„Du bist Teil von etwas Besonderem“

Die Botschaft kam alles andere als überraschend. Sie war längst überfällig. Und löste dennoch hitzige Debatten aus. Der Veränderungsprozess im Unternehmen werde niemals abgeschlossen sein, verkündete Axel Schweitzer, Mitinhaber der Alba Group, vor rund 120 Führungskräften. Das Ende von Veränderung bedeute Stillstand. Und Stillstand bedeute Rückschritt. Wozu das führe, könne man an verblichenen deutschen Traditionsunternehmen sehr eindringlich sehen, teilte Schweitzer auch der Belegschaft mit. Daher sei es richtig und wichtig, sich daran zu gewöhnen, dass der permanente Change zum Arbeitsalltag im Unternehmen gehöre.

Die Mitarbeiter ächzten. Seit zwei Jahren befand sich unser Recycling-Unternehmen im Umbruch. Ständig neue Anforderungen, etliche Wechsel im Management, Ver- und Zukäufe von Unternehmensteilen. Permanent war Flexibilität gefragt. Das sollte ewig so weitergehen?

Die Sehnsucht nach Ruhe und Beständigkeit war in der rund 9.000 Mitarbeiter starken Unternehmensgruppe überall spürbar. In der Tat hatte das Unternehmen einiges hinter sich. Im Jahr 2008 beschlossen Axel Schweitzer und sein Bruder Eric, inzwischen Inhaber des einst vom Vater gegründeten Entsorgungsunternehmens Alba, die Aktienmehrheit an der in Köln ansässigen Interseroh AG zu übernehmen. Der an der Börse notierte Konzern verdiente sein Geld mit dem Handel von Rohstoffen und war spezialisiert im Bereich Umweltmanagement. Der Umsatz von Interseroh lag damals bei zwei Milliarden Euro – das war das Doppelte von Alba.

Teambuilding bei Sport und Lagerfeuer

So wollte also nicht nur David den Riesen Goliath „schlucken“, es folgten weitere große Schritte: Die erste Unternehmensanleihe der Branche wurde am Kapitalmarkt platziert, das Unternehmen richtete sich zunehmend international aus, Strukturen wurden in Folge der Fusion komplett verändert. Zwei Kulturen prallten aufeinander. Auf der einen Seite der Familienbetrieb Alba mit einer ausgeprägten „Hands on“-Mentalität, dessen Mitarbeiter zu einem Großteil im Blaumann unterwegs waren, auf der anderen Seite Manager mit Schlips und Kragen und Kunden, die jeder aus der Werbung kennt.

Die Aufgabe für die interne Kommunikation war offenkundig: schnell die Distanz verringern, Vertrauen schaffen. Getreu dem Leitbild: Nur wenn sich Mitarbeiter einzeln wahrgenommen fühlen, sind sie auch bereit, Vertrauen in die Unternehmensführung und eine strategische Neuausrichtung zu setzen. Das Gegenteil davon: Ängste, die in der ersten Stufe zum Widerstand führen, in der zweiten Stufe ganze Abteilungen unproduktiv machen.
Den Anfang machte ein gemeinsames Meeting in den Bergen. Teambuilding beim Sport, Hüttenabend, Lagerfeuer. Ähnliches ein Jahr später in anderer Umgebung. Dazwischen: Workshops, die erste gemeinsame Mitarbeiterzeitung, die den Wandel permanent inhaltlich begleitete, Zusammenlegung der Kunden-Zeitschriften in einem interaktiven Online-Format (www.recyclingnews.info), gemeinsame Feiern.

Die ersten Mitarbeiter auf beiden Seiten „tauten“ auf. Zwölf Monate waren vergangen. Von einem „Durchbruch“ zu einer gemeinsamen Unternehmenskultur konnte jedoch noch keine Rede sein. Der Schlüssel dazu lag an zwei anderen Stellen: in einer Schrumpfkur für das Management. Und – was noch wichtiger war – in einer gemeinsamen neuen Identität.

Was das Management anging, entschied der Vorstand, die Abteilungen in den beiden Unternehmenszentralen, wie zum Beispiel Tax, Einkauf oder Controlling, zusammenzulegen und unter eine einheitliche Leitung zu stellen. Ab sofort wurden die Teams, ob nun in Köln oder Berlin, von einem Abteilungsleiter geführt. Die neuen Chefs zeichnete eines im Besonderen aus: Sie gehörten zu keinem der beiden „Lager“ und motivierten zur Gemeinsamkeit. Keine sechs Wochen später arbeitete man in der neuen Holding fast überall wie eine Abteilung zusammen.

