Gefragt sind gute regionale Storys

Kommunikation und KMU

Damit Kommunikatoren mittelständischer Unternehmen nicht als Verwalter ihrer eigenen Pressemeldungen enden, brauchen sie eine Vision für ihre Kommunikation. Größtes Hindernis auf dem Weg zur Verwirklichung dieser Vision sind oftmals begrenzte finanzielle Mittel und fehlende Mitarbeiter. Krisen oder Negativnachrichten scheinen angesichts dessen besonders schwierig zu bewältigen.

Doch steckt gerade in vermeintlich ausschließlich negativ konnotierten Themen eine große Chance für die PR – wenn sie sich mutig an ein Credo hält: Das größte Pfund der Aufmerksamkeitsökonomie sind Geschichten. Ein Beispiel aus dem Bereich Öffentlicher Personennahverkehr ist das Schwarzfahren, durch das die ÖPNV-Unternehmen in Deutschland jährlich geschätzt 250 Millionen Euro verlieren.

Die Welt berichtete voriges Jahr in einem Artikel von Bankern in Frankfurt am Main, die stets ohne Fahrschein fuhren und Bußgeld mitunter ungerührt in bar zahlten. Die überregionale Zeitung beleuchtete das Thema „fehlende Mittel im ÖPNV“ so aus einem überraschenden Blickwinkel. Hessens Finanzminister machte in der gleichen Region medial begleitet Jagd auf Fahrgäste ohne Ticket. Im Gespräch mit der Presse betonte er stets den Aspekt Steuerbelastung, den das Schwarzfahren verursacht.

Beide Beispiele zeigen, wie ein vermeintlich unattraktives und schwieriges, weil x-mal kommuniziertes Thema auf eine überraschende Art gesetzt werden kann – ohne dass dahinter ein großer Kommunikationsapparat und viele Agenturen stehen.

Wie sagte schon der Mitbegründer der PR, Edward Bernays: Kreiere ein Ereignis; dieses erzeugt eine Nachricht, und die Nachricht schafft Nachfrage für dein Produkt. (In diesem konkreten Fall half sie Verständnis schaffen für die Ticketpreise im ÖPNV.)

Medien suchen gute regionale Storys

Unser Vorteil als Kommunikatoren heute: Noch nie war es so einfach, mit Menschen über das Internet und die klassischen Medien ins Gespräch zu kommen und seine Meinung, sein Unternehmen zu platzieren. Jedes Unternehmen kann gute Geschichten erzählen, denn überall arbeiten Menschen, die es wert sind, dass man über sie berichtet. Und würde es keine Menschen geben, dann hätte man die erste komplette Roboter-Fabrik – was auch eine Story ermöglicht.

Für Kommunikatoren in mittelständischen Unternehmen eröffnen die niedrigen Markteintrittsbarrieren beste Chancen: Die Medien suchen nach guten regionalen Storys. Und findet sich einmal keine, lassen sich nationale oder internationale Ereignisse meist aufs Regionale und Lokale herunterbrechen.

Es gilt für Kommunikatoren mehr denn je, die unterschiedlichen Marktplätze zu definieren und zu wissen, über was auf ihnen diskutiert wird. Was interessiert die Stakeholder? Was interessiert die Mitarbeiter und wo lohnt es, auch gegen internes Unverständnis für ein Thema zu kämpfen? Und wenn wir das wissen: Wie können wir unsere Themen über welches Medium bei der jeweiligen Zielgruppe platzieren? Es ist die Aufgabe der PR als Dienstleister, den Medien und der Öffentlichkeit die Themen anzudienen und so die eigene Botschaft zu setzen.

Ein menschliches Gesicht entgegenstellen

Gerade in Krisenzeiten oder wenn die Negativthemen scheinbar überwiegen, sollten wir uns kritisch hinterfragen: Will die Krise wirklich meine Firma oder mein Produkt treffen, oder sind wir nur Stellvertreter für ein viel größeres gesellschaftliches Problem? Anders gefragt, um beim Eingangsbeispiel zu bleiben: Liegt das massenhafte Schwarzfahren wirklich an zu hohen Fahrpreisen oder vielleicht doch am mangelnden Unrechtsbewusstsein in weiten Teilen der Bevölkerung?

Um unserer Geschichte, unserem Blickwinkel als Unternehmen mediale Aufmerksamkeit zu verschaffen, sollten wir Kommunikatoren überlegen: Gibt es in unserem Unternehmen Kollegen, mit denen wir der Presse die Ursachen der Krise aus einer gesellschaftlichen Perspektive erzählen können und mit deren Hilfe wir einen neuen, überraschenden Dreh finden? Können wir Politiker oder Personen des öffentlichen Lebens einbinden, die unsere Geschichte aus einem anderen Blickwinkel erzählen? Gelingt es uns, dem harten Vorwurf gegen unser Unternehmen ein menschliches Gesicht entgegenzustellen? Keinesfalls sollten wir belehren oder ankämpfen, sondern vielmehr andere Blickwinkel und überraschende Einblicke anbieten.

Den Kopf nicht in den Sand stecken

Sprechen wir von schwerwiegenden Krisen, sprechen wir natürlich auch darüber, dass jedes Wort juristische Relevanz haben kann. Das führt häufig dazu, dass Pressesprecher nur formal reagieren (können) oder schlicht nicht erreichbar sind. Die Reaktion der Medien ist menschlich nachvollziehbar: Ihre Berichterstattung fällt noch negativer aus, sie sehen ihre (Vor-)Urteile bestätigt. Ein großes Unternehmen kann einen solchen Imageschaden im Nachgang sicherlich aufbereiten und kommunikativ wieder Boden gewinnen. Mittelständler aber können es nicht so leicht.

Umso wichtiger ist es in der Krise, dass wir unter allen Umständen im Dialog bleiben, dass wir Journalisten zurückrufen, 24/7 erreichbar sind. Einen E-Mail-Newsletter mit den neusten Informationen zu versenden, kann in solchen Situationen sehr hilfreich sein – selbst wenn wir nur Medien darin zitieren. (Später kann der Newsletter dann vielleicht als Themendienst erhalten bleiben.) Förderlich sind zudem Hintergrundgespräche.

In der Krise winken schnelle Erfolge

Ein fairer Umgang mit der Presse hilft Unternehmen erfahrungsgemäß langfristig stets mehr, als den Kopf in den Sand zu stecken und zu warten, bis die Krise ausgestanden ist.

Eine Krise bietet Mittelständlern auch insofern eine Chance, als sogenannte Quick Wins winken: Durch mehr Kontakte zu Journalisten können wir Kommunikatoren uns während der Krise als stets kompetenter, bemühter Ansprechpartner positionieren. Diese Aufmerksamkeit sollten wir nutzen. Denn jetzt erzählen wir!

 

 

Dieser Beitrag erschien zuerst in der gedruckten Ausgabe ENDE. Das Heft können Sie hier bestellen.

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