Schweiger, Schwerstarbeiter und Schattenkrieger

Wie im biblischen Kampf zwischen dem kampferprobten Krieger und dem hoffnungsvollen Hirten haben auch KMU eine gute Chance gegen scheinbar übermächtige Gobal Player mit Big Budgets: Indem sie gar nicht erst versuchen, nach denselben Regeln zu kommunizieren wie „die Großen“. Sondern auf Nischen setzen, ihre Zielgruppe genau kennen und besonders kreativ in der Unternehmenskommunikation sind. Doch längst nicht jedes Unternehmen hat dieses Muss erkannt.

 

Antwort durch Entzug

Auf Tauchstation ging der mehrfach preisgekrönte Hidden Champion mit der internationalen Ausrichtung, der Exgattin eines Bundespräsidenten als Testimonial und einer Hauptstadtrepräsentanz in Berliner Bestlage im Rahmen unserer Titelrecherche. Gerne hätten wir seine Strategie für die gute Sache im Heft lebendig gemacht. Doch nach zwei Wochen (!) kannten wir die freundliche Dame in der Telefonzentrale besser als uns lieb war. Denn weder der Sprecher der Firma ging ans Telefon noch seine Sekretärin oder deren Kollegin. Ebenfalls keinerlei Reaktion auf drei E-Mails. Ergebnis: Thema gestorben.

 

Ja, wo kommunizieren sie denn?

Mit der internationalen Ausrichtung ist der Hidden Champion, der zumindest für uns auch versteckt blieb, keine Ausnahme: Allein in Deutschland gibt es 330.000 exportierende Unternehmen. Laut einer Umfrage der DZ-Bank sind 57 Prozent aller Mittelständler im Ausland aktiv. Bei einem Umsatz von mehr als 50 Millionen Euro sind es sogar 71 Prozent. International besonders aktiv sind die Kunststoff-, Chemie-, Automotive-, Stahl-, Maschinenbau- und Elektronikindustrie.

Oliver Frederik Hahr (c) Privat

Deutschland hat mehr als 1.300 mittelständische Weltmarktführer. Doch die Kommunikation bleibt häufig der Strecke. „Einige spielen international auch in Sachen Kommunikation in der ersten Liga“, sagt Oliver Frederik Hahr von oha communication. „Aber die Mehrzahl könnte durch aktive Markenführung, Information und Dialog die Sichtbarkeit und den Erfolg im Markt deutlich stärken. Wir reden hier über mehr als 350.000 mittelständische Unternehmen, die im Ausland meist hoch spezialisierte Lösungen anbieten. Welch ein Wachstumspotenzial, würde man sie nur besser kennen!“ Und würden sie ihre Kommunikation nur in die Hände von Profis legen…

 

„Was ist denn ein Interview?“

Mit Links zu gleich drei publizierten Gesprächen sollte sich eine Kollegin bei einem potenziellen Interviewpartner um ein selbiges „bewerben“. Der angefragte Mittelständler mit der cleveren PR-Kampagne hatte keinen eigenen Pressesprecher angestellt, dafür aber eine bundesweit bekannte Agentur engagiert. Die jedoch offenbar vom Kunden so wenig Geld erhält, dass sie auf das Projekt einen Trainee setzte. Nach Tagen ohne Reaktion auf Anrufe oder Mails erreichten wir zufällig den Unit-Leiter, der von der Anfrage noch gar nichts wusste. Eine Stunde später kam doch noch die Interviewzusage.

 

Selbst machen, Sprecher anstellen oder Agentur einkaufen?

Ein eigener festangestellter Pressesprecher ist nicht für jedes Unternehmen die Patentlösung. „Oft spricht bei Mittelständlern der Geschäftsführer selbst. Auch wenn das nicht immer ratsam ist“, findet Thomas Lüdeke, Geschäftsführer der PRCC Personal- und Unternehmensberatung. „Bei einigen Unternehmensleitungen ist die Selbstwahrnehmung häufig eine andere als die Fremdwahrnehmung. Da kann ein professioneller Sprecher ein guter Sparrings-Partner sein.“ Aber da viele der Mittelständler nicht in Metropolen zu finden sind, ist es nicht gerade leicht, Bewerber zu finden, die bereit sind, aufs platte Land zu ziehen.

