Wie die Evangelische Bank mit Werten Werte schafft

Glaube und Geld

Frau Nocke, ich muss gestehen, dass ich vor der ­Heftrecherche noch nie von Ihrer Bank ­gehört habe …

Franziska Nocke: Da sind Sie leider nicht alleine. Wir bewegen uns schwerpunktmäßig in der Nische von Kirche und Diakonie. Da sind wir bekannt, aber außerhalb weniger.

Stimmt es, dass Sie an einem Freitag, dem 13. keine ­Geschäfte machen dürfen?

Nein, das stimmt nicht. Aber wir haben einmal ein Vertriebsmailing versandt, das an einem Freitag, dem 13., rausging – da gab es einige Kundenbeschwerden, das brächte Unglück. Damit hätte ich ebenso wenig gerechnet wie mit dem Hinweis, dass es fatal sei, als christliche Bank im Internet vertreten zu sein, weil das www mit  „666″, der Zahl des Antichristen, verbunden wird. Unsere Kunden haben an uns besondere Ansprüche, unser Wording ist daher spezifischer als bei anderen Banken.

Worin unterscheiden sich Ihre Kunden noch von denen ­anderer Banken?

Sie sind grundsätzlich konservativer eingestellt. Sie haben mit uns eine längere Geschäftsbeziehungsdauer und die große Mehrheit will nicht spekulieren. Als Privatkunde kann jeder zu uns kommen, der sich mit dem christlichen Wertebild identifizieren kann. Das ist laut unserer Satzung bei institutionellen Kunden anders: Sie kommen aus Kirche und Diakonie, der Gesundheits- und Sozialwirtschaft, Alten-, Behinderten-, Jugendhilfe oder Bildung, sind Hospize oder Reha-Einrichtungen. Der Träger kann auch ein freier sein.

Stehen die gemeinsamen Werte dann auch im Vertrag?

Nein, aber wir gehen davon aus, dass sich Personen oder Interessenten mit uns beschäftigt haben, bevor sie zu uns kommen und uns aufgrund von Gemeinsamkeiten, wie beispielsweise eine gemeinsame Wertebasis, ausgewählt haben.

Welche Rolle spielen die Werte für Sie in der Kommunikation nach außen? Eine große. Wir sind keine Bank, die mit besten Konditionen nach außen geht und Lock­angebote offeriert. Mit unserem Claim „Uns verbinden Werte” sind Kunden und alle anderen Stakeholder eingeschlossen, aber wir nehmen das Wortspiel nicht nur rein ökonomisch, sondern sehen darin auch nichtökonomische Werte wie Vertrauen und Verantwortung, die von unseren Mitarbeitern als die wichtigsten identifiziert wurden. Das ist ein verbindendes Element und die Brücke zum Kunden.

Wie füllen Sie das mit Leben?

Wir begleiten das zum Beispiel im Employer Branding. Wir wurden wiederholt als Top Arbeitgeber Mittelstand/Deutschland prämiert. Aber Kassel ist nicht der Nabel der Welt und Banken sucht man eher in Frankfurt. Wir müssen unseren Mitarbeitern also Dinge bieten, die mehr wert sind als Geld. So haben wir bei 500 Mitarbeitern mehr als hundert verschiedene Arbeitszeitmodelle und nutzen das im Storytelling. Darüber hinaus leben wir ein ausgewogenes Gesundheitsmanagement in der Evangelischen Bank.

Haben Sie denn ­Nachwuchssorgen?

Ja, auch damit müssen wir uns auseinandersetzen. Eine nicht zu vernachlässigende Anzahl unserer Mitarbeiter sind zwischen 50 und 55 Jahre alt, da ist es absehbar, wann diese Kompetenzträger das Haus verlassen. Wir haben daher ein spezielles Personalentwicklungsprogramm aufgesetzt, mit dem ­Nachwuchskräfte Schritt für Schritt professionell ausgebildet werden. Externe Bewerber überzeugen wir von der Evangelischen Bank als attraktivem Arbeitgeber. Vom Glauben her ist das auch für externe Bewerber kein Problem, denn denen schreiben wir nichts vor. Wichtig ist, dass sie sich mit unseren Werten identifizieren können. Die sind schließlich kein Hexenwerk, da ist die Konfession erstmal nebensächlich.

Und wie sind Sie persönlich hier gelandet?

Das war eher Zufall. Nach meiner Zeit bei der Commerzbank sagte ich „nie wieder in einer Bank arbeiten“. Dort zählte nur das reine Verkaufen, das passt nicht zu mir. Nach dem Studium und der Promotion habe ich mich auf eine Anzeige beworben, in der eine Vorstands­assistentin gesucht wurde. Ich erfuhr erst im Gespräch, dass es um eine Bank ging und habe gezögert, aber das Gesamtpaket passte. Später bewarb ich mich intern für den Vorstandsstab Öffentlichkeitarbeit.

