Wie viel Humor verträgt die PR?

Mit der Geschichte zum Schichtdienst „RUB @ night und RUB @ day“, der zufolge sich Studenten bei der Einschreibung verbindlich entscheiden müssen, ob sie demnächst lieber tagsüber oder nachts studieren wollen, haben Sie es in viele Zeitungen geschafft. Wie groß ist die Freude darüber, reihenweise Journalisten reinzulegen?
Josef König: Das ist schon eine diebische Freude. Die genannte Geschichte ist damals sogar vom dpa-Kulturdienst weiterverbreitet worden. Meine Kollegen wussten, dass ich immer am 1. April nervös wurde und fieberhaft auf die Anrufe gewartet habe, um mich zu freuen, wenn ich andere in den April schicken konnte.

Wie viele Aprilscherze haben Sie sich während 23 Jahren als Pressesprecher der Ruhr-Uni Bochum ausgedacht?
Im Laufe der Zeit ist einiges zusammengekommen: Jedes Jahr habe ich mir einen oder zwei Scherze ausgedacht. Die Tradition ins Leben gerufen hat mein Vorgänger, Bernd Schulte-Middelich. Ich habe sie dann fortgeführt und perfektioniert.

Woher kamen die Ideen dafür?
Manches fiel mir ein, weil ich mich über etwas geärgert habe. Andere Scherze lagen aber auch in der Luft, weil das Thema gerade virulent war. So haben wir zum Beispiel einen Scherz gemacht, dass die Uni Bochum und die Uni Dortmund miteinander fusionieren. Das war zu einer Zeit in der zahlreiche Banken sich zusammenschlossen. Wenige Jahre später hat es dann tatsächlich eine Zwangsfusion der Universitäten Duisburg und Essen gegeben. 2005 gab es einen Aprilscherz demzufolge Studenten ihre Studiengebühren vor Ort abarbeiten können. Das haben viele geglaubt und gesagt, das sei absolut realistisch.

Hatten Sie „Rückendeckung“ aus dem Rektorat?
Rückendeckung? – schwierig. Schließlich habe ich nie jemanden gefragt. Kein Rektor hat im Vorhinein von mir etwas über den geplanten Scherz erfahren. Nur meine engsten Mitarbeiter wussten Bescheid.

Welcher war Ihr gelungenster Scherz, welcher der mit der größten Resonanz?
Natürlich habe ich meine Lieblingsscherze. Der mit dem Weinanbau hatte beispielsweise eine große Resonanz. Hierin hieß es, Bochumer Biologen hätten mit Methoden der Gentechnologie im Botanischen Garten der Ruhr-Universität Rebsorten manipuliert. Künftig werde es trockene Tafelweine direkt vom Campus-Weingut geben. Das war Anfang der neunziger Jahre zu Beginn meiner Arbeit als Pressesprecher. Der damalige Volontär der „WAZ“ in Bochum ist darauf reingefallen. Plötzlich bekam ich Anrufe von der Unteren Landschaftsbehörde. Die sagten, sie hätten das überprüft aber keine Gentechnikveränderungsverordnung vorliegen. Sogar der Hauptsicherheitsinge­nieur rief mich an und fragte, ob unsere Biologen nicht wüssten, dass sie sich an die Bestimmungen halten müssten.

Kürzlich hat sich die Praktikantin einer Radioredaktion blamiert, die einen „Postillon“-Artikel für bare Münze nahm. Die Schadenfreude im Social Web war groß. Mitleid?
Nein. Schadenfreude verbreitet sich natürlich immer schnell, wenn jemand einem Streich aufgesessen ist. Wichtig ist doch, das Ganze dann mit Humor zu nehmen. Ich schätze den „Postillon“ sehr und wer nicht bemerkt, dass das Satire ist, der hat nicht aufmerksam gelesen.

