Alles für alle

Herr Bode, wenn man bei Porsche ­anruft, ­lautet die Nummer 911. Ist das schon ­Unternehmenskommunikation?

Hans-Gerd Bode: (lacht) Das ist Ausdruck unserer ­Wurzeln: 911 steht für das Herzstück unserer Marke, für unser Selbstbewusstsein und ­unsere Gene. Und das zeigt sich auch bei unseren ­Telefonnummern.

Dabei gingen gerade mit zwei GT3 ­ausgerechnet neue 911-er in ­Flammen auf, ­Porsche musste die Auslieferung ­stoppen. Ist Krisenkommunikation gerade ein ­großer Teil ihres Alltags?
Bode: Die Bilder waren erschreckend. Wir haben sofort reagiert. Noch bevor die Ursache fest stand, haben wir die Auslieferung gestoppt. Unsere Techniker kannten schnell die Gründe, aber die waren sehr komplex. Wir haben daher eine individuelle ­Kundenkommunikation eingerichtet. Die GT3-­Fahrer ­brauchen den Wagen nicht unbedingt, um sich von A nach B zu bewegen, aber sie wollen bei dem schönen Wetter auf die Rennstrecke. Mit dem Auslieferungsstopp haben wir die Kunden ­direkt ins Herz getroffen – aber ­Sicherheit hat absolute Priorität.

Sie kommunizieren sonst aus einer ­luxuriösen Position heraus…
Bode: Ja, wir müssen unsere Marke nicht ­bekannt machen. Wir kommunizieren ­themeninduziert, hier hat keiner die Blitzlichtkrankheit. Zurückhaltung ist Teil der ­Unternehmenskultur.

Ist das auch Ausdruck der Umgebung – das Werk ist lokal sehr verwurzelt, liegt mitten in Stuttgart.
Bode: Das hängt sicher zusammen. Aus Platzgründen gleiten in Zuffenhausen Rohkarossen auf Überführungen quer über die Straße von der Fertigung zur Lackieranlage. Der ­Standort atmet geradezu Tradition.
Gibt es einen Slogan oder ein ­Gesamt­motto für Ihre Unternehmenskommunikation?
Arweck: Nein, ganz bewusst nicht. Die Marke Porsche braucht keinen Claim und in der Kommunikation kommen wir auch ohne aus.

Wie ist Ihre Abteilung aufgestellt?
Bode: Etwa 70 Personen arbeiten in der ­Kommunikation, davon zehn in der internen.
Josef Arweck: Wir sind cross-medial aufgestellt. Jeder Kollege hat einen funktionalen Medienschwerpunkt – Print, Online, TV –, aber redaktionell arbeiten alle für alle Medien.

Und das Budget?
Arweck: …ist kleiner, als Sie denken und liegt im sechsstelligen Bereich für alle internen Medien zusammen.

Wie planen Sie?
Arweck: Wir haben eine medienüber­grei­fende Jahresplanung, die in ­wöchentlichen ­Redaktionssitzungen aktualisiert und bei ­Bedarf täglich ­angepasst wird.

Sie kommunizieren auch für den ­Vorstandsvorsitzenden. Wie läuft das im Alltag?
Bode: Heute haben wir uns noch nicht ­gesehen. Aber wir nutzen die kurzen Wege in beide Richtungen, unsere ­Büros liegen fast ­nebeneinander.

Haben Sie für die CEO-Positionierung ­externe Berater?
Bode: Nein, das machen wir selbst.

