Kommunikation evaluieren – aber richtig

Bis weit in die 90er Jahre fehlten in der Praxis der Unternehmenskommunikation adäquate Formen der Wirkungsmessung. Es blieb oft bei simplen Input/Output-Analysen. Medienresonanz und Anzeigenäquivalenzwert waren weit verbreitet. Andere Wirkungsmessungen erwiesen sich oft als aufwendig und kostenintensiv. Mit der Jahrtausendwende wurde Kommunikation zunehmend als strategische Funktion in der Unternehmensführung begriffen. Sie musste damit anschlussfähig an die Führungs- und Wertschöpfungsdiskurse im Unternehmen werden und sich intern auf Augenhöhe bewegen.

Durchgesetzt haben sich Systeme, die den Beitrag zum Unternehmenserfolg messen. So wird mit Methoden, die auf einem Communication Value System basieren (CVS), versucht, den Beitrag der Kommunikationsarbeit zur Mehrung des Realkapitals nachzuweisen. Eine schöne Vorstellung: Beweisen zu können, dass eine Investition von einer Million Euro in Kommunikation sieben Millionen Euro Return on Investment (RoI) einbringt. Aber diese Hoffnung ist nicht realistisch. Kommunikation ist Teil eines komplexen Wirkungssystems und die bisherigen Versuche, dies in betriebswirtschaftlichen Systemen abzubilden, scheiterten. Eine Befragung unter 1.955 leitenden Kommunikationsmanagern in Europa zeigt, dass immer noch die Wirkung in den Massenmedien und die Reichweite eigener Plattformen erhoben wird. Der Nachweis von Auswirkungen auf Meinungen und Verhalten findet genauso wenig statt wie der auf Unternehmensziele und immaterielle Vermögenswerte.

Unternehmen, die tatsächlich komplexe Wirkungsmessung und CVS-basierte Methoden implementiert haben, sehen an den Zahlen nicht, wie sie ihre Kommunikation verbessern können. Die abstrakt unternehmerischen Ergebnisse haben keinen direkten Steuerungsnutzen für die Unternehmenskommunikation selbst, sondern dienen allein der internen Rechtfertigung. Einen solchen Zweitnutzen haben nur Ergebnisse, die Ziel und Wirkung zeigen und damit Steuerungsgrößen für die Kommunikation sind.

Ein neuer Ansatz: Beziehungskapital als Größe

Kurzum: Die Ökonomisierung ist gescheitert, denn sie bringt weder die Kommunikatoren weiter, noch belegt sie den Nutzen von Kommunikation für das Unternehmen. Das liegt schlicht am falschen Bezugsrahmen. Dieser ist für strategische Kommunikation nicht das Realkapital, sondern das Beziehungs- oder Sozialkapital eines Unternehmens. Letzteres wird mittels Kommunikation beeinflusst und gesteuert. Hier lassen sich eindeutige Zusammenhänge herstellen. Letztendlich lassen sich so auch Brücken schlagen in Richtung Bilanzen und Unternehmenserfolg.

Die Stakeholder-Orientierung – deren Bedeutung seit einigen Jahren stetig zunimmt – bildete den Ausgangspunkt der Arbeit von Peter Szyszka, Professor der Kommunikationswissenschaften an der Hochschule Hannover. Er hat den Ansatz des sozialen Kommunikationscontrollings entworfen. Das Ziel: Dort messen, wo Kommunikation wirkt. Und so messen, dass man Kommunikation steuern kann. Die Idee: Die Beziehung und ihre Bewertung ins Zentrum stellen und dafür das Wesen der Beziehung im Detail erforschen.

Dieser Ansatz bietet Kommunikatoren die Möglichkeit, einerseits dem Rechtfertigungszwang nach quantitativer medialer Präsenz zu entkommen, und beantwortet gleichzeitig die Frage nach dem Zweck unserer Arbeit: Public Relations, die Arbeit an und in Beziehungen – Wissen, Meinungen und Verhalten von Stakeholdern. Beziehungen sind sowohl Grundlage für unternehmerisches Handeln als auch Mittel, um weitere Handlungsspielräume für unternehmerisches Agieren zu erhalten. Gute Beziehungen liefern Vertrauenskredit, von dem ein Unternehmen profitiert, ohne dass sich dies unmittelbar in Rendite ausdrücken lässt. Sie sind die Grundlage für den Fortbestand der „License to operate“.

