Ausgabe: 6 | 2015

Storytelling – Marken machen ohne Märchen

Sternenstaub, bitte. Jetzt und viel.

Mein Neffe glaubte lange, dass wir alle aus Sternenstaub bestehen. Kurioserweise behauptete er stets, diese exklusive Information aus dem Kindergarten zu haben. Einem kirchlichen, wohlgemerkt. Voller In­brunst nutzte er sein Wissen, um zu trösten bei Problemen („Das macht nix, weil Sternenstaub nie vergeht!“), erklärte so die besondere Ausstrahlung einer Mitschülern („Der Sternenstaub lässt sie so glänzen!“) oder die dauerhafte Verbindung zu seinem Opa über dessen Tod hinaus („Was glitzert, das kann man immer sehen!“).
Der magische Firnis steht für Vieles, das wir alle jeden Tag im Beruf einsetzen: Magie. Jaja, Ihr Job und meiner bestehen zu 95 Prozent aus Handwerk. Doch den Unterschied zwischen einer guten und einer denkwürdigen Kampagne, zwischen einem interessanten und einem nachhaltigen Heft machen die anderen fünf Prozent aus: Sie zu füllen, ist die Aufgabe von gutem Storytelling.
Dabei geht es nicht darum, Märchen zu erzählen, sondern maximal Theater und die Dinge sichtbar zu machen. Es geht um die Einbettung von einer Idee in archaische Geschichten, die Mehrwert bieten – aber vor allem berühren. Es geht darum, den Kunden einzubinden und eine Handlung zu provizieren. Und wenn am Ende noch Sternenstaub dazu kommt, dreht sich dabei nicht die Geschichte um den Helden – ­sondern der Zuschauer um die Idee hinter der Kampagne.
Wir haben redaktionsintern drei Eskalationsstufen während der Produktion. „Das Heft steht“ etwa ab Woche zwei nach dem Druck des vorherigen: Wir haben die interne Themenkonferenz hinter uns, erste Gespräche geführt, Beiträge anrecherchiert und als Ergebnis gibt es einen Entwurf für den Seitenplan. Wir nennen ihn „Kuchenform“, obwohl niemand weiß, warum. Aber wir bleiben dabei.
„Das Heft brennt“ in der Zeit bis zur Großen Heftkonferenz, bei der neben Redaktion auch Kreation, Vertrieb, Verband und Business Managerin dabei sind: Etwa zur Halbzeit der Produktion steht der Inhalt fest, die Seiten sind verteilt, Freie und Gastautoren sind gebrieft und rotieren.
Und „das Heft fliegt“ – nach halben Tagen, in denen es uns auch mal auf die Nerven ging – , sobald erste Layouts da sind und wenige Tage vor Druckabgabe in der Produktion nur noch das Finetuning stattfindet.
Bis dahin waren wir stellvertretend für Sie auf einer Heldenreise, haben sechs verschiedene Cover-Ideen entwickelt und fünf wieder verworfen. Gegen Deadlines gekämpft und unseren ersten Troll, der wütende, beleidigende, diffamierende Hass-Mails schickte, bis ich ihn einfach mal anrief … Wir kämpften mit der kürzesten Heftproduktion aller Zeiten, Schreibblockaden, urlaubsbedingt abgetauchten Gesprächspartnern, spät kommenden Rezensionsexemplaren und der parallel laufenden Vorbereitungen für den Kommunikationskongress. All das war Teil unserer ganz persönlichen Heldenreise, auf die wir uns alle paar Wochen wieder freuen. Und Sie so?
Ich mag gutes Pathos. Darum wünsche ich Ihnen heute statt der sonst üblichen Abschlussformel: Seien Sie selbst eine Inspiration. Werden Sie Teil von (einer) Geschichte, von Etwas, das größer ist als Sie. Gehen Sie da raus und werden Sie zu ­Sternenstaub. _

Ihre Hilkka Zebothsen
Chefredakteurin

Artikel aus dem Magazin Storytelling – Marken machen ohne Märchen