Worauf es im Umgang mit Skandalen ankommt

Gastbeitrag von Petja Posor

Er taucht plötzlich auf, um sich anschließend wieder aufzulösen. Dazwischen fegt er durch die komplette Nachrichtenlandschaft. Er bewegt eine ansonsten ausdifferenzierte Öffentlichkeit gemeinschaftlich und suggeriert einen allseitigen Werteverfall, wodurch selbst Unbeteiligte angehalten sind, sich erkennbar zu positionieren: der Skandal. Für Krisenkommunikation stellt er daher eine Herausforderung dar, die nur schwer zu meistern ist. Der Skandal ist eines der am schwierigsten greifbaren gesellschaftlichen Phänomene.

Dabei ist sein Verlauf bekannt. Es existieren sogar verschiedene Modelle, die sich schablonenhaft über vergangene Ereignisse solcher Art legen lassen. Einzig die Dauer der einzelnen Phasen variiert von Fall zu Fall. Das Problem ist, dass man sich nicht auf ihn vorbereiten kann: Was ein Skandal ist (oder war), kann man immer erst zurückblickend sagen – nie vorab. Denn weder der Protagonist oder sein Vergehen noch der massenmediale Ausruf „Skandal“ erzeugen einen Skandal. Auch die Schuldfrage hat nur einen begrenzten Einfluss: Betrachtet man Fälle der letzten Jahre, zum Beispiel zu Guttenberg, Wulff, Hoeneß oder Edathy, zeigt sich, dass juristisch relevante Aspekte wie etwa Schuld und Unschuld beziehungsweise Leugnung und Eingeständnis für das Zustandekommen einer Skandalberichterstattung irrelevant sind. Erst die mehrheitliche Empörung entscheidet darüber, ob ein Missstand tatsächlich zu einem Skandal erhoben wird.

Aufrichtige Stellungnahme ist unumgänglich

In der Regel ist ein solcher Missstand nicht neu. Er stellt ein gesellschaftliches Problem dar, das interessanterweise erst durch das Vergehen einer Person als solches sichtbar wird. Im Zentrum der Berichterstattung aber bleibt die Einzelperson. Sie verleiht dem Missstand ein Gesicht und wird zum Adressaten der Empörung. Ein angemessener Umgang mit dieser Situation ist aus Sicht des Skandalisierten schwierig. Denn eigentlicher Gegenstand der Diskussionen ist selten die objektive Bewertung der Tat. Sie bildet zwar den Auslöser der öffentlichen Verhandlung, wird dann jedoch rasch durch moralische Bewertungen ersetzt, die eine einfache Unterscheidung zwischen gut und böse verlangen.

Eine frühzeitige aufrichtige Stellungnahme ist für den Skandalsisierten daher unumgänglich. Zum einen, weil es die einzige Möglichkeit für ihn darstellt, Einfluss auf das medial vermittelte Bild zu nehmen – das ja das einzige Bild ist, das wir wahrnehmen können. Zum anderen aber, weil es der Ritus der Skandalisierung verlangt. Es ist dabei jedoch nicht ausreichend, eine etwaige Schuld zu bekennen. Der Skandalisierte muss darüber hinaus, den Moment seiner Beichte sichtbar machen, sodass der Betrachter sich ein Urteil darüber bilden kann, ob die artikulierte Reue auch wahrhaftig verkörpert wird. (So erfolgte etwa, obwohl die Berichterstattung mit einem Schuldeingeständnis begann, sehr bald eine erneute und öffentliche Stellungnahme Hoeneß’ in Form eines bebilderten Interviews in der „Zeit“). Der Erfolg einer solchen Maßnahme ist weniger von der Wahrheit abhängig – diese wird vorausgesetzt – als vielmehr vom Willen des Skandalsisierten, zu bekennen, Transparenz zu schaffen und nicht zuletzt Reue zu zeigen. Einzig wenn diese Werte aufrichtig vermittelt und in der Folge auch gelebt werden, kann Krisenkommunikation im Skandal funktionieren

 

Weitere Artikel