Beziehungskapital in der Praxis

In der Konzeption und Beratung verbessert der Fokus auf Beziehungen und ihre Qualität die Art, Kommunikation strategisch zu planen, umzusetzen und auch zu kontrollieren.

Am Anfang steht das Ziel: Kommunikationsziele sollen auch weiterhin „smart“ sein, sprich spezifisch, messbar, ausführbar, relevant und terminiert. In der Konsequenz wird dies aber nicht hingeführt auf den Mehrwert am Realkapital durch Kommunikation. Vielmehr wird jetzt gefragt: Welche Beziehungen brauchen wir, um unternehmerische Ziele zu erreichen, und wie müssen diese beschaffen sein? Als Ergebnis steht ein klares Beziehungsset, das Augenhöhe der Unternehmenskommunika-tion mit der Strategie des Unternehmens herstellt. Denn die Entscheider müssen sich darüber  klar werden, welche Qualität sie in ihren Beziehungen benötigen, um strategische Unternehmensziele überhaupt oder idealerweise erreichen zu können, und was sie ihren Beziehungspartnern eigentlich zu bieten haben.

Prioritäten setzen: Keine Organisation kann alle Themen und Stakeholder gleichrangig behandeln – es gilt, Prioritäten zu setzen. Eine klassische Übersicht über Themen und Stakeholder sowie deren Priorisierung in einer Issue- und Stakeholder-Map sorgt bekanntermaßen für den richtigen Fokus. Interessant wird es bei der Frage nach der Gestalt der Beziehungen zu Stakeholdern.

Stakeholder und Beziehung im Detail: Das Modell von Szyszka beschreibt, was genau eine Beziehung ausmacht. Über Beobachtung, Beschreibung und Bewertung von Identität und Authentizität der Beziehung können Schlüsse über die Qualität und den Zustand des sozialen Beziehungskapitals als Kreditgröße gezogen werden. Im Stakeholder-Relation-Profil werden wesentliche Werte verdichtet. Es zeigt den Status der Beziehung und verdeutlicht, wo kommunikativ gearbeitet werden muss. Dabei fließen Persönlichkeitsmerkmale, Meinungen und Prädisposi-tionen mit ein.

Arbeit an Beziehungen und Mehrung des Beziehungskapitals: Das Profil und seine Veränderung sind Indikator und Steuerungssystem des sozialen Beziehungskapitals. Es zeigt, welche Ebene der Beziehung bearbeitet werden muss, um das gewünschte Verhalten zu ermöglichen. Mit Blick auf Ist- und Soll-Profile wird klar, ob Botschaften oder einzelne Maßnahmen geeignet sind, die Beziehung positiv zu verändern, eine gute Beziehung zu stabilisieren oder eine bislang kaum vorhandene Beziehung positiv zu konstituieren. In der Zusammenschau, dem Beziehungscockpit, lassen sich Veränderungen in der Relevanz, Akzeptanz, Präferenz und Verhalten erkennen und steuern.

Jede Organisation muss mit Blick auf die Ressourcen selbst entscheiden, wie detailliert, wie spezifisch und wie empirisch quantifiziert dieser Prozess erfolgt. Schon in der Erfassung des Ist-Zustands und der Priorisierung liegt enormes Potenzial zur Ausrichtung von Kommunikation.

Public Relations ernst nehmen

Kommunikationsarbeit wird durch Informationen, Meinungsaustausch und Verhalten beeinflusst – entsprechend logisch ist es, ein Controlling aufzusetzen, das Beziehungen ins Zentrum stellt. Nur wenn es die Haltung und Meinung der Stakeholder abbildet, Möglichkeiten der Diagnose aufzeigt und Hinweise zur Verbesserung von Kommunikation liefert, kann Public Relations wirklich erfolgreich sein.

Dieser Beitrag erschien zuerst in der gedruckten Ausgabe Employer Branding. Das Heft können Sie hier bestellen.

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