Global? Hyperlokal!

Lokale PR

Zwei Stunden, nachdem Christiane ­Reißner-Reichling Schützenkönigin von Olpe wurde, gratulierte ihr der eigene Arbeitgeber mit einer individualisierten Anzeige auf Lokalplus, der hyperlokalen App in ihrer Nachbarschaft. Mehr als 18.000 Abonnenten konnten die personalisierten Glückwünsche auf dem Handy oder Tablet lesen.

„Wir sind im Kreis Olpe in einer Region, in der das Brauchtum hochgehalten wird und Schützenfeste eine große Bedeutung haben“, erklärt ­Daniel ­Fitzke, Pressereferent im Bereich Vertriebsmanagement und Kommunikation der Sparkasse Attendorn-Lennestadt-Kirchhundem.

„Wenn einer unserer Kollegen Schützenkönig wird, gratulieren wir schon lange mit einer Glückwunschanzeige. Bisher haben wir das in Print-Produkten gemacht, in diesem Jahr erstmals auch per App. Das war ein Experiment, die Anzeige hatten wir schnell durch: Angefragt, Anzeigenmotiv geändert, Freitext mit dem richtigen Namen angepasst, Formate für Handys und Tablets angepasst, hingeschickt – fertig.“ Der größte Teil seiner PR zielt zwar auf das Image und weniger auf die Produkte der Sparkasse, aber Fitzke weiß: „Wenn die Reputation gut ist, kommen die Kunden von alleine.“

Und die sitzen nicht in Shanghai oder New York, Fitzkes Brot- und Buttergeschäft ist radikal lokal. „Aber meine Zielgruppen sind sehr heterogen – vom Jugendmarkt über junge Erwachsene, den Bereich der Privat-, Firmen- und Vermögenskunden bis zu 60 plus. Ich muss Stakeholder in den Trägerkommunen ebenso erreichen wie in Ehrenämtern, und mein größter Hebel ist da die lokale Pressearbeit mit ihren verschiedenen Kanälen.“

Gut für Daniel Pauly, Geschäftsführer und Verkaufsleiter bei Lokalplus in Lennestadt. „Wir haben uns die Medien angeschaut und finden, dass es eine große Diskrepanz gibt zwischen dem, was machbar ist, und dem, was gelebt wird“, sagt der frühere Verkaufsleiter beim „Boten“ und dem Kurierverlag.

„Ein E-Paper etwa oder eine Homepage, die über den Tag vereinzelt mit News aufwartet, ist nicht mehr zeitgemäß. Überregionale Nachrichtenmedien wie „Spiegel Online“ oder „N24“ liefern rund um die Uhr Brandaktuelles. Genau das vermissen wir aber auf lokaler Ebene. Unser Herzstück: Wir sind in der Lage, die Tageszeitung als aktuelles Nachrichtenprodukt abzulösen.“

Von Attendorn nach Kirchhundem sind es vielleicht 20 Kilometer, aber für viele Bewohner ist das gefühlt eine Weltreise. Den Nachrichten-Feed der App kann sich nun jeder User genau um seinen Kirchturm und seine Interessenssphäre herum einrichten, weil der Content gezielt für einzelne Städte und Gemeinden ausgespielt wird.

Die Nachrichten-App Lokalplus berichtet nur im Landkreis Olpe (c) Thinkstock/Mona Karimi

Die Nachrichten-App Lokalplus berichtet nur im Landkreis Olpe (c) Thinkstock/Mona Karimi

Als Sparkassenmann Fitzke hörte, da versuchen welche ein lokales Online-Format auf den Weg zu bringen, war er erst einmal skeptisch, denn es gibt schon einige Portale in der Umgebung: „Wir sprechen über ein Format, das es Anfang des Jahres noch gar nicht gab. Lokalplus kam ganz plötzlich in den Markt und ich stellte fest, dass die jungen Kollegen das alle lesen. Ich war erstaunt, wie viele Downloads es schon gab, die App hat sich stark viral verbreitet und ist inzwischen ein wichtiger Baustein in unserem Mediamix. Lokalplus ist in unserem Presseverteiler, der Kanal ist für unser Monitoring egal. Das Nutzerverhalten gerade bei den Jungen geht eindeutig in Richtung App, die gucken nicht mehr in eine Tageszeitung.“

