PR-Trends aus der Agentur-Perspektive

Die Zukunft der Kommunikation

Oliver Klein, Inhaber der Pitchberatung Cherrypicker, sprach mit Tim Bourne, Joint CEO der Kommunikationsagentur Exposure, London.

Mister Bourne, welche werden die einflussreichsten Veränderungen in der Kommunikation in der nahen Zukunft sein?

Tim Bourne: Die wichtigsten Veränderungen der Kommunikation resultieren aus technologischen Veränderungen. Das ist keine Überraschung und schon seit fünf Jahren der Fall. Denn die Verbreitung von Smartphones hat die Kommunikation schlichtweg revolutioniert und Social Media in den Fokus der Kommunikationsagenda gerückt.

Exposure wurde 1993 mit dem Glauben an zwei Dinge gegründet: die Kraft der Beeinflussung und den Wert von „earned media“. Wir können sehen, wie die Auswirkungen dieser beiden Kräfte im 21. Jahrhundert weiterhin wachsen. In den nächsten fünf Jahren wird „earned media“ als die bevorzugte Kommunikation „bought Media“ in den Schatten stellen. Die Generation Y als Zielgruppe wächst in einer multi-sozialen Welt auf. Sie wird sich den technologischen Veränderungen so schnell anpassen, dass Unternehmen gezwungen sein werden, ihr die Verantwortung ihrer Marken-Kommunikation anzuvertrauen. Die Kernkompetenz traditioneller Agenturen wird mehr und mehr untergraben, da Kunden inhouse mehr Kontrolle übernehmen.

Während Kommunikationsmöglichkeiten zunehmen, werden die besten Agenturen investieren, sich anpassen und florieren. Dies tun sie, indem sie mit der Generation Y zusammenarbeiten und Content entwickeln und verbreiten. Indem sie diesen Teil der Gesellschaft in ihr Business integrieren, werden sie Vorreiter in dem sich permanent verändernden Umfeld der Kommunikation sein. Die großen Chancen der Kommunikation werden die Agenturbranche entzweien: in die Agenturen, die Nutzen aus Daten und der vernetzten Welt generieren; und in diejenigen, die Kreativität und „Big Idea“-Denke verstehen, hier überproportional investieren und damit geschickt Multi-Media-Kanäle bespielen.

Und was sind die wichtigsten Trends?

Kreativität wird in vielerlei Hinsicht immer wichtiger und mehr geschätzt: Die Fähigkeit, die wahre Kultur einer Organisation zu begreifen und in nachhaltige Stories zu übersetzen, die es dem Konsumenten erlauben, seine eigenen Ambitionen zu verwirklichen. Die Beschleunigung der umweltbedingten und politischen Krisen wird die Aufmerksamkeit auf Nachhaltigkeit und Corporate Responsibility lenken. Dies erfordert eine hohe, kreative Interpretationsfähigkeit. Unsichere Zeiten und eine mit Problemen belastete Wirtschaft haben zu einem Rückgang von High Quality Innovationen geführt. Während die Welt sich langsam von der Rezession erholt, sage ich eine langsame Rückkehr zu einer Innovations-Kultur voraus. In dieser wird der Wert eines echten Kreativtalents und des Kreativ-Durchbruchs erhöht – das Gegenteil also von nicht originärem Denken. Die „Doppeldeutigkeit“ des Geschäfts wird Agenturen benötigen, die über ausgezeichnete strategische und kreative Köpfe verfügen. Sie helfen Kunden dabei, ihre enormen Herausforderungen zu meistern, denen sie aufgrund von Veränderungen von technologischen Entwicklungen, der Wettbewerbslandschaft, von Absatzmärkten oder globaler Zulieferketten etcetera gegenüber stehen.

Welche Auswirkungen hat dies auf Agenturen und deren Arbeitsmodell?

Die Schlagworte, die zum Mantra der Agenturen werden, sind Agilität und Anpassungsfähigkeit. Agenturen müssen sich an leichtere, viel effizientere Strukturen mit geringerer Bürokratie und flacheren Hierarchien anpassen. Nur so können sie schnell auf Marktveränderungen, Bedingungen, Kundenerwartungen und technologisch getriebene Verhaltensänderungen reagieren. Unternehmerische Kompetenzen werden auf Kosten von administrativen und Umsetzungs-Skills deutlich wertvoller.

Agenturen müssen ganzheitlicher arbeiten, auch wenn sie sich bewusst spezialisiert haben. Dies wird für eine erhöhte Komplexität des Geschäftsmodells sorgen und sich wahrscheinlich nicht in einem angemessenen Honorar niederschlagen – es werden schlicht und einfach die Kosten sein, Business zu machen. Die Agenturen, die sich am schnellsten anpassen, werden die Nutznießer sein, gemessen an Wachstum und der Fähigkeit, kritischen finanziellen Situationen standzuhalten.

