Im Porträt: Interim-Manager Martin Gosen

Heute hier, morgen dort

Wenn’s am schönsten ist, muss Martin Gosen gehen. Muss? Er will. Denn der Kommunikationsspezialist ist Interim-Manager, Führungskraft auf Zeit. Findet ein Projekt seinen erfolgreichen Abschluss, ist Gosens Mandat vorbei und er widmet sich neuen Aufgaben. Damit ist er einer der wenigen Interim-Manager in der Kommunikationsbranche, auf die die Bezeichnung vollends zutrifft, denn viele PRler nehmen zwar zwischen zwei Langzeitjobs ein Interim-Mandat an, aber letztendlich nur, um eine Jobflaute zu überbrücken. Bei Martin Gosen ist das anders: „Ich mag diesen Job. Und ich habe ihn gewählt, weil ich die Abwechslung liebe.“ Er ist Interim-Manager aus Überzeugung. Und davon, so schätzen ­Experten, gibt es in der Kommunikationsbranche vielleicht eine Handvoll.

Wir treffen Martin Gosen in seinem Büro in Berlin-Mitte, von außen ein schlicht wirkender Neubau aus den 90er Jahren. Innen lassen die Räumlichkeiten auf konzentriertes Arbeiten schließen. Bei dem erlesenen langen Konferenztisch mit seinen neonpinkfarbenen Elementen denkt man ein wenig an den typischen Berlin-Mitte-Chic, bei weitem aber nicht so erzwungen wie in mancher PR-Agentur. In den Büroräumen gibt es wenig Schnickschnack, wenig Schnörkel. Der Fokus soll auf dem Wesentlichen liegen: der Arbeit, die ein hohes Maß an Sorgfalt erfordert. Und die strahlt der 47-jährige Marathonläufer mit jeder Faser seines Körpers aus. Auch als er kurz vor dem Fotoshooting noch schnell den Glastisch poliert. Sorgfalt eben.

Gosen und seine Sozietät, die „Einstweilige Vertretung“, deren Geschäftsführender Gesellschafter er ist, teilen sich die Räumlichkeiten mit einer anderen Firma. Aber eigentlich ist er momentan gar nicht so oft hier, höchstens am Abend. Wären wir nicht gerade verabredet, würde er bei Coca-Cola im Büro sitzen. Hier ist er seit März 2015  an mehreren Tagen pro Woche einer von drei Pressesprechern – nur für eine bestimmte Zeit, versteht sich. Im Durchschnitt ist er zehn bis zwölf Monate in einem Unternehmen. Kürzere Phasen seien eher selten. Wenigstens hat Coca-Cola seinen Sitz in Berlin und Gosen muss nicht pendeln. Dass er für ein Mandat zeitweise woanders lebt, ist nicht selten: Zuletzt war er für ein Jahr in Düsseldorf, davor für ein halbes in Bonn. Das muss man mögen. Privatleben, Verabredungen mit Freunden, all das müsse daher langfristig geplant werden – nicht leicht für Martin Gosen, der die Spontaneität liebt.

Von Anfang an 100 Prozent

Es gibt mehrere klassische Gründe, weshalb „Kommunikationsprofis auf Zeit“ gebraucht werden. Zum Beispiel wenn eine Vakanz besteht. „Meistens suchen die Unternehmen zwar nach geeigneten Kandidaten, aber es dauert oft länger als erwartet. Dann holen sich Firmen jemanden zur Überbrückung“, so Gosens Erfahrung. Weitere Beispiele seien Krankheit oder Elternzeitvertretung. Hier ist oftmals nicht abzusehen, wann und ob die Kollegen wieder voll einsteigen.

Beginnt für Martin Gosen ein neues Mandat, ist ihm eins vollkommen klar: „Schnelles Einarbeiten, das ist das A und O. Eine Hundert-Tage-Frist gibt es für mich nicht.“ Das heißt auch, dass er bereits im Vorfeld viel und sorgfältig über das Unternehmen liest, natürlich die einschlägigen Unternehmenspublikationen, Geschäftsberichte et cetera. Viel Zeit bleibt dafür jedoch nicht, denn meis­tens startet der Einsatz schon wenige Tage nach dem Anruf des Mandanten. Vor allem den Beginn seiner Mandate vergleicht Gosen mit einem Tanz auf dünnem Eis. „Sie müssen sich klug und vorsichtig bewegen, um nicht einzubrechen.“ Es bedarf einer hohen Sensibilität für Menschen und Themen. Entscheidend sei, den Mitarbeitern und Kollegen gut zuzuhören. „Man sollte nicht der Versuchung erliegen, gleich zu allem seinen Senf ­geben zu wollen. Man muss Vertrauen aufbauen, authentisch sein.“ Gosen versucht seinen Kollegen das Gefühl zu geben, dass er nichts gegen sie tut, sondern mit ihnen arbeiten möchte. „Schließlich“, so sagt er, „kennen die Mitarbeiter ihren Job viel besser als ich, der vielleicht erst seit wenigen Wochen im Unternehmen ist.“ Er will die ­Leute befähigen, Lösungen zu entwickeln. Es sei wichtig, die Menschen einzubeziehen, denn sie wollen nicht nur ausführendes Organ sein. Zwar, so sagt er, sei er schon lange im Bereich Kommunikation unterwegs, aber nicht auf jedem Gebiet ein Experte. Gosen bezeichnet sich selbst als Generalist. Er sei nun mal kein Spezialist für Social Media oder für Corporate Publishing. „Es gibt genug Dinge, die ich nicht so gut kann wie die Leute, mit denen ich zusammenarbeite. Ich breche mir aber keinen Zacken aus der Krone, diese Leute zu fragen.“ Sein Job ist vergleichbar mit dem eines Architekten, der selbst kein guter Statiker sein muss. Wohl sollte er einen guten von einem schlechten Statiker unterscheiden können. Denn sonst bricht das Haus am Ende zusammen.

