Medienpräsenz: Die Herren der Gigabit-Gesellschaft

CEO-Zweikampf

Kaum eine Branche wandelt sich so rasch wie die Telekommunikation. Für die Deutsche Telekom und den Rivalen Vodafone reicht es schon lange nicht mehr, Festnetzanschlüsse und Mobilfunkkarten zu verkaufen. Wer das Geschäft von morgen kontrollieren will, muss die Digitalisierung beherrschen und beim Internet der Dinge, vernetzten Autos und Big Data die Nase vorn haben.

In Interviews und auf Konferenzen proklamieren Timotheus Höttges und Hannes Ametsreiter bereits die Gigabit-Gesellschaft. Allerdings hat die Telekom den Dauer-Rivalen Vodafone nicht nur bei Umsatz und Mobilfunkkunden hinter sich gelassen. Höttges dominiert auch klar das Bild in der Öffentlichkeit. Kann Ametsreiter, der im Oktober von Telekom Austria zur deutschen Vodafone wechselte, dem Düsseldorfer Konzern wieder zu positiven Schlagzeilen verhelfen? 

Wie ist ihr Bild in der Öffentlichkeit?

Er hatte ein schweres Erbe, und konnte sich trotzdem rasch durchsetzen: Als Höttges im Januar 2014 den Vorstandsvorsitz von René Obermann übernahm, gab es nicht wenige Zweifler. Obermann war medial omnipräsent, ein Promi-CEO mit Star-Qualitäten, verheiratet mit ZDF-Talkmasterin Maybrit Illner. Höttges galt dagegen als nüchterner Zahlenmensch, wirkte immer etwas angestrengt. Doch dem weitgehend unbekannten Nachfolger gelang es schnell, seinen eigenen Stil zu finden. Höttges präsentierte sich von Beginn an als Leader der Digitalisierung.

Noch vor Amtsantritt reiste er für sechs Wochen ins Silicon Valley, um die Startup-Szene zu verstehen und sich inspirieren zu lassen. „Wird die Telekom jetzt so cool wie Apple, Herr Höttges“, titelte Bild. Geholfen hat auch, dass die Amtsübergabe medial perfekt orchestriert war. Heute ist Höttges einer der CEOs, deren Bild in der Öffentlichkeit mit am stimmigsten ist: Der begeisterte Technik-Fan wirkt stets locker und trotzdem zielstrebig.

Ametsreiter kam mit vielen Vorschusslorbeeren zu Vodafone. „Scheitern kennt er nicht“, schrieb der Standard. „Er hat nichts vom Schmäh, von dieser Schnoddrigkeit, die den Wienern häufig nachgesagt wird. Präzise und genau wirkt er, fast schon ein wenig angelsächsisch“, analysierte das Handelsblatt. Als langjähriger Vorstand und seit 2009 CEO hatte er Telekom Austria auf dem umkämpften österreichischen Mobilfunkmarkt zu neuen Rekorden geführt. Der Marketing-Experte hat gelernt, Medien und Öffentlichkeit für seine Zwecke zu steuern. 2013 wurde er zum „CEO des Jahres“ in Österreich gewählt.

Allerdings hätte sich Ametsreiter danach kaum eine schwierigere Aufgabe aussuchen können: Das Handelsblatt bezeichnete den Chefposten bei Vodafone als einen der „härtesten Jobs“ Deutschlands, Ametsreiter selbst spricht von einer „Herkulesaufgabe“. „Vodafone gleicht einem Bundesligaverein auf einem Abstiegsplatz“, so das Handelsblatt.

Seit Jahren rennen die Kunden davon. Die Mitarbeiter sind verunsichert, die Festnetz- und Mobilfunksparte bekämpfen sich. Zwischenstand nach acht Monaten: Ametsreiter präsentiert sich als nahbarer CEO „ohne Krawatte und überzogene Business Attitüde“ (Kölner Express). Auf ein eigenes Büro verzichtet er und kündigt medienwirksam das Ende der Roaming-Gebühren in der EU an. All das kommt bei den Medien gut an. Trotzdem wirkt der Chef der „Roten“, wie Vodafone in der Branche genannt wird, noch merkwürdig blass. 