2011 hatten Sie die einmalige ­Chance, die interne Kommunikation neu aufzulegen. Wie lief das ab?
Arweck: Ganz neu war sie nicht. Interne ­Kommunikation hat bei Porsche eine lange Tradition. In den 50er Jahren gab es schon ­gedruckte Werksnachrichten, unsere Mitarbeiterzeitung ist seit 30, das Mitarbeiter-TV seit 20 Jahren etabliert. Aber: Das waren Anhängsel der externen Kommunikation, eher Nebenprodukte. Mit dem Wechsel des Vorstandsvorsitzenden und der Strategie 2018 mit ihrem klaren Wachstumskurs haben wir die interne Kommunikation grundlegend neu aufgestellt. Wir wollen unsere Mitarbeiter aus erster Hand informieren und aktiv einbinden.
Bode: Vor allem, weil wir innerhalb von drei Jahren die Belegschaft von 12.000 auf 20.000 und die Produktion von 80.000 auf 160.000 Autos pro Jahr ausgeweitet haben.

Welche Bestandteile gehören heute dazu?
Arweck: Zu unserer „Carrera“-Medienfamilie gehören das quartalsweise erscheinende Magazin, zweiwöchentliche Standortnachrichten, das gleichnamige TV-Format mit zwei bis drei neuen Beiträgen pro Woche, ein internationaler Newsletter und das tagesaktuelle Intranet Carrera Online. Damit wirklich alle Mitarbeiter angebunden sind, haben wir an unseren deutschen Standorten 70 Intranet-Terminals für die Kollegen ohne PC-Arbeitsplatz aufgestellt.

Gab es im Zuge der Übernahme durch VW Vorgaben?
Arweck: Wir tauschen uns im Volkswagen Konzern regelmäßig mit allen internationalen Verantwortlichen der internen Kommunikation aus. Beim Intranet waren uns andere deutlich voraus – auf diese Best Practice Erfahrungen haben wir natürlich aufgebaut.

Ihr Intranet ist laut Selbstbeschreibung journalistisch geprägt. Wer erstellt die ­Inhalte?
Arweck: Wir haben eine zentrale Redaktion mit ausgebildeten Journalisten. Kolleginnen und Kollegen aus allen Fachbereichen steuern Ideen und eigene Texte bei.

Aber einen Blog gibt es bisher nicht.
Arweck: Nein, der ist noch im Pilotbetrieb. In unserem Social Intranet erproben wir soziale Gruppen: Die Mitarbeiter tauschen sich dort aus, teilen Dokumente und Projektpläne.

Ist das Intranet mobil optimiert?
Arweck: Wir entwickeln gerade das Responsive Design, diesen Schritt haben wir ­wegen ­offener Technologieentscheidungen ­bislang ­verschoben. Geplant ist eine Intranet at home-Lösung, bei der man sich von außen einloggen kann. Mit eingeschränkten ­Nutzungsmöglichkeiten – schließlich ­sollen unsere ­Mitarbeiter in ihrer Freizeit nicht ­arbeiten.

Und die nächste Ausbaustufe?
Arweck: Unser Ziel ist eine soziale Netzwerkplattform als Teil von gelebtem Wissensmanagement mit redaktionellen Inhalten, strukturierter Information und interaktiver Vernetzung. Die Kollegen sollen effizient, transparent und umfassend erfahren, was im Unternehmen gerade los ist. Und sie sollen Teil der Kommunikation sein.

Also dient die interne Kommunikation heute als Basis für die externe?
Bode: (lacht) Das sieht der Kollege der ­externen vermutlich anders.
Arweck: Die Identifikation der Mitarbeiter mit Porsche ist extrem hoch – jeder ist gleich­zeitig Botschafter des Unternehmens und Multi­plikator nach außen.

Der neue Weg beinhaltete dann ja ­einen Kulturwandel von der Push- zur Pull-Kommunikation für den Einzelnen. Wie sind Ihre Erfahrungen?
Arweck: Das neue Intranet war tatsächlich ein großer Umbruch. Aber die Nutzungszahlen geben uns Recht: Zu Beginn erreichte eine neue Meldung etwa 15 Prozent aller Mitarbeiter. Nach einem Jahr im Schnitt die Hälfte. Und regelmäßig sogar 100 Prozent.