Gab es denn schon einmal tatsächlichen Ärger mit Journalisten wegen eines Scherzes?
Wirklich verärgert waren die wenigsten. Der ein oder andere sieht sich vielleicht gezwungen, humorvoll zu reagieren, um nicht als sauertöpfisch zu gelten. Es gab aber auch Journalisten, die mich am Vortag des 1. Aprils anriefen und wissen wollten, was ich mir Neues überlegt habe. Verraten habe ich das natürlich nicht. Einmal habe ich allerdings eine Ausnahme gemacht und mich mit den Journalisten verbündet. Als die neue Rechtschreibung eingeführt wurde, hatte ich mir ausgedacht, die Uni wolle zahlreiche geschulte Mitarbeiter einstellen, die in der Bibliothek alle Bücher markieren würden, die noch nicht den neuen Regeln entsprechen. Eine Kollegin vom WDR, die ich gut kannte, war eingeweiht und hat zu dem Thema ein Interview mit mir geführt und einen Film darüber gemacht.

„dpa“, „Focus“ … Sie haben mit Ihren Mitteilungen nicht nur lokal Aufsehen erregt.
Einmal gab es sogar einen etwas ironischen Mailwechsel mit einem Journalisten in Arizona, der für den „New Scientist“ in England schrieb und im Mai einen Aprilscherz von mir aufgegriffen hatte – nämlich dass die Professoren und Mitarbeiter der RUB Uniform und Namensschilder tragen müssten, da sie optisch nicht mehr von den Studenten zu unterscheiden seien. Dieser gab mir zu verstehen, in England und den USA sei das durchaus denkbar.

Wie haben die Studenten auf Ihre Scherze reagiert?
Einige in den höheren Semestern haben natürlich durchschaut, dass sie am 1. April einer Mitteilung vom König keinen Glauben schenken durften. Aber besonders von den Jüngeren sind viele auf die Scherze hereingefallen. Da war der Frust oft groß, wenn sie dachten, die Uni wolle sie wieder einmal gängeln.

Und bei Ihnen war die Freude groß.
Selbstverständlich. Zu einer Zeit in der wir erhebliche Parkplatzprobleme in Campusnähe hatten, gab es einen Scherz, es stünde eine Park-App für 2,99 Euro zum Download bereit, die automatisch freie Plätze anzeigt. Wir konnten also zählen, wie viele Leute versucht haben, diese nicht existierende App herunterzuladen. Das waren mehrere hundert. Wir haben in der Pressestelle gesessen und uns ins Fäustchen gelacht.

Sind Ihnen auch Professoren auf den Leim gegangen?
Natürlich, ziemlich oft sogar. Viele haben sich beispielsweise über die angekündigte Verkürzung der Semesterferien beschwert. Und dann gab es da noch die Aufzug-Geschichte: Ich habe mich oft darüber geärgert, dass der Fahrstuhl in den hochgeschossigen Unigebäuden auf fast jeder Etage hält, da viele Studenten zu faul zum Treppensteigen waren. Also habe ich gescherzt, es werde künftig Münz­automaten in den Aufzügen geben und jeder, der sie für weniger als drei Stockwerke nutzt, müsse zahlen. Daraufhin bekam ich einen Anruf von einer Professorin, die sagte, sie habe Arthrose in den Knien und Treppensteigen sei ihr verboten.

Haben Sie das dann sofort aufgeklärt?
Naja, das ist so eine Sache. Nach dem 1. April bin ich zur Richtigstellung bereit, aber am Tag selbst ist das ein Tabu.

Sie spinnen den Streich also den ganzen Tag weiter?
Ja. Einmal habe ich am 1. April eine Pressemitteilung herausgegeben, in der es hieß, regelmäßiges Knoblaucharoma werde unter den Mitmenschen als angenehm empfunden, daher seien auch die Südeuropäer so beliebt. Da in Deutschland aber meist nur sporadisch Knoblauch gegessen wird, würden die Menschen das als störend wahrnehmen. In diesem Zusammenhang hatte ich den Wert des Knoblauchbestandteils Allicin angegeben. Dieser Wert war wohl falsch, sodass jemand von der „Chemischen Rundschau“ anrief und ihn korrigierte. Ich habe daraufhin nur gesagt, „Zweifeln Sie nicht an den Werten des Bundesgesundheitsamts“. Am nächsten Tag habe ich sie aber zurückgerufen und alles aufgeklärt.