Man muss schon ein bestimmter Typ sein und Veränderung mögen. „Der Job ist sehr fordernd. Weil man sehr schnell sein muss, weil man sehr sorgfältig sein muss, weil der Druck hoch ist, weil das Eis oft dünn ist“, resümiert Gosen. Die Herausforderung sei, das alles so zu machen, dass man gesund und leistungsfähig bleibt. Achtsamkeit sich selbst gegenüber spiele eine große Rolle. Klar, wenn man alle anderthalb Jahre in ein neues Unternehmen springt, in einen neuen Markt, mit neuen Mitarbeitern, neuen Kollegen. Teil dieser Achtsamkeit ist für Martin Gosen das regelmäßige Laufen: Drei- bis viermal pro Woche zieht er die Joggingschuhe an und läuft zehn Kilometer. Wenn er sich auf einen Marathon vorbereitet, dürfen es auch ein paar mehr sein.

 

“Klar, es ist nicht so, dass ich vor Freude in die Luft springe und in die Hände klatsche, wenn ich gehe, man lässt ja auch immer gute Kollegen zurück und ein bisschen Herzblut.” Foto: Julia Nimke

Mehr Freiheit, mehr Abwechslung

Lange treu war der gelernte Bankkaufmann der Commerzbank. Hier hat er 13 Jahre in verschiedenen Positionen gearbeitet: Kreditsachbearbeiter, Marketingassistent der Regionalfilialleitung, Referent für Kommunikation. Er konnte sich jedoch nicht vorstellen, das sein gesamtes Arbeitsleben lang zu tun. Hier gab es festgelegte Prozesse und starre Strukturen. „Ich wollte mehr Freiheit, mehr Abwechslung – das war der Grund, warum ich in die Kommunikation gegangen bin. Und das habe ich bis heute nicht bereut.“ Martin Gosen schätzt die vielen Eindrücke, die er mitnimmt. Jedes Mandat bringe ihm einen großen Schatz an neuen Erfahrungen und Erkenntnissen. Er empfindet das als ­Bereicherung.

„Klar, es ist nicht so, dass ich vor ­Freude in die Luft springe und in die Hände klatsche, wenn ich gehe. Man lässt ja auch immer gute Kollegen zurück und ein bisschen Herzblut“, gesteht er. Nach Abschluss eines Auftrags freut er sich aufrichtig zu sehen, wie die Saat, die er mit gestreut hat, aufgeht. Das macht zufrieden. Aber das Bedürfnis, deswegen länger irgendwo zu bleiben, das habe sich noch nicht eingestellt. Dennoch schließt er es nicht aus, eine Position anzunehmen, die auf Langfristigkeit abzielt. „Es gibt für jeden von uns in der Kommunikation Traumjobs. Wenn jetzt beispielsweise ein bedeutendes Unternehmen käme und mir einen solchen Traumjob anbieten würde, dann wäre ich doch mit dem Klammerbeutel gepudert, wenn ich das ablehnte!“, lacht Martin Gosen. Grundsätzlich ist er aber mit dem, was er macht, glücklich und will das Produkt Interim-Management mit den zwei Partnern seiner Sozietät weiter ausbauen. Er sieht eine Menge Wachstumspotential in dem Segment, was Marei Strack Vorstandsvorsitzende der Dachgesellschaft Deutscher Interim Management (DDIM) bestätigt. Ein bis zwei Mal pro Monat klingelt bei Gosen das Telefon mit einem potenziellen neuen Mandat. Bleibt ihm nur zu wünschen, dass er weiterhin achtsam bleibt.

Dieser Beitrag erschien zuerst in der gedruckten Ausgabe Change. Das Heft können Sie hier bestellen.

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