Wer hat die bessere Medienpräsenz?

Medial spielen Höttges und Ametsreiter in verschiedenen Ligen. Im Medienpräsenz-Ranking der Dax- und MDax-Chefs gehört Höttges zu den zehn am häufigsten in den Medien erwähnten Vorstandsvorsitzenden (CEO Communication Monitor 2015). Ametsreiter käme in diesem Vergleich erst auf Position 42. Zwar ist der Vodafone-Chef seit Jahresbeginn deutlich häufiger in der Presse, allerdings dominiert Höttges nach wie vor die mediale Agenda. Ungünstig für Ametsreiter ist zudem: Der CEO des dritten Anbieters am Markt, Thorsten Dirks von Telefónica Deutschland, ist als Chef des Branchenverbandes Bitkom ohnehin häufig in den Schlagzeilen. Eingezwängt zwischen einem Dax-Chef und einem Branchen-Sprecher bleibt dem Vodafone-CEO nur wenig medialer Platz.

Wo treten sie auf?

Höttges ist ein fast schon omnipräsenter Vorstandsvorsitzender. Ob beim CeBIT-Rundgang mit Kanzlerin Angela Merkel, als Redner bei der Burda Digitalkonferenz DLD oder beim Wirtschaftsgipfel der Süddeutschen Zeitung – der Telekom-Chef ist stets vor Ort, wenn sich die Elite aus Politik und Wirtschaft versammelt. Dabei schlüpft Höttges auch gerne in die Rolle des Interviewers, wenn er etwa für die Konzernkommunikation ein Video-Interview mit dem Zukunftsforscher Rob Nail über Roboter und künstliche Intelligenz führt oder auf der CeBIT mit seinen CEO-Kollegen Rüdiger Grube (Deutsche Bahn) und Oliver Bäte (Allianz) diskutiert.

Doch auch Ametsreiter weiß, wie man Auftritte für die Positionierung nutzt. Als Telekom Austria-Chef zeigte er sich regelmäßig beim Hahnenkamm-Rennen in Kitzbühel ebenso wie bei den Salzburger Festspielen. In einer eigenen Talk-Runde diskutierte er mit Größen wie Huffington Post-Chefin Arianna Huffington und Richard Branson von der Virgin Group. Seit er bei Vodafone Deutschland an der Spitze steht, war Ametsreiter bei der CeBIT und auf Veranstaltungen der Vodafone Stiftung am sichtbarsten. In seinen Auftritten hat er jedoch noch Luft nach oben.

Wer berät sie?

Höttges setzt in der Kommunikation auf bewährte Kräfte: Der frühere Radiojournalist Philipp Schindera steuerte schon unter Obermann erfolgreich die Kommunikation des Bonner Konzerns und ist bis heute für die CEO-Positionierung verantwortlich. Klare Ansage von Höttges: „Die Kommunikation muss sich selbst als Treiber des digitalen Wandels verstehen.“ Die Rolle des Kommunikators müsse weiterentwickelt werden, so Höttges: „Dazu gehört, dass er immer wieder sich selbst und seine Rolle hinterfragt. Er muss die Digitalisierung durch die Art, wie er arbeitet und wie er kommuniziert, vorleben.“

Ametsreiter scheint dagegen noch auf der Suche nach der richtigen Kommunikationsstrategie zu sein – und nach dem richtigen Personal. Anfang Juni wurde bekannt, dass die bisherige Leiterin der Unternehmenskommunikation, Ingrid Haas, den Konzern verlässt. Es soll zu Meinungsverschiedenheiten zwischen Ametsreiter und seiner Kommunikationschefin gekommen sein, spekuliert die Rheinische Post. Ein Nachfolger steht noch nicht fest.

Bisheriger Höhepunkt?