Es gibt diesen Spruch: „Wer einmal lügt, dem glaubt man nicht…“ Wie umgeht man die Gefahr, wegen gelegentlicher Scherze die Seriosität seiner Organisation zu gefährden?
Das ist immer eine Gratwanderung. Seine Seriosität möchte man natürlich nicht aufs Spiel setzen. Das ist vergleichbar mit dem Karneval: Einmal im Jahr ein paar Tage zu feiern, das nimmt einem niemand übel. Auch die Tradition des Aprilscherzes ist eine sehr alte. Wenn man das ganze Jahr über zuverlässige und gute PR macht, kann man sich diesen einen Tag im Jahr gönnen.

Wie viel Humor verträgt denn die PR-Branche?
Gering dosiert vertragen sowohl die Universität als auch die Öffentlichkeitsarbeit viel Humor. Ich glaube, das ist auch notwendig. Wir sollten unsere Jobs nicht zu ernst nehmen, sie sind nicht das Leben. Schließlich ist es ja auch nur eine Spielerei, wir gefährden niemanden damit. Trotz aller Seriosität der Branche ist und bleibt die PR letztendlich eine Form des Gesellschaftsspiels.

Was würden Sie anderen Kommunikatoren empfehlen, die etwas mehr Witz in ihren Botschaften möchten?
Wenn Sie einen guten Scherz machen wollen, dann sollten Sie ganz nah an der Realität bleiben und dabei schamlos lügen. Dazu ist es wichtig, kleine ironische Signale zu setzen, die der aufmerksame Leser bemerken kann. Darum geht es eigentlich: Es fällt herein, wer nicht gründlich genug liest. Grundsätzlich darf man scherzen und sich über Dinge lustig machen. Ich habe aber nie Scherze auf Kosten von Menschen gemacht. Im Grunde war das eher eine Form von Selbstironie der Institution.

In Ihrem letzten Jahr als Sprecher gab es am 1. April die Meldung, es werde auf Anweisung des Rektorats keine Scherze von Seiten der Pressestelle mehr geben, zu viele Journalisten hätten sich beschwert. Die Wahrheit oder nur ein weiterer – gut getarnter – Streich?
Das war der letzte Streich meiner Laufbahn an der Uni. Damit wollte ich mich selbst ein wenig auf die Schippe nehmen. Das war sozusagen ein Meta-Aprilscherz. Mit dem sind mir unglaublich viele Journalisten ins Netz gegangen. Viele davon haben mich auch persönlich angeschrieben und ihr Bedauern bekundet, dass die Universitätsleitung so humorlos sei. Ich habe die Mails dann an den Rektor weitergeleitet und geschrieben: „Herr Weiler, sehen Sie was Sie angerichtet haben.“

Werden Ihre Nachfolger an der RUB die Tradition fortführen?
Ich befürchte, eher nicht. Aber vielleicht bekomme ich Anfang März ja einen Anruf, „Herr König, wollen Sie nicht nochmal…?“

Und Sie selbst? Werden Sie weiterhin Menschen in den April schicken?
Privat? Selbstverständlich. Und wenn mir die Zeit bleibt, würde ich darüber hinaus gerne im kommenden Jahr meine gesammelten Aprilscherze inklusive Reaktionen und Zeitungsausschnitten zwischen zwei Buchdeckel packen.

Nach drei Monaten als Rentner ist Josef König inzwischen Teamleiter des Informationsdiensts Wissenschaft (IDW)-Online, den er vor 19 Jahren mitbegründete.

Dieser Beitrag erschien zuerst in der gedruckten Ausgabe Profession Pressesprecher. Das Heft können Sie hier bestellen.

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