Ausgabe: 5 | 2017

VORBILDER

Einstein hatte relativ recht

Am Wochenende habe ich den Rasen gemäht – außerhalb der Mittagszeit, der Nachbarn wegen. Einer schwer bepackten Frau mit Karton im Arm hielt ich montags eine Schwingtür auf. Täglich trenne ich daheim den Müll in vier verschiedene Kategorien. An roten Ampeln stoppe ich mit dem Fahrrad. Macht mich das alles zum Vorbild? Oder handelt es sich bloß um Selbstverständlichkeiten? Sollte man mir nacheifern? Oder möchte ich das womöglich gar nicht?

„Es gibt keine andere vernünftige Erziehung, als Vorbild zu sein – wenn es nicht anders geht, ein abschreckendes.“ Der Satz stammt nicht von mir, sondern von Albert Einstein. Aber das ist an dieser Stelle relativ egal. Kaum jemand wird gern als abschreckendes Vorbild wahrgenommen. Weder privat noch im Beruf. Hingegen kann es durchaus schmeicheln, durch das eigene Tun – oder, im Falle von Kommunikatoren auch: Reden – Nachahmer zu finden.

Wenn wir ehrlich sind, sind wir doch alle zumindest unbewusst und dann und wann auf der Suche nach Orientierung. Vorbilder können uns dabei helfen. Sie sind wie Ankerpunkte in einem Meer aus Möglichkeiten. Jedoch: „Um von Leitfiguren zu profitieren, sollten wir unsere Erwartungen an sie überdenken“, schreibt meine Kollegin Anne Hünninghaus in ihrem Essay zu Recht.

Für die Titelstrecke dieser Ausgabe haben wir Pressesprecher getroffen, die vorbildlich (oder Vorbildliches) kommunizieren. Wir werfen einen Blick auf Branchen, um deren Ruf es nicht zum Besten steht und die genau aus diesem Grund (scheinbar) besonders Vorbildhaftes tun. Wir widmen uns außerdem der Frage, inwieweit Influencer zu Vorbildern taugen. Und wir fragen uns, warum es gerade Anfängern im Berufsfeld Kommunikation im Gegensatz zu Journalisten schwerfällt, klare Vorbilder auszumachen. Genau das zeigt nämlich eine aktuelle Studie.

Vorbilder lassen sich eigentlich überall finden. Ob in der eigenen Familie, im Büro, in der Nachbarschaft oder manchmal auch im Stadion und auf der Bühne (siehe unser Cover). Diese Menschen erfüllen unterschiedliche Funktionen. Nicht jeder würde beispielsweise gern so berühmt sein wollen wie die Beatles – hingegen möglicherweise so geniale Songs schreiben können wie Paul McCartney. Es kommt stets auf die Perspektive an.

Hätten Sie, liebe Leser, gewusst, wer derzeit die beiden größten Vorbilder der Deutschen unter den Personen des öffentlichen Lebens sind? Einer Umfrage der in Massengeschmacksfragen glaubhaft versierten Zeitschrift Hörzu zufolge lautet die Lösung: Joachim Gauck und Günther Jauch. Ein Bundespräsident a.D. und ein Quizmoderator also. Schon daran zeigt sich das Spektrum der Möglichkeiten.

Viel Vergnügen beim Lesen und vorbildliche Kommunikation wünscht Ihnen

Jens Hungermann
Chefredakteur

PS: Einen ersten Blick ins Heft gewährt Ihnen diese Issuu-Ausgabe.

 

Artikel aus dem Magazin VORBILDER