Agenturen müssen besser darin werden, ihre eigenen differenzierenden Kern-Produkte und -Services zu erkennen und darin zu investieren. Gleichzeitig müssen sie besser werden, mit externen Partnern und – noch wichtiger – mit Inhouse-Agenturen der Kunden zu kooperieren. Damit einhergehend müssen Agenturen den eigenen Glauben an Dienstleistungen, die einfach standardisiert werden können, zurückstellen. Outsourcing der Agenturen und Insourcing von Kunden bedeuten, dass es für Agenturen zunehmend schwerer wird, standardisierte Services zu wettbewerbsfähigen Konditionen anzubieten. Kunden rücken ab von zeit- und materialbasierter Vergütung hin zu einer Preisgestaltung nach Menükarte. Eine Vordenkerrolle und Innovationen werden Agenturen für die Zukunft absichern und es ihnen ermöglichen, ihre erwarteten Gewinne einzustreichen.

Nicht zuletzt müssen alle Agenturen natürlich absolute Digital- und Data-Experten sein. Ich zögere bei dem letzten Punkt, denn ob Agenturen hinsichtlich Data mitspielen oder nicht, müssen sie eigenständig entscheiden. Aber das Wissen um die Auswirkungen des „Internet of Things“ und „Big Data“ werden uns alle beeinflussen.

Welche Auswirkungen hat das auf Kunden und deren Arbeitsweise mit Agenturen?

Der Nutzen von Agenturen für Kunden wird immer stärker in Frage gestellt. Es wird große Organisationen geben, die in der Lage sind, komplexe Lösungen auf globaler Ebene zu liefern und eine wachsende Anzahl an kleinen spezialisierten Agenturen und Beratungen, die eine Vordenkerrolle in Bereichen einnehmen können, die das Expertengebiet des Kunden überschreiten. Wohl oder übel, glaube ich, dass Kunden vermehrt projektweise und weniger auf Basis eines Retainer-Modells mit Agenturen zusammen arbeiten werden. Kunden werden ihre Agenturen weiterhin eines Besseren belehren, dass sie eben nicht Vormundschaft ihrer Marke sind. Der Kampf mit einigen Kunden um fragliche Praktiken wie unangemessene Zahlungsbedingungen und Rabatte wird wohl kaum enden.

In einem zunehmend messbaren, digitalisierten Markt werden Kunden ihre Agenturen zu Recht verstärkt für wirtschaftlichen Erfolg und ROI ihrer Kampagnen direkt verantwortlich machen. Dies wird Herausforderungen für beide Parteien hervorbringen. Die Zurechnung auf die Kampagnen, sinnvolle Messwerte und die erfolgsabhängige Vergütung, über die viel geredet, die aber zu selten realisiert wird. Dies alles sind Themen, mit denen wir weiterhin zu kämpfen haben werden.

Wie werden sich insbesondere Public Relations Agenturen in den nächsten Jahren entwickeln?

Das ist eine gute Frage. Mit der zunehmenden Zuordnung der Auswirkung der Corporate Reputation auf Aktienkurse und Attraktivität für Investoren könnte man argumentieren, dass viele PR Agenturen größtenteils bereits ihre Chance vertan haben. Mit einigen wundervollen Ausnahmen haben es PR-Agenturen nicht geschafft, die besten Strategietalente zu rekrutieren, die den Kunden helfen können, ihre eigene Reputation am besten zu managen und einen nachweislichen Zusammenhang zur Vertriebsleistung herzustellen.

Unter diesen Voraussetzungen bewegt sich die Kommunikationsflut stetig in Richtung „earned media“ anstelle von „bought media“. Dies hat PR Agenturen eine riesige Chance beschafft. Selbstverständlich müssen PR-Agenturen daher die beste Social Media- und Digital-Expertise mit ihrem existierenden Talent kombinieren. Dies macht eine neue Form der Geschäftsintegration notwendig, die bereits viele herausgefordert und noch viele herausfordern wird. Aus meiner Erfahrung heraus sind das Business Modell und die Kernkompetenzen, die für den Erfolg im Digital- und Social-Bereich notwendig sind, fundamental andere als in der traditionellen PR.

Eine andere Möglichkeit für PR-Agenturen besteht darin, sich mit „bought media“-Agenturen zusammenzutun. Die Fähigkeit, sich tagesaktuell Media-Outcome zu verdienen, wird beiden wichtige Erfahrungswerte und eine interessante gemeinsame Grundlage schaffen. Content ist das Herzstück für beide, obwohl sich Format, Budget und der Zeithorizont oft grundlegend unterscheiden.

 

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