Dr. Josef Arweck schrieb seine Doktorarbeit über gesellschaftliche Verantwortung und Reputation von Unternehmen. Porsche-Sprecher Hans-Gerd Bode wollte eigentlich Lehrer werden.

Welche Schlagzeile war Ihr größter Hit?
Arweck: Nachrichten aus dem Motorsport erzielen meist Top-Klickzahlen. Unser Wiedereinstieg in der Königsklasse des 24 Stunden Rennens von Le Mans sorgt immer wieder für Euphorie.

Werden Sie beim Rennen einen Live-­Reporter vor Ort einsetzen?
Bode: Nicht nur einen.

Das Unternehmen hat ambitionierte Wachstumspläne. Reicht dafür schriftliche Kommunikation?
Arweck: Nein. Jedes Jahr gibt es eine Konferenz mit allen Führungskräften weltweit. Bei der ersten im Jahr 2011 haben wir die Strategie 2018 kommuniziert. Seitdem gibt es jährlich ein Update zur Umsetzung und Ausblicke auf die nächsten Schritte. Etwa vier Wochen danach informieren die Vorstände dann alle Mitarbeiter ihres Ressorts über die zentralen Inhalte in persönlichen Versammlungen und stehen für Fragen zur Verfügung.

Welche medialen Trends haben akut ­Einfluss auf Ihre Arbeit?
Bode: Print tut sich immer schwerer. Auch wir probieren uns derzeit aus in sozialen Medien. Wir twittern noch nicht sehr lange, aber das ist gut für uns nutzbar. Autoblogger sind zum Beispiel in den USA viel aktiver als in Europa, einzelne haben Millionen Follower. Das werden wir berücksichtigen. Und in sozialen Netzwerken verschwimmt die Grenze zwischen externer und interner Kommunikation ganz. So arbeiten wir auch immer enger mit dem Marketing zusammen.

Ist nicht der durchschnittliche Twitter-User ziemlich weit weg von Ihrer Zielgruppe?
Bode: Noch, aber das wird sich ändern. Auch wenn es Streuverluste gibt, wir müssen immer neue Wege finden, unsere Botschaften zu transportieren.
Arweck: Alles, was intern kommuniziert wird, landet schnell auch extern. Beides muss also von Anfang an gemeinsam gedacht werden.

Heißt das, Sie sind persönlich dauernd ­online?
Arweck: Ja.
Bode: Als ich Ostern auf einer Messe in ­China war, wo manche sozialen Plattformen nicht funktionieren, machte mich das schon nervös.

Man munkelt, Sie arbeiten an einem neuen Kommunikationskanal.
Arweck: Ja, in den nächsten Wochen geht der Porsche-Newsroom online. In ihm präsentieren wir Nachrichten für Journalisten, ­Blogger und Online-Multiplikatoren. Dazu gehören Videos, Bilderserien, Downloads, weiter­führende Links – jeder Artikel ist ein eigenes Themenportal. Wichtig ist uns dabei die ­Verknüpfung mit den sozialen Medien. Die offene Internet-Plattform ist Ausdruck der verschwindenden Grenze zwischen interner und externer Kommunikation: Alle Informationen für alle – jedoch zielgruppenorientiert aufbereitet.

Und welche Nachricht würden Sie gerne mal verkünden?
Bode: Unseren Sieg in Le Mans. 

 

Hans-Gerd Bode ist Leiter der Hauptabteilung Öffentlichkeitsarbeit und Presse. Er hat Germanistik und Geografie studiert und arbeitete in der Kommunikation bei Mitsubishi, Opel, Mercedes, BMW und VW.

Dr. Josef Arweck leitet die Abteilung Interne Kommunikation. Er studierte parallel zum Volontariat Politik, Geschichte, Psychologie und Wirtschaft und war Pressereferent bei McKinsey.

Dieser Beitrag erschien zuerst in der gedruckten Ausgabe Mittelstandskommunikation. Das Heft können Sie hier bestellen.

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