Für Höttges ist es seit der Amtsübernahme insgesamt so gut gelaufen, dass sich einzelne Höhepunkte kaum ausmachen lassen. Der Telekom-Chef hat die in der Branche üblichen Preise und Auszeichnungen abgeräumt, etwa als „Unternehmer des Jahres“ (Horizont) und „CEO of the Year“ (Branchenblatt Total Telecom Magazine). Sehr viel wichtiger dürfte für Höttges jedoch sein, dass das Telekom-Mobilfunknetz derzeit in den einschlägigen Tests stets vorne liegt. Für den Telekom-CEO ist das die Grundlage für den Erfolg im wichtigen Mobilfunkgeschäft.

Lange vorbei sind die Zeiten, als Vodafone an der Spitze der deutschen Mobilfunkanbieter stand. Seit der Fusion von O2/Telefónica Deutschland und E-Plus sind die Düsseldorfer gemessen an den Kundenzahlen nur noch Nummer drei. Allerdings: Im Mai konnte Ametsreiter erstmals wieder eine positive Nachricht verkünden. Der im Mobilfunk wichtige Serviceumsatz ist erstmals seit vielen Jahren wieder gestiegen. Für Ametsreiter der Höhepunkt seit seinem Amtsantritt – und möglicherweise auch das Signal zur Trendwende? „Der rote Renner kommt wieder auf Touren“, verkündet er selbstbewusst. Ametsreiter macht klar, dass er angreifen will.

Bisheriger Tiefpunkt?

Nach größeren Fehltritten sucht man bei Höttges vergeblich. Dabei ist der Telekom-Chef alles andere als weichgespült oder zurückhaltend. Egal ob es um soziale Themen wie die wachsende Ungleichheit oder die Diskussion um ein Grundeinkommen geht – Höttges bezieht überraschend klar Stellung und zeigt damit, dass CEOs sich sehr wohl auch zu gesellschaftlichen Themen äußern können.

Einmal lag Höttges jedoch daneben: 2011 erklärte er als Finanzvorstand auf einer Tagung, dass Wirtschaftsprüfer bitteschön nach seinen Vorgaben zu arbeiten hätten. Ein Verstoß gegen den Corporate Governance Codex, demzufolge der Aufsichtsrat den Abschlussprüfer auszuwählen hat. Nicht nur die Börsenzeitung kritisierte den Telekom-Manager. Überschrift: „Herr Höttges und seine Chorknaben“.

Als Telekom Austria-Chef musste Ametsreiter eine der größten Korruptionsaffären der Alpenrepublik aufarbeiten. Es ging um Aktienmanipulationen und geheime Zahlungen an Politiker. Auch wenn Ametsreiter selbst unbeschadet blieb, habe ihn dieses „Stahlbad“ gestärkt, wie er später berichtete. Allerdings wünsche er niemanden, in eine ähnliche Situation zu geraten. Ametsreiter hat bewiesen, dass er auch bei starkem Gegenwind nicht so leicht umfällt. Diese Steher-Qualitäten könnte er bei Vodafone noch brauchen.  

Sieger im CEO-Zweikampf…

…ist Timotheus Höttges. Zwar hat er als Chef eines Dax-Konzerns und noch dazu der Telekom automatisch mehr Aufmerksamkeit durch Medien und Öffentlichkeit als der Deutschland-Chef eines ausländischen Konzerns. Trotzdem haben Höttges und sein Chefkommunikator Schindera alles richtig gemacht. Der Wechsel von Obermann war medial perfekt geplant und umgesetzt. Die Positionierung von Höttges als Macher der Digitalisierung wirkt authentisch und passt zu den Zielen des Konzerns. Solange Höttges keine großen Fehler unterlaufen und die Geschäftszahlen stimmen, wird man ihm die Spitzenposition unter den deutschen Telekommunikationsmanagern kaum streitig machen können.

Trotzdem hat Hannes Ametsreiter genügend Hebel, um seine Positionierung – und damit die mediale Aufmerksamkeit – für sein Unternehmen zu verbessern. Bislang fehlen dem Vodafone-Chef jedoch die richtigen Themen und Botschaften, um auf der medialen Bühne wirklich wahrgenommen zu werden. Egal wer künftig die Unternehmenskommunikation in Düsseldorf leiten wird – die Entwicklung einer neuen CEO-Positionierung wird eine der Hauptaufgaben sein.

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