Thomas Lüdeke (c) Oli Bellendir

Im Umgang mit Agenturen rät Lüdeke: „Sie eignen sich für Mittelständler vor allem für die projektbezogene Umsetzung wie bei einem Event oder für Produkt-PR.“ Denn Agenturen als Sprecherersatz einzusetzen, geht schief, wenn sie nicht passgenau ausgewählt wurden.

 

„Was kostet uns das?“

Anfrage bei einem traditionsreichen Familienunternehmen mit Weltruf, dessen Produkte täglich in Kinderzimmmern auf der ganzen Welt bekuschelt werden. Auch hier gibt es keinen Pressesprecher. Man wird an eine vor allem in der Glamourwelt bekannte PR-Agentur verwiesen. Kurios: Die Agentin fragte, was das Interview ihren Kunden kosten wird. Äh, nichts außer die Arbeitszeit des Antwortgebers. Nach zwei Tagen hakten wir mal nach: Klappt die Story? Herumgedruckse: Es gäbe zeitliche Probleme. Klar, denken wir: Ferien überall. Wann denn das Interview klappen kann? Antwort: So in drei Monaten. Außer, wir reichen die Fragen schriftlich ein. Wir lehnten dankend ab.

Nach Zahlen zu fragen, ist an sich nicht dumm, denn Kommunikatoren müssen auch im Mittelstand wertschöpfend denken: Die Geschäftsführung sieht laut einer ifkom-Studie zur „Rolle des Kommunikators im Mittelstand“ Kommunikationsaktivitäten vor allem als Teil des Marketings (66 Prozent) und/oder des Vertriebs (34 Prozent). Anders herum sehen sich nur 55 Prozent der Befragten im Rahmen ihrer Jobbeschreibung zuständig für das Marketing und nur 10 Prozent für den Vertrieb.

Die Geschäftsführung muss also unbedingt für die Bedeutung von Kommunikation sensibilisiert sein: Sofern es bereits einen Kommunikationsverantwortlichen gibt, fehlt diesem laut der Studie häufig der Rückhalt der Geschäftsführung: 42,5 Prozent der befragten Kommunikationsprofis erhalten demnach nicht die volle Rückendeckung der Geschäftsführung für ihren Verantwortungsbereich. Nur jeder Dritte ist „sehr zufrieden“ mit seiner Rolle im Unternehmen. Es „könnte besser sein“ findet mehr als die Hälfte. Und jeder Zehnte hält bereits Ausschau nach einem neuen Job.

 

Wünsch-Dir-was

So ging es aber auch: Ein kurzes Telefonat mit einem Geschäftsführer, der selbst für das Unternehmen spricht. Die Zusage kam eine Stunde später, am Folgetag lief das freundliche Interview.

Oder die PR-Beraterin, die erst seit wenigen Wochen für ihren Kunden spricht: Sie machte mehrere O-Töne möglich und entschuldigte sich nur halb scherzhaft, dass am Feiertag niemand im Büro war. Der Profi kannte auf jede Frage eine schlaue und charmante Antwort.

So finden wir im deutschen Mittelstand kommunikative Schweiger, Schwerstarbeiter und Schattenkrieger. Auch David konnte den Kampf nur gewinnen, weil er Goliath aus der Ferne angriff. Indem er sich auf seine Essenz besann, alle bis dahin gängigen Regeln missachtete und seine eigenen Lösungen fand. Mittelstand, übernehmen Sie.

 

Lesen Sie auch die Interviews:

– Wir fragen Oliver Fredrik Hahr: Sind Hidden Champions schwache Kommunikatoren?

Thomas Lüdeke findet, Kommunikation ist eine Generationenfrage.

Dieser Beitrag erschien zuerst in der gedruckten Ausgabe Mittelstandskommunikation. Das Heft können Sie hier bestellen.

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