„Alternative Fakten“ und die Verantwortung der PR

Umfrage zum "Unwort des Jahres"

Trump-Beraterin Kellyanne Conway prägte den Begriff „Alternative Fakten“, als sie behauptete, zur Amtseinführung des US-Präsidenten seien so viele Feiernde auf der Straße gewesen wie bei keiner anderen Inauguration eines US-amerikanischen Staatsoberhaupts zuvor. Der Ausdruck sei seitdem aber auch in Deutschland zum Synonym und Sinnbild für eine der besorgniserregendsten Tendenzen im öffentlichen Sprachgebrauch, insbesondere in den Sozialen Medien, geworden, schreibt die Jury zur Begründung ihrer Wahl des „Unworts des Jahres“. Statt Argumente auf Faktenbasis auszutauschen, würden nicht belegbare Behauptungen zum Usus.

Was bedeutet diese Wahl für die professionelle Kommunikation? Welche Verantwortung haben PR-Verantwortliche? Wir haben Stimmen gesammelt.

Andre Wolf

Pressesprecher der Initiative Mimikama

Andre Wolf„Die Wahl zum Unwort des Jahres zeigt, wie sehr es ein fehlerhafter Begriff, der nichts anderes als die Erschaffung der Salonfähigkeit von Falschmeldungen zum Ziel hat, in unseren Sprachgebrauch geschafft hat. Fakten sind aber Fakten. Ohne Auswahlmöglichkeit. Generell sollte es so sein, dass dieser Begriff lediglich als Zitat auftauchen sollte, nicht jedoch ein angewandter Kampfbegriff sein darf. Für unsere Arbeit bedeutet es, Quellen deutlicher hervorzuheben, Dinge nicht einfach als bekannt vorauszusetzen und der Entstehung von Fehldeutungen noch energischer entgegenzutreten.“

Klaus Weise

Geschäftsführer der Serviceplan-Gruppe

Klaus Weise (c) Serviceplan„Ich finde die Wahl großartig. ‚Alternative Fakten‘ sind das Giftgas unserer Zeit – toxisch, billig, gefährlich. Sie gehören entsprechend geächtet. Der Kampf gegen ‚alternative Fakten‘ ist eine Verpflichtung für PR- und Contentproduzenten und eine Riesenchance für die Medien. Das Phänomen ‚alternative Fakten‘ zeigt – inmitten der Begeisterung für soziale Medien –, wie wichtig und unverzichtbar die Arbeit professioneller Gatekeeper ist.“

Eva Werner

Stellvertretende Pressesprecherin des Deutschen Journalisten-Verbands

Eva Werner„Die Entscheidung, ‚Alternative Fakten‘ zum Unwort des Jahres 2017 zu küren, ist gut und wichtig. Dieser Ausdruck ist so irreführend wie falsch. Es handelt sich ja gerade nicht um Fakten, die da verbreitet werden. Die Sprache von Journalisten, Pressesprechern und PR-Profis aber muss eindeutig, unmissverständlich, klar und offen sein, die Fakten transparent und nachprüfbar. Wer Sprache verbiegt, um Lügen zu verschleiern, verspielt Glaubwürdigkeit. Der Fall Kellyanne Conway zeigt, dass sich das Gros der Gesellschaft nicht für dumm verkaufen lässt.“

Patrick Kammerer

Director Public Affairs and Communications von Coca-Cola Deutschland

Patrick Kammerer (c) Coca-Cola/Marion Birkholz„PR-Profis können bestimmte Seiten der Wirklichkeiten in helleres Licht rücken und andere dabei abdunkeln. ‚Alternative Fakten‘ auszurufen war hingegen der gescheiterte Versuch, nicht nur die Perspektive als Betrachter von Wirklichkeit zu wechseln, sondern in eigener Starrheit die Wirklichkeit zu verrücken. Zugegeben, die Versuchung ist groß. Die philosophische Ansicht, dass wir Menschen weniger besorgt seien über die Dinge als über Meinungen über die Dinge, beflügelt den Ehrgeiz von Spin-Doktoren. Aber auch wenn es mit noch so viel Selbstbewusstsein bestritten wird, bleiben die Fakten die Fakten. Für PR-Profis gilt deshalb: You can’t put lipstick on a pig. Denn die Mehrheit, ob mit analogem oder digitalem Faktencheck, wird schnell rufen: Da steht ein Schwein! Dann bleibt als einzige Hoffnung, dass es wenigstens ein iberisches ist.“

Armin Sieber

Freier Kommunikationsberater und Publizist

Armin Sieber„Eine freie und tolerante Gesellschaft benötigt ein freies und tolerantes Gesprächsklima. Diese Werte sind in den vergangenen eineinhalb Jahren in Frage gestellt worden – darum geht es in der Debatte um alternative Fakten. Glaubwürdigkeit ist die Luft, die wir atmen, und sie wird zunehmend durch Fake News und Hate Speech vergiftet. Das betrifft uns als professionelle Kommunikatoren besonders. Wir müssen uns verstärkt dafür einsetzen, dass bewusste Falschaussagen und aufgeheizte Emotionen in den Medien keinen Platz haben. Das Immunsystem der Gesellschaft muss gestärkt werden. Das ist für mich die Botschaft der Juroren für das ‚Unwort des Jahres‘ an uns.“

 

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