Die Bankenkrise von 2008, jetzt die Ölpreis- und ­Chinakrise – Banken haben es ­imagetechnisch schwer. Wir arbeiten Sie kommunikativ ­dagegen an?

Das müssen wir gar nicht, weil wir ein anderes Geschäftsmodell haben. Wir bewegen uns im Finanzkreislauf von Kirche und Diakonie: Die Gelder, die uns die Kirche zur Anlage anvertraut, werden zum Beispiel an die Diakonie zur Finanzierung eines Krankenhauses oder einer Kita verliehen. Bei uns gab es in den Krisen keinen Vertrauensverlust, weil wir kein Kredithai-Image haben und nicht auf reine Gewinnmaximierung setzen müssen. Bei uns steht die Gemeinschaft im Vordergrund, auch kommunikativ. Die Finanzmarktkrise von 2008 brachte uns eher neue Kunden, weil die sich von Großbanken abwandten. Menschen und Institutionen haben eine andere Haltung zu einer Bank, die ihnen anteilig gehört.

Und was schließen Sie als Anlage aus?

Kein Atom, keine Kinderarbeit, kein Tabak, keine Pornografie. Die Waffenindustrie ist ebenso ausgeschlossen wie Geschäfte mit Ländern, die die Todesstrafe praktizieren. Diese Dinge sind in unserem Nachhaltigkeitsansatz verankert. Und wir unterstützen keine spekulativen Geschäfte.

Wie controllen Sie das denn?

Im Vermögensmanagement ist ein Nachhaltigkeitsfilter eingebaut, die Kollegen dort schauen bei jeder Anlage genau hin. Der Filter wird den aktuellen Gegebenheiten kontinuierlich angepasst.

Im Gegensatz dazu: Wie ist die interne Kommunikation organisiert?

Wir nutzen vor allem E-Mails und das Intranet, es gibt aber auch Broschüren zu verschiedenen Themen und eine Mitarbeiterzeitung. Die erscheint ohne festen Turnus, sondern anlassbezogen etwa alle zwei bis drei Monate. Spendenübergaben begleiten wir zwar von der Pressestelle, setzen sie aber nicht auf die Webseite, um keine Begehrlichkeiten zu wecken – denn wir vergeben etwa 700.000 Euro im Jahr an Spenden oder Sponsoring.

Von ihrem Büro aus blickt man über halb Kassel bis zum Bergpark Wilhelmshöhe: Franziska Nocke im Gesprüäch mit pressesprecher- Chefredakteurin Hilkka Zebothsen. (c) Julia Nimke

Wie groß ist Ihr Team und ­welche Bereiche gehören dazu?

Die Bank hat insgesamt 500 Mitarbeiter, davon 18 in meinem Bereich. Dazu gehören in der Abteilung Öffentlichkeitsarbeit neben der Pressestelle auch das Veranstaltungsmanagement, Spenden und Sponsoring. Zwei Kollegen sitzen in Nürnberg und Kiel, der Rest hier in Kassel. Im Vorstandsstab sind neben der Öffentlichkeitsarbeit auch das Marketing, Recht, das Vorstandsreferat mit der Gremienarbeit und das Fuhrparkmanagement angesiedelt. Die Pressestelle ist in alle Themen eingebunden.

Und die Höhe Ihres ­Jahresbudgets?

Das liegt bei etwa einer Million für ­Presse-, Öffentlichkeits- und Gremienarbeit sowie ­Marketing.

Anders als viele ­andere ­Unternehmen denken Sie ­Pressearbeit und Marketing zusammen. Wie wird das ­gelebt?

So eng verzahnt zu sein und nebeneinander zu sitzen, ist Ausdruck unserer Strategie. Für die Veröffentlichungen haben wir ein gemeinsames Tool, in dem alle Beteiligten arbeiten. Alle Botschaften und Bildmaterialien werden aufeinander abgestimmt, um sie mehrfach nutzen zu können. Auch die Kanäle sind verbunden, ob auf der Homepage, Vertriebskanälen oder in Social Media.

Wer wird denn Facebook-Freund der Bank?

Das sind vor allem Privatkunden und kirchliche Einrichtungen. Wir haben etwa 500 Follower. Das ist im Vergleich zu den großen Playern nicht viel, aber für uns ist jeder einzelne wichtig, weil wir Teil eines Netzwerks sind.

Sind die eher Konsumenten oder Dialoginteressierte?

Wir übernehmen schon den aktiven Part, der Dialog entsteht eher über die Kunden­berater.

Welche anderen Social-­Media-Kanäle nutzen Sie noch?

