles berücksichtigt, sind in der Regel auch im Urlaub keine Fragen offen. Jeder soll erholt und topfit aus seinem Urlaub zurückkom­men und wieder motiviert an seine Arbeit gehen. Da hilft es auch mal, völlig abzuschalten.

„Wir alle sind verzichtbar“

Thomas Kötter leitet die Unternehmenskommunikation des Flughafens Düsseldorf

Thomas Kötter (c) Flughafen Düsseldorf

Was mache ich mit einer Anfrage des pressesprecher zum Thema „Arbeiten im Urlaub“, die mich, sehr treffend, im Urlaub erreicht? Ganz klar, ich beant­worte sie – und zwar gerne und unverzüglich. So, wie ich seit jeher im Urlaub Anrufe, Mails und Social-Media-Anfragen annehme, lese, weiterleite oder bei Bedarf beantworte. Und so sitze ich auf der Terrasse, tippe diese Zeilen, während die Vögel mit ihrer immerwährenden Symphonie die Luft erfüllen und mich mit der Sommerbrise Düfte umwehen, die mir im Büro verwehrt geblieben wären.

Von meinem knapp 30-köpfigen Team würde ich niemals erwarten, dass sie im Urlaub erreichbar sind oder ihre Mails beantworten müssen. Urlaub ist Urlaub. Punkt! Für mich persönlich habe ich hinge­gen erkannt, dass es meiner Erholung nicht schadet, Teile meines Urlaubs zumindest für ein Mindestmaß an Arbeit aufzuwenden. Natürlich habe ich diesen Entschluss in dem klaren Wissen getroffen, dass sich die Welt auch dann weiterdreht, wenn ich mal nicht da bin – nicht zuletzt dank meiner tollen Kollegen im Büro. Wir alle sind verzichtbar.

Aber auch im Urlaub rufen Journalisten auf meinem Handy an, erreichen mich E-Mails und es gibt kurzfristigen Klärungsbedarf im Büro. An dem Punkt ist es dann eine Frage des Anspruchs und der Identifikation mit seiner eigenen Arbeit. Lasse ich die E-Mail im Postfach noch zwei Wochen „reifen“ oder leite ich sie schnell mit einem netten Gruß ins Team weiter oder beantworte sie kurz selbst? Wenn das eigene Unternehmen im Mittelpunkt des öffentli­chen Interesses steht, verschwimmt für Kommunika­toren an dieser Stelle die Grenze zwischen Arbeit und Freizeit. Das muss man mögen, auf jeden Fall sollte man es wissen. Für mich ist es erholsamer, wenn ich nach dem Urlaub mit einem aufgeräumten Postfach ins Büro zurückkehre, die Themenlage klar ist und ich unverzüglich wieder in den Alltag starten kann.

 

 

Dieser Beitrag erschien zuerst in der gedruckten Ausgabe ZEIT. Das Heft können Sie hier bestellen.

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