Abwesenheitsnotiz: Beste Grüße vom Sonnendeck

Sprecherspitze

Es ist wieder Sommer. Und die Menschen fliehen in Scharen vor dem ewigen April, der sich im Herzen Europas etabliert hat. Wenn Sie dieses Heft also gerade am Südseestrand in sonnencremefeuchten Händen halten, sei es Ihnen vergönnt. Haben Sie denn auch an Ihre Abwesenheitsnotiz gedacht? Dann drücke ich die Daumen, dass Sie als PR-Profi es nicht versäumt haben, ein Fünkchen Storytelling in Ihre automatische Antwort zu investieren. Das scheint nämlich gerade Trend zu sein.

Die Bilanz meiner vergeblichen Korrespondenz mit Urlaubern: Einmal „Ich genieße gerade die raue Ostseeluft“, zweimal „Freundliche Grüße aus dem Strandkorb“, ab und zu Wörter wie „Meeresrauschen“ oder „Tauchlehrgang“ und gleich mehrmals Höflichkeitsfloskeln in vermeintlichen Fantasiesprachen, die sich nach Google-Konsultation als Isländisch und Hawaiianisch entpuppten. Mein Highlight stammt jedoch aus dem vergangenen Jahr, die Abwesenheitsnotiz eines wahren Erzählers: “I’ve Ieft for a couple of offline weeks, seeking for new stories in coastal grains of sand, italian red wine’s wisdom and the setting red sun at the sea’s horizon. Will get back to you as soon as I’m back.” Aaaah! Ooh!

Ich freue mich über diese Teilhabe, wirklich. Trotz gelegentlichen Neids. Im Grunde sollte man sich mit jedem freuen, der sich überhaupt pro Batterieaufladen entscheidet. Nicht nur, weil der Durchschnittsdeutsche unter chronischem Vitamin-D-Mangel leidet und nur durch Sonnenbestrahlung davon erlöst werden kann. Sondern auch, weil hierzulande jeder dritte (!) Arbeitnehmer laut aktueller DGB-Studie einen Teil seiner Urlaubstage verfallen lässt. Und das betrifft hauptsächlich diejenigen, die ebenfalls Überstunden anhäufen. Tappen Sie bitte nicht in diese unheilvolle Verzichtsfalle – fahren Sie weg und schreien Sie es in die Welt hinaus! Ich schlage dann im Herbst zurück, wenn es hier richtig düster ist. Wenn keiner mehr damit rechnet, schicke ich automatisierte Pazifikgrüße auf den Weg durch dicke Nebelschwaden. Und beschreibe mein Cocktailschirmchen in den leuchtendsten Farben.

Dieser Beitrag erschien zuerst in der gedruckten Ausgabe Macht. Das Heft können Sie hier bestellen.

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