Amnesty verabschiedet sich von Negativ-Kampagnen

Lösungen im Fokus

Bisher konzentrierte sich Amnesty International überwiegend darauf, politische Führer anzuprangern, um Verbesserungen bei Menschenrechten durchzusetzen. Damit soll jetzt Schluss sein. Denn ob diese Strategie zielführend ist, wird zunehmend in Frage gestellt.

„Der Appell an die eigene Scham und der Druck der Öffentlichkeit bringen Regierungen (in der Theorie) dazu, das Richtige zu tun”, sagt Thomas Coombes, Head of Brand und Deputy Director of Communications bei Amnesty International. Doch seit 2016 gibt es eine neue Art von Politiker, solche wie Donald Trump, Jair Bolsonaro oder Rodrigo Duterte. „Ich fragte mich: Wie benennst du Probleme und appellierst an die Scham eines schamlosen Politikers?”

Tatsächlich habe die bisherige Strategie von Amnesty Populisten durch das Sensibilisieren für Krisen in die Hände gespielt. Amnesty stehe nun vor der Herausforderung „Menschenrechte populär zu machen”. Unterstützt wird die NGO dabei von Blue State, die schon für die Wahlkampfkampagne von Barack Obama zuständig war.

Die größte Veränderung werde der Abschied von negativen Botschaften sein. Das schließt den Slogan “not a criminal” ein. Denn solche Slogans seien laut Coombes kontraproduktiv. „Wir sagen immer, gegen was wir sind – aber das führt dazu, dass die Menschen Menschenrechte mit Kriminellen assoziieren.” In der Vergangenheit sei es oft nicht gelungen, klar zu kommunizieren, „was wir wollen – wir sagen beispielsweise nicht, warum Journalisten keine Kriminellen sind.”

Schockbotschaften überdenken

Um das zu ändern, will Amnesty den Fokus in der Kommunikation weg von den Rechten und hin zu den Menschen lenken. Ziel sei es, dass sich die Rezipienten zunächst als Menschen und nicht als Teil einer Gruppe oder eines Staates betrachten. Auch die Amnesty-typischen Schock-Botschaften sollen überdacht werden.

„Aus der Neurowissenschaft wissen wir, dass das Triggern von Schmerz bei den Menschen auf Ablehnung stößt. Ich sage nicht, das wir nie Menschen schocken. Doch wir brauchen ein Gespür für Dringlichkeit. Nur weil etwas Schlimmes passiert, ist es noch nicht dringlich. Schlimme Dinge geschehen jeden Tag. Dringlich wird es dann, wenn etwas Schlimmes passiert und wir eine großartige Lösung haben, die bisher nicht angewendet wurde. Wir wollen davon wegkommen, schlimme Dinge zu benennen, ohne zu sagen, was wir dagegen tun können.” Dafür wolle die NGO neben der zentralen Kommunikaton auch auf Corporate Influencer setzen.

„Politiker feiern, die das Richtige tun”

Die Marke Amnesty müsse also dazu in der Lage sein, genauso oft über Lösungen wie Probleme zu reden. Was Coombes damit meint, wird am Beispiel der Flüchtlingssituation an der US-Grenze zu Mexiko deutlich. Trump nutze eine entmenschlichende Sprache, bezeichne Menschen aus Lateinamerika als Tiere und inhaftiere sie „in Käfigen”.

„Unsere Hauptaufgabe ist es, zu entlarven, was er tut. Doch wenn wir die Menschen in diesen Käfigen zeigen, ist das eine Szene, in der man normalerweise Tiere sieht.” Für jede Story über einen Menschen im Käfig müsse Amnesty über eine andere Person berichten, die aus dem Ausland kam und sich ein tolles Leben in Amerika aufgebaut hat, einem Amerika, das sie willkommen geheißen hat. „Das bedeutet auch, dass wir bereit dazu sein müssen, Politiker zu feiern, die das Richtige tun.”

Auch die deutsche Sektion von Amnesty International ist von den Änderungen betroffen. „Die geänderte Kommunikationsstrategie unseres Haupthauses in London hat selbstverständlich auch Auswirkungen auf uns. Denn der Content, mit dem wir arbeiten, kommt zu einem sehr großen Teil aus dem Internationalen Sekretariat”, sagt Hyun-Ho Cha, Pressesprecher von Amnesty International in Deutschland.

Das mache sich unter anderem auf den Social-Media-Kanälen von Amnesty in Deutschland bemerkbar, „auf denen wir zum Beispiel mit den Videos aus London arbeiten.”

 

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