Ausgabe: 6 | 2016

Streit

Ready to rumble: Willkommen auf unserer Blacklist!

Journalisten streiten häufig: Intern um mehr Seiten oder Budgets, die passende Haltung oder Auswahl der Titelthemen. Extern über den Fokus einer Geschichte, ihr Format oder die Tonalität. Und manchmal streiten wir sogar ganz gern. Das liegt an unserem Selbstbild. Wir sehen uns als Stellvertreter der Leser, als menschliche Membran und als Kurator zwischen Themen und Stakeholdern. Ähnlich ist das Rollenverständnis bei Unternehmenskommunikatoren ja auch: Sie sind Verstärker in beide Richtungen zwischen Marken und Medien. Nur, dass die Rolle von Reportern noch zu oft falsch verstanden und der Journalist als Verlautbarer der eigenen Botschaften gesehen wird.
Darum haben wir eine Blacklist. Unsere Magazinredaktion besteht nur noch aus zwei Köpfen, doch die Liste existiert schon eine Weile. Und sie wächst. Was „können“ Sie also tun, um darauf zu landen? Timelines konsequent missachten (weswegen die Kolumne „Sprechender Schreibtisch“ diesmal von uns selbst stammt). Zugesagte Statements auch auf mehrfaches Nachhaken kurz vorm Druck zurückziehen (und so das fertige Layout umschmeißen). Groß angekündigte Kolumnen mit schöner Reichweite nach wenigen Folgen wortlos einstellen (was besonders den langfristigen Teil der Online-Planung ruiniert). Den in Auftrag gegebenen Gastbeitrag 1:1 der Konkurrenz weiterleiten, sodass die ihn noch vor uns drucken (bye-bye positives SEO-Ranking, über den Image-Schaden schreibe ich gar nicht erst). Oh, und ganz weit vorne: Bei der Zitatfreigabe die (immerhin mitgeschnittenen). Statements so umschreiben, dass sie eine völlig neue Geschichte ergeben – und die Fragen gleich mit zu ­„redigieren“. In meinen knapp drei Jahren beim pressesprecher kam es zweimal vor, dass wir eine geplante Geschichte deswegen einseitig abgeblasen haben.
Sie ahnen, dass es schwer bis unmöglich ist, von dieser unserer Liste wieder gestrichen zu werden. Was für uns einfacher ist als für Sie, denn Ihre Konkurrenz wird gerne mit uns sprechen wollen. Und ja, natürlich tauchen auch wir sicher bei dem einen oder anderen Kommunikator in keinem Stakeholder-Mapping auf, nachdem wir unbequeme Fragen gestellt haben, Ihren Themenvorschlag anders beurteilen als Sie oder Ihren Arbeitgeber als ­„ultimativen Weltmarktführer“ trotzdem unspannend für unsere Zielgruppen finden.
Streit anzufangen, bestehen und aushalten zu können ist eine Stärke, denn Konsens ist nicht immer und überall ein KPI für Erfolg. Oft genug braucht es die Auseinandersetzung, um Grenzen aufzuzeigen, Neues zu provozieren, Entwicklungen anzustoßen – ja, sich selbst zu verorten. Und nur, weil man sich streitet, bedeutet es nicht, dass man nicht professionell miteinander arbeiten kann.
Lassen Sie sich also inspirieren von den Streit-Cases in unserer ­Titelstrecke. Und wenn Sie ahnen, dass Sie auf unserer Blacklist stehen, rufen Sie mich an. Ziemlich sicher diskutieren wir dann. Vermutlich finden wir einen professionellen Kompromiss. Und vielleicht werden wir doch noch Partner. Wir können nicht verlieren. Und wünschen Ihnen schöne Feiertage, einen guten Rutsch in ein gesundes – und gerne auch ­harmonisches – 2017. _

Ihre Hilkka Zebothsen
Chefredakteurin

Artikel aus dem Magazin Streit