Das Geschäftsmodell des App-Teams: Sie stellen aktuelle Nachrichten kostenfrei zur Verfügung und finanzieren sich durch Anzeigen. „Dabei verzichten wir bewusst auf blinkende Banner und setzen stattdessen auf animierbare Anzeigen mit Videos und diversen Spielereien“, so Pauly. „Auf diese Weise nehmen Leser die Werbung anders, nämlich bewusster wahr, was für unsere Kunden attraktiv ist. Die können ihre Anzeige bei uns auch stundengenau planen. Und wer Monate durchbucht, kann zwischendurch das Motiv und Inhalte problemlos ändern, um für neue Eye-Catcher zu sorgen.“

Daniel Fitzkes Budget hat sich durch die App als neuem PR-Kanal nicht erhöht. In der Region gibt es drei Magazinformate, die gegen Copypreis oder kostenlos abgegeben werden. „Wir haben die Tagespresse, zwei sehr starke lokale Anzeigenblätter, die sich digital auch gerade neu aufstellen, die sind weiterhin sehr wichtig“, sagt Fitzke. „Ich sehe allerdings eine neue Zielgruppe, die sie über die klassischen Medien heute immer weniger erreichen – aber über die App.“ Viele Kunden shiften ihre Anzeigenbudgets in Richtung des Online-Bereichs. „Im Vergleich mit einem Online-Portal, bei dem ein Banner pro Woche 60 Euro kostet, sind unsere Preise nicht konkurrenzfähig“, gesteht Medienmacher Pauly. Aber der Vergleich sei falsch, „denn wir verstehen uns als echten, zeitgemäßen Ersatz für Tageszeitung oder Anzeigenblatt.“

Aktuell besteht sein Team aus drei Geschäftsführern und zwei Redakteuren, die außerdem zehn freie Mitarbeiter einsetzen. Zum Vergleich: Die örtliche Tageszeitung hat kreisweit allein elf festangestellte Redakteure. Bei Lokalplus kommen noch eine Kollegin für die Administration wie Rechnungswesen und Buchhaltung dazu, zwei IT-Programmierer und eine Mediengestalterin für die Anzeigen. Und auch sein Kunde arbeitet mit einem kleinen Team von vier Leuten. Fitzke: „Eventmanagement gehört ebenso dazu wie Vertriebs­unterstützung, Marketing und die Abwicklung von Mailings, klassische Presse- und Öffentlichkeitsarbeit, Redenschreiben und der Jugendmarkt. Jeder von uns hat seine Spezialisierungen, wir müssen aber auch Generalisten ein.“ Anders als in der Sparkasse sind die Lokalredakteure nicht mehr an den Schreibtisch gebunden. Früher mussten sie zu einem Termin oder Ereignis fahren, Notizen und Bilder machen, zurück ins Büro kommen, alles am Rechner eintippen, danach wurde der Beitrag noch produziert.

Lokalplus geht einen anderen Weg: „Unsere Redakteure sind mit „Surfaces“ – einer Mischung aus Laptop und Tablet – ausgestattet, die die Redakteure immer und überall hin mitnehmen. Nach einem Termin setzen sie sich einfach ins Auto, sind über ihren mobilen Hotspot online, stellen ihren Artikel hoch und fahren zum nächsten Termin“, sagt Daniel Pauly. Eigentlich braucht die Redaktion kein Büro mehr. „Wir haben trotzdem eins. Einerseits für das Gemeinschaftsgefühl des gesamten Teams. Wir wollen auch als Arbeitgeber anders auftreten als mancher Verlag. Wir haben bewusst ein Umfeld geschaffen, in dem jeder gerne zur Arbeit kommt. Unser Vermieter etwa hat uns einen Kickertisch hingestellt. Und wir haben einen Kollegen, der ab und zu seinen Hund Oskar mitbringt“, lacht Pauly gegen die üblichen Klischées an. „Andererseits haben wir die Büroräume, um für unsere Kunden und Leser vor Ort auch face-to-face erreichbar zu sein. Das ist für ein Medium, das lokal und hyperlokal arbeitet, natürlich unumgänglich: Digital zu sein, gleichzeitig aber auch analog vor Ort greifbar.“ In der Eigen-PR setzten die Verleger auf das direkte Gespräch: „Wir sind bei vielen Veranstaltungen einfach mit einem eigenen Werbestand vor Ort und kommen so mit den Lesern ins Gespräch“, erklärt Pauly. „Da ist von 17- bis 75-Jährigen alles dabei. Das ist die Rückkehr zum „peoples business“: Ich war vorher Verkaufsleiter bei zwei Verlagen. Der Job ist hier nicht viel anders. Wir müssen unser Produkt nur mehr erklären.“