Wir nutzen aktiv Xing und Youtube. Wir haben einen Twitter-Zugang, aber nutzen den kaum, weil unsere Kunden dafür nicht besonders affin sind. Ich habe schon überlegt, ob wir uns da nicht wieder ganz zurückziehen. Auf Youtube zeigen wir zum Beispiel Interviews mit dem Vorstand. Und was dort gut ankam, sind Filme der Preisträger unseres Nachhaltigkeitspreises. Zum Gewinn gehört ein Clip, der wie ein kleiner Imagefilm funktioniert. Ein Preisträger war ein Unternehmen, in dem Nicht-Behinderte und Behinderte gemeinsam mit Holz­elementen arbeiten, aus denen am Ende ein Haus entstand. Das Video ist sehr emotional und kam gut an.

Sind Social Media generell schwierig für Banken?

Rein vertriebsorientiert gesehen ja. Produkte und Leistungen einer Bank laufen da nicht gut, das geht besser über die Homepage. Für bunte, lebendige Geschichten rund um die Bank ist Social Media gut geeignet.

Und was ist Ihr KPI für ­erfolgreiche Kommunikation?

Reichweite und Qualität sind sicherlich immer dabei, aber das ist nicht maßgeblich. Für uns ist es wichtig, in überregionalen Leitmedien vertreten zu sein, unser Netzwerk zu erreichen und bei bestimmten Veranstaltungen wie dem Kirchen-, Jugendkirchen-, Gospel- oder Stiftungstag vertreten zu sein. Da haben wir ein Lunch-Meeting mit Kunden und Partnern zusammen mit Margot Käßmann geplant. Solche Messekontakte sind eine wichtige Größe für uns.

2013/2014 haben Sie mit der Evangelischen Darlehensgenossenschaft fusioniert. Was war die größte Herausforderung für die interne ­Kommunikation?

Die schiere Masse an nötigen Zusatzinformationen. Wir mussten die Gründe für die Fusion erklären und gleichzeitig ein Gefühl von Sicherheit vermitteln, das war ein kommunikativer Spagat. Viele Mitarbeiter hatten Angst um ihren Arbeitsplatz und wir mussten schnell in eine neue Aufbauorganisation kommen.

Waren Sie darauf vorbereitet?

Wir waren mit allen relevanten Bereichen eng verzahnt, um die notwendige Kommunikation abzustimmen. Darüber hinaus wurden wir extern begleitet. Ehrlich gesagt dachte ich anfangs, etwas weniger Informationen würden reichen. Vielleicht lag das an der Nähe zum Vorstand, wir hatten manche Information ja schon früher und Zeit genug, um sie zu verarbeiten. Aber jede Antwort brachte neue Fragen, während ich dachte, wir hätten doch schon alles gesagt. Auch außen hatte die Fusion jede Menge Folgen. Durch die Zusammenlegung der Rechenzentren änderten sich zahlreiche Kontonummern und die dazugehörigen Kunden brauchten neue Bankkarten. Sie selbst mussten intern auch wieder Dinge umstellen, von den Lastschriftvordrucken bis zum Briefpapier. Frühzeitig an alles zu denken und die Kommunikation entsprechend zu planen, war eine große Herausforderung. Die Phase von den ers­ten Gesprächen bis zur Eintragung der neuen Bank im Genossenschaftsregister dauerte weniger als ein Jahr. Am 11.11.2013 trafen sich die Vorstände um 11 Uhr in Düsseldorf, im September 2014 war alles juristisch eingetragen – ein ­knackiger Zeitplan…

Wie wichtig ist die Nähe zum Vorstand für die Eigen-PR ­Ihrer Abteilung?

Sehr, das wird intern auch so gesehen. Wenn wir etwas formulieren, wird automatisch suggeriert, das sei die Vorstandsperspektive. Das hat nicht nur Vorteile – und andersherum hat der Vorstand auch kurze Wege, die sitzen nebenan.

Welches ist Ihr größtes Kommunikationsprojekt in diesem Jahr?

Zum einen ein Korrespondenzprojekt für alle Briefe, die wegen der Fusion überarbeitet und vereinheitlicht werden müssen – das sind mehr als tausend Schriftstücke, von der AGB-Änderung bis zum Glückwunschschreiben bei Jubiläen. Und wir starten eine Crowdfunding-Plattform für die sozialen Projekte unserer Kunden. Die können ihre Idee dort einstellen und wir moderieren das, unterstützen mit Texten und Bildern und zahlen für jedes Projekt, das die Fan-Phase übersteht, für jede fünf Euro von Spendern zehn als Bank dazu. Das ist auch für uns ein gutes Mittel, um die Bandbreite unseres CSR-Engagements zu zeigen.

Angenommen, Sie gewinnen morgen eine Million Euro – was machen Sie damit?

Ich würde mir ein Haus am Highway One zwischen Los Angeles und San Francisco kaufen, wegen der schönen Landschaft. Ich bin viel gereist, und da ist das für mich so wichtige Gefühl von Freiheit am größten.

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