Die eigene Identität finden und leben

Monate zuvor hatten wir als Abteilung Corporate Communications bereits damit begonnen, eine völlig neue Kommunikationsstrategie für die Unternehmensgruppe zu entwickeln. Die Fusion der beiden Unternehmen erforderte, die eigene Positionierung völlig neu auszurichten. Und sie verlangte durch die Vielzahl an Tochterunternehmen (insgesamt inzwischen rund 200 Gesellschaften) eine verbindende Klammer und eine neue Identität. Die Kernfrage, die wir uns stellten und in Workshops diskutierten: Was haben Alba und Interseroh mit all ihren Tochtergesellschaften zu bieten, was kein Unternehmen vorher für sich allein reklamieren konnte. Und was hebt uns gemeinsam von allen Unternehmen am Markt ab?  Die Antwort war erstaunlich schnell gefunden: Mit Fug und Recht konnte die Gruppe von sich behaupten, der führende Recycling-Spezialist in Deutschland und der Welt zu sein, und zwar einer, der in der Lage war, den gesamten Kreislauf zu schließen – vom ausgedienten Produkt bis zum neuen Rohstoff. Die neue Marke folgte dieser Idee.

2009 war die Geburtsstunde der „Alba Group“. Und trotz der umfassenden Bandbreite an Leistungen und Geschäftsbereichen sollte der Claim nur eine, wenn auch die wesentliche Stärke der Gruppe transportieren: „the recycling company“. Design und Inhalt verliehen dem Wunsch vieler Mitarbeiter Ausdruck, zu etwas Größerem dazuzugehören und etwas Sinnvolles zu tun.

Du bist Teil von etwas Besonderem. Durch dich werden natürliche Ressourcen geschont. Du arbeitest in einem Unternehmen, das mit Umweltschutz sein Geld verdient. Das war die Botschaft an alle Mitarbeiter der Gruppe. Und sie war Grundlage für Mission und Vision der Unternehmensgruppe. In der Sache war das eigentlich nichts Neues. Doch ohne den Druck aus dem 2008 begonnen Change-Prozess hatte sich zuvor niemand die Mühe gemacht, die eigene Identität klar herauszuarbeiten und in der täglichen Kommunikation immer und immer zu verfolgen. Die Einführung der Alba Group war der Startpunkt eines neuen Zeitalters, das den Mitarbeitern sehr konkret auch neue Entfaltungs- und Entwicklungsmöglichkeiten bot.

Endlich wurden die Stärken der Gruppe hervorgehoben und entlang der Firmenphilosophie prägnant kommuniziert. Kurz: Die Unternehmensgruppe hatte für das Zusammenwachsen ein klares Ziel, welches Kollegen und Kunden nicht nur verstanden, sondern für das sie sich tatsächlich auch begeistern konnten.
Für die Belegschaft der Alba hieß das: Weg vom Image der Müllabfuhr. Tatsächlich war man ja auch viel mehr, nämlich ein Rohstofflieferant. Und die Kollegen von Interseroh begriffen, dass man sich als Teil der Alba Group ein unverwechselbares Profil zugelegt hatte und so vom übrigen Wettbewerb klar abhob. In der Kommunikationsabteilung hatten wir erlebt, was in den Lehrbüchern überall nachzulesen ist: In Change-Situationen spielen Emotionen – und zwar auf allen Ebenen der Hierarchie – die größte Rolle.

Identität lässt sich nicht verordnen

Eine neue Corporate Identity ist deshalb kein blutleeres Logo, das die Broschüren ziert. Jedes Unternehmen hat Werte, Bräuche, eine Persönlichkeit. Entscheidend ist, ob ein Unternehmen diese auch herausarbeitet und wirklich auf allen Ebenen der Kommunikation verfolgt. Und zwar nicht nur fünf Monate, sondern fünf Jahre. Und mehr. Dabei lässt sich Identität nicht verordnen. Sie ist ein fortwährender Prozess des Unternehmens, in dem vor allem die Führungskräfte gefragt sind. Vorstand und Vorgesetzte müssen die Begeisterung für das Neue vorleben. Schaffen Sie es, verliert auch der Change seinen Schrecken.

Ein Unternehmen mit einer starken Identität – oder besser: Persönlichkeit – kann die Anpassungen an Märkte und globale Trends zu seinem Markenzeichen machen. Getreu dem Gedanken des Mathematikers Norbert Wiener: „Wir waren es, die unsere Welt und Umwelt radikal verändert haben. Deshalb sind wir es, die sich jetzt ändern, um in dieser neuen Welt existieren zu können.“

 

Die Alba Group

Mit rund 9.000 Mitarbeitern erwirtschaftet sie einen Umsatz von circa 2,9 Mrd. Euro pro Jahr. Das macht sie zu einem der führenden Recycling- und Rohstoffdienstleister sowie Rohstoffversorger weltweit. Die Alba Group ist in Deutschland und Europa, in Asien und den USA aktiv.

Foto: Alba Group

Dieser Beitrag erschien zuerst in der gedruckten Ausgabe Change. Das Heft können Sie hier bestellen.

Weitere Artikel