Lokalplus ist jetzt seit sieben Monaten auf dem Markt, mit aktuell knapp 18.000 Downloads als Auflagenäquivalent. Der zweite Hauptwerbekanal ist Facebook, wo das Team dank einer Mischung aus organischem Wachstum und einem kleinen Werbebudget mittlerweile mehr als 5.200 Follower hat. Pauly: „Das restliche Wachstum kommt aus dem echten Leben: Wenn beim Schützenfest der Vogel fällt, der erste Besucher wenige Minuten später bei uns die Bildergalerie dazu sieht und die Infos liest, zeigt er das 15 Freunden, und die werden innerhalb der nächsten halben Stunde unsere Leser.“

Die Sparkasse konzentriert sich in der Eigen-PR dagegen vor allem auf Imagewerbung. Als deren Stiftung im August ein Kunstwerk von Roger Löscherbach mit einem Festakt eingeweiht hat, haben die Redakteure einen Text mit vielen Fotos gebracht. Da hat die App ihre Stärken, weil in sie mehr Bildstrecke passt als in ein klassisches Printmedium. Fitzke: „Vor dem Deutschlandstart des neuen James Bond-Films haben wir gemeinsam mit einer anderen Sparkasse für ein exklusives Event für junge Erwachsene die drei Säle des Kinos von Lennestadt komplett gemietet, die waren alle voll. Das „Spektakel um Spectre“ werde ich den Medien als nächstes anbieten.“

Die App-Macher verstehen sich nicht als klassische Journalisten. „Wir wollen uns auch in der Art der Berichterstattung von den Printmedien vor Ort unterscheiden. Das heißt: Wir wollen mit Lokalplus nicht den klassischen Terminjournalismus mit den immer gleichen, austausch- und vorhersehbaren Texten betreiben, sondern über diese Termine aus anderen Perspektiven berichten“, sagt Daniel Pauly und erinnert sich: „Schützenfeste sind hier im Kreis Olpe wichtige, zentrale Säulen des gesellschaftlichen Lebens. Darüber müssen wir in der klassischen Form berichten, das wollen die Leser. Einer unserer Redakteure kann mit diesem Kult aber so rein gar nichts anfangen. Also hat er das ganze Drumherum in einem Selbstversuch mitgemacht und darüber eine Reportage geschrieben. Der neue Blickwinkel kam kreisweit hervorragend an – und hat auch unserem Redakteur Spaß gemacht, obwohl er von Schützenfesten und der klassischen Berichterstattung nach wie vor nicht begeistert ist.“

Die nächsten Schritte der Sparkasse Attendorn-Lennestadt-Kirchhundem? Daniel Fitzke zählt auf: „Es gibt kein besonderes technisches Controlling für Lokalplus. Ich spreche aber viel mit Kunden, Kollegen und Partnern, das ist gelebte Marktforschung. Die Evaluation ist noch hemdsärmelig und das Reporting bei Lokalplus noch nicht so differenziert, wie wir uns das wünschen. Aber daran arbeiten sie. Wir betrachten sie als Medienpartner wie alle anderen und haben Geduld, dass Design und Inhalte noch besser werden.“ In Print arbeitet er schon mit QR-Codes, aber der nächste Schritt ist die Verzahnung mit den anderen Online-Auftritten. „Wir wollen unsere Angebote mehr matchen“, so Fitzke, der künftig auch bei Anzeigen mit den Formaten spielen und nicht nur einen bunten Balken mit Text veröffentlichen will: „Animierte Formate sind da zum Beispiel sehr interessant für uns.“

Und die App-Macher? „Wir würden gerne große Media-Agenturen anziehen, aber dafür sind wir noch zu klein. Wenn ich bei dem Vermarkter von Aldi, Penny oder Lidl anrufe, muss der uns erst noch auf der Landkarte suchen“, sagt Pauly. „Aber einer unserer nächsten redaktionellen Schritte werden Push-Mitteilungen sein, die Lesern Aktuelles aus ihrem Ort direkt aufs Smartphone spielen. Dazu sollen Videos kommen und Audio-Slideshows. Unseren ITlern wird in den nächsten Jahren sicher nicht langweilig werden.“

Aktuell in der App: Die Westfalenmeisterschaft im karnevalistischen Tanzsport in Attendorn. Sinkende Müllgebühren in Drolshagen. Kirchhundemer Kleiderstube meldet Überfüllung wegen zu vieler Textilspenden. Infonachmittag für Realschüler am Gymnasium Lennestadt. Das nächste Schützenfest kommt bestimmt …

 

Dieser Beitrag erschien zuerst in der gedruckten Ausgabe Zukunft. Das Heft können Sie hier bestellen.